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vom 26.07.2016, aktuelle Version,

Louis Théodore Gouvy

Louis Théodore Gouvy.

Louis Théodore Gouvy (* 3. Juli 1819 in Goffontaine, heute Saarbrücken-Schafbrücke; † 21. April 1898 in Leipzig) war ein deutsch-französischer Komponist der Romantik.

Leben und Schaffen

Familiärer Hintergrund

Théodore Gouvy wurde 1819 als jüngstes von vier Kindern einer wohlhabenden Familie von französischen Industriellen geboren. Seine Vorfahren stammten ursprünglich aus Belgien, sein Urgroßvater Pierre-Joseph hatte sich jedoch im Saarland niedergelassen und 1751 östlich von Saarbrücken eine Eisenhütte gegründet, der er im Andenken an sein belgisches Heimatdorf den Namen „Goffontaine“ gab. Théodores Vater Henry Gouvy führte diese Hütte bis zu seinem frühen Tod 1829 weiter, anschließend zog Théodores Mutter Caroline mit ihren Söhnen zu Verwandten nach Metz.

Studium und Aufenthalt in Rom

Gouvy studierte ab 1836 zunächst in Paris Jura. Da sein Geburtsort Goffontaine vier Jahre vor seiner Geburt aufgrund des zweiten Pariser Friedens an Preußen gefallen war, besaß er jedoch die französische Staatsbürgerschaft nicht. Nachdem ihm aus diesem Grund die Zulassung zum Examen verweigert worden war, brach er das Studium 1839 ab. Um eine Einbürgerung Gouvys hatte seine Mutter sich schon 1834 bemüht, sie setzte nach französischem Recht jedoch einen zehnjährigen Aufenthalt in Frankreich voraus. Als der Antrag schließlich Erfolg hatte, war Gouvy bereits 32 Jahre alt.

Während des Studiums beschloss Gouvy, Musiker zu werden, mangels französischer Staatsbürgerschaft blieb ihm jedoch der Zugang zum Conservatoire de Paris verwehrt. Er war daher gezwungen, Privatunterricht zu nehmen, unter anderem bei Antoine Elwart und Pierre Zimmermann, die zu jener Zeit Professoren am Konservatorium waren. Erste Lehrstücke entstanden 1841, zwei Jahre darauf folgten zwei Etüden für Klavier, die als Gouvys Opus 1 gezählt werden und 2002 neu aufgelegt wurden.

Während eines Auslandsaufenthalts in Rom 1844 war Gouvy Mitglied eines Künstlerkreises um Eduard Franck, Karl Anton Eckert und Niels Wilhelm Gade. Nach seiner Rückkehr nach Paris war er mit dem Pianisten Karl Halle befreundet und lernte über diesen unter anderem Frédéric Chopin und Hector Berlioz kennen.

Erste Schaffensphase: Instrumentalmusik

In seiner ersten Schaffensphase konzentrierte Gouvy sich auf Instrumentalmusik: Er schuf einen beträchtlichen Katalog an Kammermusik und eine Reihe von Sinfonien. Seine erste Sinfonie op. 9 wurde 1847 in Paris uraufgeführt und von der Kritik positiv aufgenommen, im selben Jahr zählte die Gazette musicale Gouvy bereits zu den wichtigsten zeitgenössischen französischen Komponisten von Instrumentalmusik.[1] Gouvy pflegte eine lebhafte Korrespondenz mit französischen und deutschen Kollegen, darunter Camille Saint-Saëns, Théodore Dubois, Franz Liszt, Ferdinand Hiller und Johannes Brahms.

Dennoch hatte Gouvy es beim Pariser Publikum schwer und konnte viele seiner Werke deshalb nur auf eigene Kosten aufführen. Er bekam allerdings wiederholt die Gelegenheit, in Deutschland aufzutreten, und wurde dort wärmer aufgenommen. Die Allgemeine deutsche Zeitung bezeichnete Gouvy als gebürtigen Franzosen, der es verstehe, deutschen Ernst mit der Eleganz seines Vaterlandes zu verbinden.[1]

Im Journal des Débats äußerte sich Berlioz am 1851 wohlwollend über Gouvy:[2]

«Qu'un musicien de l'importance de M. Gouvy soit encore si peu connu à Paris, et que tant de moucherons importunent le public de leur obstiné bourdonnement, c'est de quoi confondre et indigner les esprits naïfs qui croient encore à la raison et à la justice de nos mœurs musicales.»
„Dass ein Musiker vom Rang des Herrn Gouvy in Paris noch so wenig bekannt ist, während Schwärme von Mücken das Publikum mit ihrem hartnäckigen Gesumm belästigen, das muss die naiven Geister verblüffen und empören, die noch an den Verstand und die Gerechtigkeit unserer musikalischen Sitten glauben.“

1862 beugte Gouvy sich den Erwartungen der Pariser Musikwelt, die zu jener Zeit von der italienischen Oper geprägt war, indem er die Arbeit an seiner ersten Oper aufnahm, Der Cid. Nachdem er sie 1863 abgeschlossen hatte, fand er jedoch erst 1864 mit dem Sächsischen Hoftheater eine Bühne, die sich für das Werk interessierte. Der bekannte Tenor Ludwig Schnorr von Carolsfeld war für die Hauptrolle vorgesehen, verlangte jedoch zahlreiche Änderungen, die Gouvy dazu zwangen, ein ganzes Jahr in Dresden zu verbringen. Noch vor der schließlich für Oktober 1865 geplanten Premiere verstarb Schnorr von Carolsfeld früh und überraschend, die Oper wurde daraufhin zurückgezogen und kam erst im Juni 2011 am Saarländischen Staatstheater zur Uraufführung, unter der musikalischen Leitung von Arthur Fagen.[3]

Allgemeine Anerkennung fand Gouvy in Paris erst spät: So führte 1868 die Société des Concerts du Conservatoire seine Werke auf. 1873 wurde er in den Ausschuss der Société Nationale de Musique gewählt, weitere Ehrungen folgten. Dennoch war Gouvy über den lange ausgebliebenen Erfolg seiner Musik enttäuscht und lehnte daher 1875 aus gekränktem Stolz den Prix Chartier für das beste Streichquartett ab.

Zweite Schaffensphase: Chormusik

Nach dem Tod seiner Mutter 1868 zog Gouvy nach Hombourg-Haut in die Villa seines Bruders Alexandre und dessen Frau Henriette, die Gouvys Werk schätzte und seine Arbeit förderte. Musikalisch fand diese Freundschaft unter anderem in zahlreichen Klavierwerken für vier Hände Niederschlag. Alexandre ermöglichte es den beiden, die Zeit des Deutsch-Französischen Kriegs gemeinsam im sicheren Schweizer Exil zu verbringen. Nach dem Frankfurter Frieden von 1871 fiel schließlich auch Hombourg-Haut an Deutschland.

Gouvy konzentrierte sich nun auf Chorwerke. Er begann 1874 mit einem Requiem, das als eines seiner bedeutendsten Werke gilt. Es folgten ein Stabat mater (1875), eine Missa brevis (1882) sowie verschiedene weltliche Kantaten (1881–1894). Da es zu jener Zeit in Frankreich kaum Möglichkeiten gab, derartige Werke aufzuführen, verlagerte Gouvy sein Wirken schließlich ganz auf die großen Städte Deutschlands – insbesondere seine weltlichen Chorwerke konnte er während der 1880er- und 90er-Jahre wiederholt aufführen und gastierte damit in Leipzig, Wiesbaden, Duisburg, Halle, Frankfurt am Main und Frankfurt (Oder). Nach Paris kehrte er 1889 anlässlich der Weltausstellung zum letzten Mal zurück. Gouvy starb auf einer seiner Konzertreisen 1898 in Leipzig an den Folgen eines Herzinfarkts, begraben wurde er in Hombourg-Haut.

Vergessenheit und Wiederentdeckung

Zu Lebzeiten wurde Gouvy erst zögerlich Anerkennung zuteil; nach seinem Tod wurde sein Werk ein Jahrhundert lang fast vollständig vergessen. Als Grund hierfür wird häufig Gouvys Stellung zwischen den beiden Kulturen angeführt, zu einer Zeit großer Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich. Darüber hinaus trafen Gouvys musikalische Interessen nicht den Geschmack des Pariser Publikums, das zu jener Zeit gegenüber Instrumentalmusik generell wenig aufgeschlossen war. Als Édouard Lalo ab den 1870er-Jahren dann erste Erfolge auf diesem Gebiet feierte, hatte Gouvy sich bereits der Chormusik zugewandt.

Stil und Würdigung

Kritiker sprechen allerdings auch davon, dass es Gouvy bei allem handwerklichen Geschick an Originalität gemangelt und dass er in Stil und Form nicht nach neuen Wegen gesucht habe. Gouvys instrumentales Schaffen folgt ganz der Idee der absoluten Musik, während viele seiner Zeitgenossen sich der Programmmusik und sinfonischen Dichtung zuwandten. Er pflegte einen klassischen Stil und nannte Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann als Vorbilder. Darüber hinaus hatte Gouvy das Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy studiert, und es wurde ihm vorgeworfen, er habe sich stilistisch nicht genügend von diesem emanzipiert.

Bei manchen zeitgenössischen Kritikern mag auch Neid auf den materiellen Wohlstand seiner Familie eine Rolle gespielt haben, der es Gouvy ermöglichte, unabhängig vom finanziellen Erfolg seiner Werke seinen kompositorischen Interessen zu folgen. Bis heute hat sich die Einschätzung gehalten, dass Gouvy ein umfangreiches Werk „meisterhaft gearbeiteter“ und „schöner“ Musik hinterlassen habe, aufgrund seines wenig innovativen Stils jedoch nicht zu den „epochemachenden Meistern“ zu zählen sei.[4] Allerdings gibt es auch die Auffassung, dass sein im Frankreich seiner Zeit weitgehend singuläres sinfonisches Schaffen noch nicht angemessen gewürdigt werde.[1]

Das Institut Théodore Gouvy

1995 wurde in Hombourg-Haut das Institut de Louis Théodore Gouvy gegründet, angesiedelt in der ehemaligen Villa Alexandre Gouvys. Es betrachtet Gouvys Werk als wichtigen Teil der kulturellen Identität Lothringens, bereitet derzeit eine Neuauflage seines Werks vor und hat wesentlich zur Neuentdeckung des Komponisten beigetragen. Das heute meistgespielte Werk Gouvys ist sein Requiem op.70, das 1994 in Paris zum ersten Mal seit über 100 Jahren wieder aufgeführt wurde. Auch einige Kammermusikwerke, die vierhändige Klaviermusik sowie die Sinfonietta beginnen, sich wieder größerer Popularität zu erfreuen.

Werkübersicht

Diskografie

  • Symphonie Nr. 3 C-Dur op. 20; Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 30 (cpo 2007)
  • Symphonie Nr. 6 g-moll op. 87; Sinfonietta D-Dur op. 80 (cpo 2007: Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Jacques Mercier)
  • Symphonie Nr. 1 Es-Dur op. 9; Symphonie Nr. 2 F-dur op. 12 (cpo 2008: dito)
  • Symphonie Nr. 4 D-moll op. 25; Fantaisie Symphonique; Symphonie brève op. 80 (cpo 2009; dito)
  • Klaviertrios Nr.2 & 3 (orfeo 1997)
  • Lieder (6 Poesies allemandes de Moritz Hartmann; La Pleiade francaise op. 48 Nr. 3, 5,9;Poesies de Pierre de Ronsard (Ausz.)) orfeo 1997
  • Iphigenie en Tauride op.7 (cpo 2006)
  • Théodore Gouvy: Kantaten, sinfonische Werke, Kammermusik. Palazzetto Bru Zane 2014, ISBN 978-84-939-6867-0

Auszeichnungen

Literatur

Quellen:

Weiterführende Literatur:

  • Théodore Gouvy 1819–1898. Bericht über den Internationalen Kongress / Actes du Colloque international Saarbrücken / Hombourg-Haut. Hrsg.: Herbert Schneider. Hildesheim: Olms, 2008. 591 S., Ill., Notenbeisp. (Musikwissenschaftliche Publikationen; Bd. 29) ISBN 978-3-487-13541-0

Informationen zu Biographie und Werk

Noten und Hörbeispiele

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 Joachim Fontaine: (Louis) Théodore Gouvy, a.a.O., S. 1440
  2. René Auclair: Théodore Gouvy. Beiheft zur CD Théodore Gouvy: Quatuor à cordes en sol majeur et Quintette en sol majeur opus 55, Quatuor Denis Clavier (Ausführende), Collection Mémoire Musicale de la Lorraine, Distribution Musisoft, 1999
  3. Besprechung der Aufführung durch die Neue Musikzeitung, abgerufen am 5. Juni 2011.
  4. Katharina Müller: Théodore Gouvy. Beiheft zur CD Französische Bläsermusik im Barockgarten Lichtenwalde, Sächsische Bläserakademie (Ausführende), Auris Subtilis, 2006