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vom 30.03.2015, aktuelle Version,

Infantile Zerebralparese

Klassifikation nach ICD-10
G80.- Infantile Zerebralparese
G80.0 Spastische tetraplegische Zerebralparese
G80.1 Spastische diplegische Zerebralparese
G80.2 Infantile hemiplegische Zerebralparese
G80.3 Dyskinetische Zerebralparese
G80.4 Ataktische Zerebralparese
G80.8 Sonstige infantile Zerebralparese
G80.9 Infantile Zerebralparese, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2016)

Unter dem Ausdruck infantile Zerebralparese oder Cerebralparese (von lat. cerebrum „Gehirn“ und griech. parese „Lähmung“) im engeren Sinn, etwas allgemeiner auch cerebrale Bewegungsstörung genannt, versteht man Bewegungsstörungen, deren Ursache in einer frühkindlichen Hirnschädigung liegt. Die dadurch hervorgerufene Behinderung ist charakterisiert durch Störungen des Nervensystems und der Muskulatur im Bereich der willkürlichen Motorik. Am häufigsten sind spastische Mischformen und eine Muskelhypertonie, aber auch athetotische oder ataktische Formen kommen vor.

Synonyme

Man spricht von „zerebraler Kinderlähmung“, „infantiler Paralyse“, „paralysis infantum“; nach dem englischen Orthopäden William John Little auch (veraltet) von der Little’schen Krankheit („Little’s disease“) oder morbus Little, auch (gleichfalls veraltet): Foerster-Syndrom/Diplegie/Krankheit. Die Menschen, die von einer infantilen Zerebralparese betroffen sind, werden im Allgemeinen auch – inzwischen abwertend – Spastiker genannt. Die allgemeinere Bezeichnung „cerebrale Bewegungsstörung“ umfasst die unterschiedlichen Formen der gestörten Bewegung und berücksichtigt nicht nur angeborene, sondern auch erworbene Schädigungen wie Hirn-Tumoren, Schädel-Hirn-Trauma oder nach entzündlichen oder Gefäßerkrankungen[1].

Allgemeines

Das menschliche Gehirn ist unter anderem eine Schaltzentrale, die Befehle an den Bewegungsapparat sendet. Dieser wiederum meldet ausgeführte Aktionen an das Gehirn zurück. So entsteht der Kreislauf der menschlichen Motorik. Bei der Parese findet sich ein gestörter Kreislauf, der je nachdem welche Gehirnregion betroffen ist, zu unterschiedlichen Behinderungsarten führt. Die cerebrale Bewegungsstörung lässt sich in drei Ausprägungsformen einteilen: Spastik, Athetose und Ataxie, die jedoch oft in Mischformen auftreten.

Bei der Spastik ist die Muskelspannung erhöht (Hypertonus), da das Wechselspiel zwischen Anspannung und Entspannung gestört ist. Bei der Athetose ist die Muskelspannung wechselnd, bei plötzlichen Impulsen kommt es zu ausfahrenden Bewegungen z.B. der Arme und Beine. Die Ataxie ist von einer niedrigen Grundspannung geprägt, wodurch zielsichere Bewegungsausführungen erschwert sind.

Eine Zerebralparese lässt sich bei schwer betroffenen Kindern schon bald nach der Geburt erkennen, bei anderen erst nach drei bis vier Monaten. Allgemein spricht man aber erst nach Ende des ersten Lebensjahres von einer Zerebralparese. Es gibt keine bestimmte Behandlungsmethode bei Zerebralparesen, jedes Kind reagiert anders.

Ursachen

Nur in etwa 50 % der Fälle finden sich eindeutige Ursachen für die Hirnentwicklungsstörung. Typischerweise führt ein Sauerstoffmangel vor, während oder kurz nach der Geburt zu einem Absterben von Nervenzellen. Dementsprechend stellt ein Apgar-Score unter vier zum Zeitpunkt fünf Minuten nach der Geburt einen erheblichen Risikofaktor für eine infantile Zerebralparese dar.[2] Verschiedene Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft wie Toxoplasmose, Cytomegalie, Röteln oder früher die Syphilis schädigen das Gehirn des noch ungeborenen Kindes. Fehlbildungen des Mutterkuchens können eine Minderversorgung des sich entwickelnden Gehirns mit nachfolgender Schädigung verursachen. Weitere Ursachen während der Schwangerschaft können Schädigungen durch Medikamente (Embryopathien), Alkohol (Alkoholembryopathie) oder Kohlenmonoxid sein. Nach der Geburt zählen Hirnblutungen insbesondere bei Frühgeborenen oder eine Schädigung durch verstärkte Neugeborenengelbsucht, die zu einer Bilirubinenzephalopathie führt, zu wichtigen Ursachen. Jenseits der Neugeborenenperiode verursachen ein Schädel-Hirn-Trauma oder Hirnhautentzündungen am häufigsten Hirnschädigungen mit nachfolgenden cerebralen Bewegungsstörungen.

Nur etwa zwei Prozent der Fälle von infantiler Zerebralparese sind nach englischen und schwedischen Studien auf genetische Ursachen zurückzuführen. In allen diesen Fällen sind die Symptome symmetrisch. Wie bei der Querschnittlähmung wird zwischen tetraplegischer und paraplegischer Zerebralparese mit mehreren Typen unterschieden. Für alle diese Typen sind die verursachenden Genmutationen bekannt. Betroffen ist unter anderem die GABA-Biosynthese (Glutamat-Decarboxylase).[3][4]

Epidemiologie

Statistisch gesehen kann bei etwa einem von 500 lebend geborenen Kindern eine Zerebralparese diagnostiziert werden.[5] Sehr kleine Frühgeborene sind etwa 100- bis 300-mal häufiger betroffen als reif geborene Kinder.

Die Inzidenz liegt bei 9/100.000 Einwohner pro Jahr.[6]

Symptome

Es kommt zu einer Verhinderung der üblichen Entwicklung des zentralen Nervensystems, zu einer Entwicklungshemmung, einem Weiterbestehen frühkindlicher Reflexe und die Entwicklung physiologischer Reflexbahnen bleibt aus.

Es lassen sich verschiedene Formen von Bewegungs- und Haltungsbesonderheiten unterscheiden, oftmals handelt es sich um Mischformen:

Verlangsamte Motorik und schwache Muskulatur kommen vor.

Spastik

Bei der Spastik sprach man früher auch von einer spastischen Lähmung. Die Hirnschädigung umfasst sowohl die unwillkürlichen (extrapyramidalmotorisches System) als auch die willkürlichen Bewegungen (Pyramidales System). Schädigungen dieses Bereiches haben Folgen auf das Wechselspiel der Muskeln zwischen An- und Entspannung. Der Muskeltonus ist erhöht (Hypertonus), wodurch die Muskulatur verhärtet und die Reflexbereitschaft gesteigert sind. Die Co-Kontraktion (= gleichzeitige Anspannung von Agonisten und Antagonisten) ist enorm hoch. Dies hat eine sehr starre Körperhaltung zur Folge, die die Bewegungsfähigkeit der Betroffenen stark einschränkt und oft zu stereotypen Bewegungsmustern führt. Der Gleichgewichtssinn ist gestört und die Feinmotorik ist ebenfalls beeinträchtigt. Je nach Ausprägung der Schädigung kommt es entweder zu einer ständig erhöhten Muskelanspannung oder in leichteren Fällen der Spastik ist der Tonus nur bei Aktivität erhöht. Laut Udo Kalbe ist die Spastik mit 60 % die meist vertretene Ausprägungsform der cerebralen Bewegungsstörungen.

Ataxie

Die Bezeichnung Ataxie kommt aus dem Griechischen, wo αταξία 'Unordnung' bzw. 'ohne Ordnung' bedeutet. Betroffen sind etwa 15 % der Menschen mit cerebralen Bewegungsstörungen.

Bei Ataxie handelt es sich um eine gestörte Koordination von Bewegungsabläufen. Sie beruht u.a. auf einer zu niedrigen Grundspannung der Muskulatur, die auch als Hypotonie bezeichnet wird. Die Bewegungen sind dadurch weniger zielsicher und Bewegungsabläufe wirken zumeist fahrig und unharmonisch. Die Dosierung und Abstufung, sowie das rasche Abbremsen von Bewegungen sind durch die niedrige Spannung erschwert, so dass Bewegungsabläufe mangelhaft koordinierbar sind. Auch hat die Ataxie Auswirkungen auf das Gleichgewicht, welches erheblich gestört wird. Das Erlernen des Gehens ist dennoch möglich, der Gang wirkt jedoch schwankend (vergleichbar mit dem Gehen eines Betrunkenen). Die Ataxie ist meist mit einer Tetraparese gekoppelt, das bedeutet, dass die gesamte Skelettmuskulatur von der Störung betroffen ist.

Athetose

Der Begriff Athetose leitet sich vom griechischen Wort άθετος ('athetos') = 'nicht an seiner Stelle' bzw. 'ohne feste Stellung' ab. Betroffen sind etwa 10 % der Menschen mit cerebralen Bewegungsstörungen.

Bei der Athetose betrifft die (in der Regel hypoxische) Läsion das extrapyramidale System. Bei dieser Störung liegt ein wechselnder Muskeltonus vor und es fehlt eine ausgeglichene, normale Co-Kontraktion. Im Ruhezustand ist die Muskelspannung zu niedrig, während sie bei Aktivität zwischen Hypo- und Hypertonus wechselt. Dieses lässt – besonders bei plötzlichen Bewegungsimpulsen – ausfahrende und bizarr geschraubte Bewegungen der Arme und Beine, besonders aber von deren distalen Abschnitten, entstehen. Betroffen sind nicht nur die willkürlichen Bewegungen, sondern es kommt auch zu unwillkürlichen Bewegungen mit den typischen Charakteristika. Zum Erscheinungsbild der Athetose gehört auch, dass der Betroffene eine erschwerte Kopfkontrolle hat. Kinder können sich dadurch nur mühsam in erhöhte Positionen aufrichten. Die Nahrungsaufnahme und das Sprechen werden durch die wechselnde Muskelspannung behindert. Ein weiteres Problem ist das Halten des Gleichgewichts, das jedoch eine sehr wichtige Komponente beim Erlernen des Laufens darstellt. Aus diesem Grund ist selbständiges Gehen oft nur bei leichten Formen der Athetose oder im fortgeschritteneren Lebensalter möglich. Die Schädigung betrifft zwar den gesamten Körper, meist aber zeigt sich eine deutliche Seitendifferenz, das heißt eine Seite ist stärker betroffen als die andere.

Einteilung nach Verteilungsmuster

Die Bewegungsstörung kann die Beine (Paraparese, 40 %) , eine Körperhälfte (Hemiparese, 32 %) oder alle vier Extremitäten (Tetraparese, 2 %) betreffen. Die häufig im Zusammenhang mit infantiler Zerebralparese gebrauchten Begriffe der Para-, Hemi-, Di- oder Tetraplegie sind insofern ungenau und nicht zutreffend als eine Plegie eine vollständige Lähmung in der Regel im Rahmen einer Querschnittlähmung beschreibt.

Begleiterscheinungen

Zusätzlich zu den Bewegungsstörungen treten häufig weitere Krankheitserscheinungen auf, die durch die zugrundeliegende Hirnschädigung verursacht werden. Zwischen 30 bis 50 % der Patienten haben eine symptomatische Epilepsie. Neben der motorischen kann auch die geistige Entwicklung verzögert sein. Dabei treten möglicherweise auch Verhaltensstörungen auf. Etwa die Hälfte der Betroffenen hat aber eine normale oder nur leicht verminderte Intelligenz. Wenn die Hirnschädigung entsprechende Regionen betrifft, können auch Augensymptome in Form von Schielen, Sprachstörungen sowie Hörbehinderung hinzutreten. Die Störung der Steuerung der Muskulatur kann in ausgeprägten Fälle schließlich zu Minderwuchs und Muskelschwund führen.

Auswirkungen

Infolge von häufig auftretenden spastischen Lähmungen kommt es zu einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit der betroffenen Extremitäten. Hier kann die Nutzung eines Rollstuhls gegebenenfalls ausgleichend indiziert werden. Die vereinzelten auftretenden Sprachstörungen können zusätzlich die Teilnahme am sozialen Leben beeinträchtigen. Kognitive Einschränkungen können partikulär auftreten, die die Selbständigkeit und die Bewältigung des Alltags ebenso erschweren, wodurch es größtenteils zu Ausgegrenzungen und sozialer Isolation kommt. Andere Betroffene hingegen weisen eine durchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit auf und sind in der Regel gut in die Gesellschaft integriert. Die selbständige Bewältigung des Alltags (z. B. Essen und Trinken, Toilettenbenutzung, An- und Ausziehen) kann durch die eingeschränkte Grobmotorik erschwert werden, durch Training und beständiges Wiederholen einzelner gezielter Bewegungsabläufe können aber die bestehenden motorischen Fähigkeiten mitunter verfeinert werden, so dass häufig eine Bewältigung des Alltags (gegebenenfalls mit unterstützenden Hilfeleistungen) ermöglicht werden kann. Generell ist stets auf die Förderung des einzelnen betroffenen Individuums zu achten, da sich die Ausbildung der Fähigkeiten (sei es in kognitiver, physischer oder psychischer Hinsicht) stark von Fall zu Fall variiert.

Behandlung

Eine multidisziplinäre Therapie aus unterschiedlichen medizinischen und therapeutischen Bereichen steht im Mittelpunkt der Behandlung der infantilen Zerebralparese. Grundsätzlich sollte diese so früh wie möglich im Verlauf der Erkrankung beginnen. Eine kausale, also die Erkrankung heilende Therapie ist auf Grund der schon eingetretenen und abgeschlossenen Hirnschädigung nicht möglich. Von besonderer Bedeutung ist die Ausarbeitung eines die verschiedenen Therapiemöglichkeiten einbeziehenden Rehabilitationsplanes, in dem insbesondere die zu erreichenden Therapieziele erläutert und festgelegt werden sollten. Hierbei stehen unterstützende konservative Therapiemaßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, die durch spezielle medikamentöse Therapien und konservative orthopädische Kontrakturvorbeugung durch verschiedene Orthopädietechniken unterstützt werden, im Vordergrund der Behandlung. Erst bei einem fortschreitenden Verlauf, der Ausschöpfung aller konservativen Maßnahmen und unter sehr strenger Operationsindikation sollten operative Maßnahmen zum Einsatz kommen.

Konservative Therapie

Die konservative Therapie umfasst ein großes Spektrum der Rehabilitationsmedizin. Sie sollte so bald wie möglich nach der Diagnose beginnen.

Physiotherapie

In früheren Jahren stand bei der krankengymnastischen Behandlung von cerebralen Bewegungsstörungen die Vorstellung im Mittelpunkt, durch das Anbahnen von möglichst normalen Bewegungsabläufen die Entstehung von sogenannten abnormen Bewegungs- und Ersatzmustern zu vermeiden. Sowohl durch die Therapie nach dem Bobath- als auch nach dem Vojta-Konzept sollen möglichst normal Bewegungsabläufe im Gehirn gespeichert und zu eigenständigen Handlungsabläufen genutzt werden.[1] Nach aktuellem Kenntnisstand werden durch die krankengymnastischen Methoden motorische Lernprogramme vermittelt. Dies erfolgt am effektivsten durch aktives, wiederholtes Üben von sinnvollen Aufgaben. Dementsprechend werden in die Behandlung zunehmend Methoden aus der Erwachsenenrehabilitation wie Laufbandtrainig oder forciertes Training der betroffenen Seite bei Hemiparesen integriert.[1]

Ergotherapie

Die Ergotherapie besteht vor allem in der Anleitung zur Selbsthilfe, in speziellen Arbeits- und Schreibhilfen sowie in einer gezielten Therapie für die meist schwer gestörte Sensomotorik der Hände.

Logopädie

Sowohl Schluckstörungen als auch Sprachstörungen können durch die gestörten Bewegungsabläufe eine logopädische Behandlung erforderlich machen. Im Rahmen der begleitenden allgemeinen Entwicklungsverzögerung wird auch eine Sprachentwicklungsverzögerung durch Sprachtherapie behandelt.

Konduktive Förderung nach Petö

Diese Ganzheitstherapie wurde Ende 1940 von Prof. Petö entwickelt, um cerebral geschädigte Kinder zu fördern und zu therapieren. Sie ist für Kinder und Erwachsene geeignet. Sie besteht aus krankengymnastischen, pädagogischen, ergotherapeutischen, psychologischen und logopädischen Elementen. Oberstes Ziel dabei ist, den Patienten soweit bewegungsfähig zu machen, dass er einmal ein selbständiges und unabhängiges Leben führen kann. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in einer abschließenden Stellungnahme die Aufnahme in den erstattungsfähigen Teil des Hilfsmittelkatalogs abgelehnt, weil nicht nachgewiesen sei, dass Petö besser ist als das, was die Krankenkassen bereits bezahlen.[7] Am 29. September 2009 hat das BSG der Komplexität der konduktiven Förderung Rechnung getragen und sie als Leistung der Eingliederungshilfe in die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers gelegt.[8]

Medikamentöse Therapie

Verschiedene Medikamente sollen vor allem die erhöhte Spannung der spastisch gelähmten Muskulatur senken. Dazu gehören Benzodiazepine, Baclofen und Anticholinergika. Zur Behandlung der Spastik kann in die betroffenen Muskeln Botulinumtoxin (auch bekannt als „Botox“) lokal injiziert werden, was die Muskelspannung über einen Wirkungszeitraum von ca. drei Monaten senkt. Bei begleitenden psychischen Störungen und Unruhezuständen im Rahmen einer begleitenden geistigen Entwicklungsstörung werden verschiedene Psychopharmaka wie z. B. sedierende Neuroleptika eingesetzt.

Orthopädietechnik

Die Orthopädietechnik stellt vor allem Hilfsmittel zur Kontrakturprophylaxe sowie Gelenkstabilisierung durch Funktionsschienen, Steh-, Geh-, Sitz- und Greifhilfen zur Verfügung. Die Anfertigung von passgenauen Korsetts soll zumindest einer Verschlimmerung einer sekundären Wirbelsäulenverkrümmung vorbeugen.

Operative Therapie

Im Vordergrund der operativen Therapie steht die Korrektur und Prophylaxe von Kontrakturen und Deformitäten, sowie die größtmögliche Herstellung des Muskelgleichgewichts zur weitergehenden Verhinderung pathologischer Bewegungsmuster. Es stehen hierfür verschiedene operative Techniken zur Verfügung: Ziel einer Sehnenverlängerung (Tenotomie), Muskeleinkerbung (Myotomie) sowie Muskelursprungsverlagerung ist die Beseitigung der Kontraktur unter Schonung der Spannung der Muskulatur. Weiterhin kommen eine Achillessehnenverlängerung und Hüftbeugekontraktur zur Anwendung. Eine Nervendurchtrennung (Neurotomie) dient der Behandlung schwerster spastischer Kontrakturen, insbesondere bei Gehunfähigkeit. Hierdurch wird eine spastische Parese unumkehrbar in eine schlaffe Lähmung umgewandelt. Eine Knochenumstellung (Osteotomie) kommt zum Einsatz, wenn bereits Deformitäten der Gelenke eingetreten sind und eine einfache Sehnenverlängerung keinen weiteren therapeutischen Nutzen bringt. Eine Gelenkversteifung (Arthrodese) führt zu permanenten Korrekturen im Bereich instabiler Gelenke. Zur Behandlung der Spastik kann auch eine Medikamentenpumpe zur intrathekalen Applikation von Baclofen in den Liquorraum implantiert werden. Die Wirkung entfaltet sich direkt am Rückenmark, wo die Spastik durch die Enthemmung der Moto-Neurone entsteht. Dies geschieht nach einem erfolgreichen Test einer Eingabe von Baclofen über eine Lumbalpunktion. Voraussetzung ist jedoch eine bestimmte Größe des Betroffenen.

Schulischer Aspekt

Bei Kindern mit einer Zerebralparese ist die Einschulung in eine Regelschule meist ein schwerer und bürokratischer Prozess. Viele Lehrer sind nicht dazu ausgebildet, Kinder mit einer Körperbehinderung aufzunehmen, selbst wenn ihre kognitiven Fähigkeiten mit denen eines Regelkindes vergleichbar sind. Deshalb wird z. B. in der Schweiz keinem Lehrer vorgeschrieben, ein Kind mit einer Zerebralparese aufnehmen zu müssen. In vielen Fällen liegt es an den Eltern, sich dafür einzusetzen, dass das eigene Kind in eine Regelklasse aufgenommen wird.

Wenn ein Kind mit körperlichen Schwierigkeiten in die Regelklasse aufgenommen wird, ist dessen Schulalltag oft von vielerlei Hürden geprägt. Problematisch ist schon die Tatsache, dass von einem Kind mit Behinderung meist das Gleiche erwartet wird wie von Kindern ohne Einschränkungen. Andererseits ist es gerade für Kinder mit einer körperlichen Behinderung sehr wichtig, dass ihnen nicht in gutgemeinter Hilfsbereitschaft jede Arbeit abgenommen wird, sondern dass sie das Gefühl bekommen, gesellschaftlich wichtige Arbeit zu leisten und selbständig für sich sorgen zu können. Die Anforderungen an das Lehrpersonal sind daher bei Kindern mit Behinderung enorm. Daher besteht mittlerweile die Möglichkeit eines Integrationshelfers für behinderte Kinder. Die Beantragung ist meist jedoch mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden.

Populärkultur

Der selbst an einer leichten Form der infantilen Zerebralparese leidende Schauspieler RJ Mitte wurde durch seine Rolle als an ICP erkrankter Jugendlicher in der Fernsehserie Breaking Bad bekannt.

Literatur

  • Adriano Ferrari, Giovanni Cioni (Hrsg.): Infantile Cerebralparese. Spontaner Verlauf und Orientierungshilfen für die Rehabilitation (= Rehabilitation und Prävention. Bd. 39). Springer, Berlin u. a. 1998. ISBN 3-540-62028-1.
  • Renate Holtz: Therapie- und Alltagshilfen für cerebralparetische Kinder. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Pflaum, München u. a. 2004, ISBN 3-7905-0912-4.
  • Berta Bobath, Karel Bobath: Die motorische Entwicklung bei Zerebralparesen. 6., unveränderte Auflage. Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-13-539006-2.
  • Florian Heinen (Hrsg.): Botulinumtoxin bei Kindern mit Cerebralparese. 2. Auflage. Wissenschaftsverlag Wellingsbüttel, Hamburg 1999, ISBN 3-926774-28-2.
  • Freeman Miller, Steven J. Bachrach: Cerebral Palsy. A Complete Guide for Caregiving. 2nd edition. Johns Hopkins University Press, Baltimore MD 2006, ISBN 0-8018-8354-7.

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 D. Karch: Physiotherapie aus neurophysiologischer Grundlage nach Bobath und Vojta bei Kindern mit zerebralen Bewegungsstörungen (unter besonderer Berücksichtigung von infantilen Zerebralparesen). Dtsch. Ges. f. Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V.; abgerufen am 15. September 2013 (PDF).
  2. Kari Kveim Lie, Else-Karin Grøholt, Anne Eskild: Association of cerebral palsy with Apgar score in low and normal birthweight infants. In: British Medical Journal. ; abgerufen am 17. Dezember 2014.
  3. Infantile Zerebralparese. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
  4. Infantile Zerebralparese. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
  5. Thames Valley Children’s Centre – Cerebral Palsy – Causes and Prevalence. Archiviert vom Original am 23. August 2007. Abgerufen am 11. Juni 2007.
  6. Karl F. Masuhr, Marianne Neumann: Duale Reihe Neurologie. 6. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2007, ISBN 978-3-13-135946-9, S. 160.
  7. Konduktive Förderung nach Petö – Zusammenfassender Bericht des Unterausschusses „Heil- und Hilfsmittel“ des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beratungen gemäß § 138 SGB V Volltext online (pdf; 1,7 MB), zuletzt eingesehen am 14. August 2008
  8. BSG 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R, Urteilsbegründung vom 1. Februar 2010 nachzulesen in http://lexetius.com/2009,4093
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