Haftreibung
Haftreibung oder Ruhereibung (auch Haft(reib(ungs))kraft) ist eine Kraft, die das Gleiten sich berührender Körper verhindert. Der Zustand ausreichender Haftreibung heißt Haften und schließt gegebenenfalls Kriechen, also das allmähliche Verformen der zusammengefügten Teile ein. Haftung wird in diesem Zusammenhang etwa so benutzt wie Bindung in der Chemie. Haftreibung ist die Verbindung von Körpern durch Kraftschluss. Dagegen wird zum Beispiel beim Kleben ein Stoffschluss (Verbindung mehrerer Körpern zu einem Körper bestehend aus mehreren Stoffen) hergestellt.
Kräfte bei Haftung
Voraussetzung für das Auftreten von Haftreibung ist, dass sich zwei Körper berühren und die Kontaktfläche durch eine äußere Kraft auf Scherung belastet wird. Es baut sich eine entgegengesetzte, betragsgleiche Kraft auf, die eine Relativbewegung der beiden Oberflächen verhindert (siehe Abbildung, Bild 1). Steigt die Scherkraft , so wächst zunächst auch die Kraft (siehe Abbildung, Bild 2). Dies geschieht jedoch nur bis zu einem Grenzwert, . Überschreitet die Scherkraft diese Haftreibungsgrenze, so wird sie nicht mehr vollständig durch die Haftkraft kompensiert. Es bleibt eine resultierende Kraft, die zu einer Beschleunigung des Körpers führt (siehe Abbildung, Bild 3). Ist der Körper in Bewegung, so wirkt keine Haftreibung mehr. Die Kraft, die beim Gleiten der Bewegung entgegenwirkt, heißt Gleitreibung und ist im Allgemeinen geringer als (siehe Abbildung, Bild 4). Der schnelle Wechsel zwischen Haft- und Gleitreibung kann Schwingungen anregen (quietschende Tür oder Bremsen) und ist für Erdbeben verantwortlich; siehe Stick-Slip-Effekt.
Berechnung der Haftreibung
Da die Haftreibung stark von Materialeigenschaften und Oberflächenbeschaffenheit abhängt, kann sie nur in grober Näherung durch einfache physikalische Gesetzmäßigkeiten beschrieben werden. Danach ist die maximale Haftreibung proportional zu der Normalkraft und unabhängig davon, wie groß die Kontaktfläche ist. Die Normalkraft ist die Kraft, die senkrecht zur Kontaktfläche, der Anpresskraft (in nebenstehender Abbildung beispielsweise die Gewichtskraft ) entgegenwirkt. Somit gilt:
Die Proportionalitätskonstante wird Haftreibungskoeffizient[1] oder Haftreibungszahl[2] genannt, siehe im Artikel Reibungskoeffizient für tabellierte Werte und weitere Details. Bei zunehmendem Anpressdruck steigt die übertragbare Scherspannung nur bis zur Fließgrenze an.
Unterschied zu anderen Formen von Reibung
Unter Reibung wird üblicherweise ein dissipativer Prozess verstanden, also ein „energiezehrender“ Prozess, bei dem die (kinetische) Energie unter Zunahme der Entropie in Wärme umgewandelt wird. Im Gegensatz zur Roll- und Gleitreibung ist dies bei der Haftreibung im Allgemeinen nicht der Fall, da eine Kraft, die nicht zur Bewegung des Körpers führt, keine Arbeit verrichtet. Aus diesem Grund wird die Bezeichnung als Reibung und die Klassifikation als solche von manchen Physikdidaktikern kritisiert.
Literatur
- Wolfgang Stamm: Modellierung und Simulation von Mehrkörpersystemen mit flächigen Reibkontakten, Diss., KIT, 2009, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
- Valentin L. Popov: Kontaktmechanik und Reibung: Ein Lehr- und Anwendungsbuch von der Nanotribologie bis zur numerischen Simulation, Springer-Verlag, 2009, ISBN 978-3-540-88836-9, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
Einzelnachweise
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