Maria Schell
Maria Margarete Anna Schell (* 15. Jänner 1926 in Wien; † 26. April 2005 in Preitenegg, Kärnten) war eine österreichisch-schweizerische Schauspielerin. Sie gehörte zu den größten Stars des deutschen Films der 1950er und 1960er Jahre.
Leben
Maria Schell war die Tochter von Hermann Ferdinand Schell, einem Schweizer Schriftsteller, und Margarethe Noé von Nordberg, einer Wiener Schauspielerin. Sie wuchs mit ihren Geschwistern Maximilian, Carl und Immy zunächst in Österreich auf, bevor die Familie nach der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich 1938 nach Zürich flüchtete.
Jedoch gab es für die Familie ohne Geld nicht die Möglichkeit, zusammen bei Verwandten zu leben. So verteilten die Eltern die Kinder: Maximilian und Carl kamen in ein Basler Waisenhaus, Immy in ein Kinderheim nach Brunnen bei Schwyz und Maria nach Colmar. Hier lernte sie akzentfreies Französisch. Erst hierdurch hatte sie später die Möglichkeit, die Rolle der Gervaise im gleichnamigen Film anzunehmen. Ende August 1939 fuhr sie zu ihren Eltern nach Zürich. Eigentlich wollte sie nur für eine Woche Ferien machen, doch wenige Tage später brach der Krieg aus.[1]
Karriere
Eine kaufmännische Ausbildung brach Schell ab, als ihr Talent von Sigfrit Steiner entdeckt worden war und sie 1942 eine Filmrolle in dem Film Steibruch an der Seite von Heinrich Gretler erhielt. Damals noch unter dem Namen Gritli Schell spielte sie zunächst ohne besondere Ausbildung. Erst danach nahm sie Schauspielunterricht und erhielt mehrere Theaterengagements. Ab 1948 wandte sie sich wieder dem Film zu. Ihre erste Hauptrolle spielte Schell 1948 in Der Engel mit der Posaune. Es folgten Filme mit Dieter Borsche (Dr. Holl) und immer wieder O. W. Fischer.
Ihre Rolle in die Die letzte Brücke unter der Regie von Helmut Käutner bescherte Schell 1954 den Großen Preis der Internationalen Filmfestspiele von Cannes als beste Schauspielerin. Im gleichen Jahr wurde sie auch in Venedig mit der „Coppa Volpi“ für die Titelrolle der Wäscherin in Gervaise geehrt, der als bester ausländischer Film auch für den Oscar nominiert wurde. Während ihres Aufenthaltes in Hollywood anlässlich der Preisverleihung wurde sie von Yul Brynner in einer Hotellobby „entdeckt“; dieser setzte sich für sie als Besetzung der „Gruschenka“ in der Verfilmung von Dostojewskis Roman Die Brüder Karamasow ein. Schell drehte danach u. a. mit Gary Cooper den Western Der Galgenbaum und mit Glenn Ford den von Anthony Mann inszenierten Western Cimarron. Bekannt wurde auch der 1953 entstandene Film Solange du da bist. In den 1960er Jahren trat Schell vermehrt auf Theaterbühnen und im Fernsehen auf.
In den 1970er Jahren war sie häufig in Fernsehserien wie Tatort, Derrick und Der Kommissar sowie in einer Folge der US-amerikanischen Serie Kojak als Sister Lepar Angelica / Princess Viva Dushan zu sehen. Am Broadway erlebte die fünfzigjährige Schell 1976 ein außergewöhnlich erfolgreiches Bühnendebüt: Ihre Darstellung in Pavel Kohouts Armer Mörder rief überschwängliches Lob hervor.[2]
1982 spielte sie die Rolle der Claire Zachanassian in Max Peter Ammanns Bühnenverfilmung Der Besuch der alten Dame von Friedrich Dürrenmatt. Ihr letzter großer Publikumserfolg war die Fernsehserie Die glückliche Familie (1987 bis 1991). 1994/1995 wirkte sie in der Fernsehsaga Der Clan der Anna Voss mit. Ihren letzten Auftritt hatte sie 1996 in der Folge Heilig Blut der Krimireihe Tatort.
Krankheit und Tod
1991 unternahm Schell einen Suizidversuch. In ihren späten Lebensjahren bis kurz vor ihrem Tod lebte sie zurückgezogen auf einer von den Eltern ererbten Alm in Kärnten. Gesundheitlich bereits angeschlagen erlitt sie zudem zwei Schlaganfälle. 2002 drehte ihr Bruder Maximilian über sie den Dokumentarfilm Meine Schwester Maria, der auch ihre Altersdemenz thematisierte.[3] Beide erhielten dafür jeweils den Fernsehpreis Bambi. Bei der Premiere des Films im Februar 2002 zeigte sich Maria Schell zum letzten Mal in der Öffentlichkeit.[4]
2005 kam sie vor Ostern wegen Atembeschwerden ins Krankenhaus. Sie starb an Herzversagen als Folge einer Lungenentzündung. Ihre Grabstelle befindet sich auf dem Friedhof Preitenegg in Kärnten.[5]
Privatleben
Maria Schell war von 1957 bis 1965 mit dem Regisseur Horst Hächler und von 1966 bis 1986 mit dem Regisseur Veit Relin verheiratet. Beide Ehen wurden geschieden. Aus der ersten Ehe stammt ihr Sohn Oliver (* 1962), der als Regisseur, Musiker, Bühnenbetreiber und Schauspieler aktiv ist, und aus der zweiten ihre Tochter Marie Theres Kroetz-Relin (* 1966), die ebenfalls Schauspielerin ist.[6]
Von ihrem Schauspielerkollegen Oskar Werner erhielt sie den Spitznamen „Seelchen“, der ihr zeitlebens missfiel ("Weil Seelchen die Verkleinerung von Seele ist. Nicht ganz ernst zu nehmen")[7].
Ehrungen
Die Schauspielerin erhielt im Verlauf ihrer Karriere zahlreiche Filmpreise und Ehrungen: Acht Mal den Bambi, die Coppa Volpi der Filmfestspiele von Venedig, den Deutschen Filmpreis sowie das Bundesverdienstkreuz. Anlässlich des 10. Todestages widmete die Österreichische Post ihr eine Sonderbriefmarke.[8]
Filmografie
Kino (Auswahl)
- 1942: Steibruch
- 1948: Nach dem Sturm
- 1948: Der Engel mit der Posaune
- 1948: Maresi
- 1950: Es kommt ein Tag
- 1951: Dr. Holl
- 1951: Der wunderbare Flimmerkasten (The Magic Box)
- 1952: Wenn das Herz spricht (So Little Time)
- 1952: Bis wir uns wiederseh’n
- 1953: Der träumende Mund
- 1953: Solange du da bist
- 1953: Tagebuch einer Verliebten
- 1954: Die letzte Brücke
- 1954: Napoleon (Napoléon)
- 1955: Herr über Leben und Tod
- 1955: Die Ratten
- 1956: Gervaise
- 1956: Liebe
- 1957: Rose Bernd
- 1957: Weiße Nächte (Le notti bianche)
- 1958: Die Brüder Karamasow (The Brothers Karamazov)
- 1958: Ein Frauenleben (Une vie)
- 1958: Der Galgenbaum (The Hanging Tree)
- 1958: Der Schinderhannes
- 1959: Raubfischer in Hellas
- 1960: Cimarron
- 1960: Gebrandmarkt (The Mark)
- 1961: Das Riesenrad
- 1962: Ich bin auch nur eine Frau
- 1963: Zwei Whisky und ein Sofa
- 1968: Der heiße Tod (99 mujeres)
- 1969: Pack den Tiger schnell am Schwanz (Le Diable par la queue)
- 1970: Der Hexentöter von Blackmoor (El proceso de las brujas)
- 1971: Dans la poussière du soleil
- 1972: Die Pfarrhauskomödie
- 1972: Chamsin Hauptrolle und Produktion
- 1974: Die Akte Odessa (The Odessa File)
- 1975: So oder so ist das Leben
- 1975: Change
- 1976: Die verrückten Reichen (Folies bourgeoises)
- 1976: Reise der Verdammten (Voyage of the Damned)
- 1978: Spiel der Verlierer
- 1978: Superman
- 1979: Die erste Polka
- 1982: Die Spaziergängerin von Sans-Souci (La Passante de Sans-Souci)
- 1984: König Drosselbart
- 2002: Meine Schwester Maria (Dokumentation)
Fernsehen (Auswahl)
- 1969: Der Kommissar – Schrei vor dem Fenster (Fernsehserie)
- 1971: Olympia-Olympia (Fernsehfilm)
- 1972: Marie (Fernsehfilm)
- 1973: Der Kommissar – Der Tod von Karin W.[9] (Fernsehserie)
- 1975: Der Kommissar – Am Rande der Ereignisse (Fernsehserie, Folge 84)
- 1975: Tatort – Die Abrechnung (Fernsehreihe)
- 1976: Kojak – Einsatz in Manhattan (Kojak, Fernsehserie, Folge 4x11: Die Prinzessin)
- 1976: Derrick – Yellow He (Fernsehserie)
- 1977: Teerosen (Fernsehfilm)
- 1978: Derrick – Klavierkonzert (Fernsehserie)
- 1980: Die Mars-Chroniken (Fernseh-Mehrteiler)
- 1981: Das Traumschiff (Fernsehreihe)
- 1982: Inside the Third Reich (Fernseh-Mehrteiler)
- 1982: Die Krimistunde (Fernsehserie, Folge 1, Episode: "Der Antrag")
- 1982: Frau Jenny Treibel (Fernsehfilm)
- 1982: Der Besuch der alten Dame (Fernsehfilm)
- 1983: Das Traumschiff: Marrakesch
- 1983: Der Trauschein (Fernsehfilm)
- 1984: Samson und Delilah (Samson and Delilah) (Fernsehfilm)
- 1985: Zweimal 30 – Maria Schell Special
- 1987–1991: Die glückliche Familie (Fernsehserie, 49 Folgen)
- 1991: Das letzte Wort (Le Dernier mot) (Fernsehfilm)
- 1993: Nach langer Zeit (Fernsehserie)
- 1995: Der Clan der Anna Voss (Fernsehserie)
- 1996: Tatort – Heilig Blut (Fernsehreihe)
- 1996: Dr. Berg – Nur das Leben zählt (La Passion de docteur Bergh)
Auszeichnungen
- 1951–1957, 1987, 2002: Bambi
- 1954: Lobende Erwähnung bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes für Die letzte Brücke
- 1956: Coppa Volpi bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig für Gervaise
- 1957 und 1958: Goldener und Silberner Bravo Otto
- 1974: Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- 1977: Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film
- 1980: Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland
- 1983: Goldene Kamera
- 1986: Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold
- 2002: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse
- 2008: In Wien-Landstraße (3. Bezirk, Gebiet Aspanggründe / Euro-Gate) wurde die Maria-Schell-Straße nach ihr benannt.
- 2015: Die Österreichische Post widmete Maria Schell eine Sonderbriefmarke aus der Serie „Österreicher in Hollywood“.[8]
- 2020: In Wasserburg a.Inn wurde die Maria-Schell-Straße nach ihr benannt.[10]
Sie erhielt ab 1952 von der Stadt Karlsruhe einen Straßenbahnausweis auf Lebenszeit, als Auszeichnung für die vielen Bambis, die sie erhielt.[11]
Autobiografische Bücher
- Die Kostbarkeit des Augenblicks. Gedanken, Erinnerungen. Langen Müller, München 1985, ISBN 3-7844-2072-9.
- „… und wenn’s a Katz is!“ Mein Weg durchs Leben. Lübbe, Bergisch Gladbach 1998, ISBN 3-404-12784-6.
Literatur
- Thomas Blubacher: Maria Schell. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 3, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 1596 f.
- Hermann J. Huber: Langen Müller’s Schauspielerlexikon der Gegenwart. Deutschland. Österreich. Schweiz. Albert Langen • Georg Müller Verlag GmbH, München • Wien 1986, ISBN 3-7844-2058-3, S. 898 f.
- Hermann Josef Huber: Heitere Starparade. 300 Anekdoten von Hans Albers bis Maria Schell. Herder, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1989, ISBN 3-451-08640-9.
- Maja Keppler (Red.), Deutsches Filmmuseum (Hrsg.): Maria Schell, [eine Ausstellung des deutschen Filmmuseums 31. Januar bis 17. Juni 2007 Frankfurt am Main, Juli bis Oktober 2007 auf dem Schloss Wolfsberg, Kärnten (Österreich)]. Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums: Kinematograph, 22, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-89487-551-8.
- Danielle Krüger: Maria Schell – Schauspielerin. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 4, 1985.
- Maximilian Schell, Gero von Boehm, Thomas Montasser: Meine Schwester Maria. Europa-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-203-82037-4.
- Herbert Spaich: Maria Schell – ihre Filme – ihr Leben. [Heyne-Bücher, 32] Heyne-Filmbibliothek, 99, München 1986, ISBN 3-453-86101-9.
- C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 603.
- Mato Weiland: Maria Schell. Die autorisierte Maria Schell-Story. 24 ganzseit. Kunstdruck-Bilder. Massimo-Verlag, Wien 1959, ÖNB.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 7: R – T. Robert Ryan – Lily Tomlin. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 91 ff.
- Christine Wyss: Schell, Maria. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Manfred Zlotorzenski: Das Bambi und Maria Schell. In: Menschen und Medien – Zeitschrift für Kultur- und Kommunikationspsychologie, Berlin.
Weblinks
- Literatur von und über Maria Schell im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Maria Schell in der Internet Movie Database (englisch)
- Maria Schell bei filmportal.de
- Maria Schell Ausstellung im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main und in Wolfsberg / Kärnten
- Nachlass Maria Schell im Deutschen Filminstitut, Frankfurt am Main
- Eintrag zu Maria Schell im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- 5. November 1959: Maria Schell auf Besuch bei Bürgermeister Jonas. Webservice der Stadt Wien
- Sonderbriefmarke "Maria Schell"
- Infos und Fotos über Maria Schell
Einzelnachweise
- ↑ Schell, Maximilian: Meine Schwester Maria, Europa Verlag, Hamburg, 2004, S. 119
- ↑ Maria Schell […] Arbeiter-Zeitung, 26. Oktober 1976, S. 18, rechts Mitte (Digitalisat)
- ↑ Meine Schwester Maria. Internet Movie Database, abgerufen am 8. Juni 2015 (englisch).
- ↑ (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: 3sat.de 2010)
- ↑ knerger.de: Das Grab von Maria Schell
- ↑ Der letzte Vorhang, Süddeutsche Zeitung vom 12. Juli 2013
- ↑ Schell, Maria: Die Kostbarkeit des Augenblicks, Albert Langen Georg Müller Verlag GmbH, München, 1985, S. 41
- 1 2 austria-forum.org
- ↑ Der Tod von Karin W. Internet Movie Database, abgerufen am 8. Juni 2015 (englisch).
- ↑ Erste Maria-Schell-Straße Deutschlands entsteht in Wasserburg. 15. Januar 2020, abgerufen am 9. Februar 2020.
- ↑ Schell, Maria: Die Kostbarkeit des Augenblicks, Albert Langen Georg Müller Verlag GmbH, München, 1985, S. 241–242
Personendaten | |
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NAME | Schell, Maria |
ALTERNATIVNAMEN | Schell, Maria Margarete Anna (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichisch-schweizerische Schauspielerin |
GEBURTSDATUM | 15. Januar 1926 |
GEBURTSORT | Wien, Österreich |
STERBEDATUM | 26. April 2005 |
STERBEORT | Preitenegg, Kärnten, Österreich |
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Maria Schell in Amsterdam . | Nationaal Archief | Mieremet, Rob / Anefo | Datei:Maria Schell 928-4676.jpg | |
Grabstätte von Maria Schell auf dem Friedhof in Preitenegg | Eigenes Werk | Wellano18143 | Datei:Schell Maria.jpg |