Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 22.01.2020, aktuelle Version,

Radio Verkehrs AG

RAVAG-Logo: Mittelwellen- Sendemasten mit Abspannung (1935)

Die Radio Verkehrs AG (RAVAG) wurde 1924 als erste österreichische Rundfunkgesellschaft gegründet. Sie bestand bis zur Gründung des ORF im Jahr 1958.

Geschichte

Oskar Czeija

Am 1. Oktober 1924 wurde der offizielle Sendebetrieb aus einem provisorischen Studio in Wien am Stubenring aufgenommen. Generaldirektor der RAVAG war von 1924 bis 1938 Oskar Czeija. Gesellschafter der RAVAG waren das Handelsministerium, die Gemeinde Wien, die Firma Kapsch und verschiedene regierungsabhängige Banken. Im Jahr 1925 hatte die RAVAG bereits 100.000 Rundfunkteilnehmer. Die monatliche Gebühr betrug 2 Schilling.

Die Inhalte von Radio Wien beschränkten sich zunächst auf Bildung, gehobene Musik und Literatur. Bereits 1924 wurde ein eigenes Bildungsprogramm, die Radio-Volkshochschule ins Leben gerufen. 1925 wurde erstmals eine Opernaufführung, „Don Juan“ von W. A. Mozart von den Salzburger Festspielen übertragen, ab 1928 gab es Sportübertragungen und bei den Nationalratswahlen 1930 sogar ein eigenes Wahlstudio.

In diesen Aufbruchsjahren erreichten die Komponisten Rudolf Sieczynski und Richard Glück vom ÖKB (Österreichischer Komponistenbund) eine Vereinbarung mit RAVAG-Musikdirektor M. Ast für spezielle Sendeabende mit zeitgenössischen österr. Werken, unter denen auch mehrere Uraufführungen waren. Die ersten Abende 1926 waren Wiener Weisen, Chansons und Kabarettlieder und Konzerte „ernster“ Musik. Auch ein eigenes Rundfunkorchester wurde erwogen.

Während der Bildungsauftrag im Kulturbereich mehr als heutzutage erfüllt wurde, blieben Hörfunkberichte über politische Vorgänge während der Ersten Republik tabu. Erst der autoritäre Ständestaat – später auch als Austrofaschismus bezeichnet – unter Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg bediente sich des Hörfunks als Propagandainstrument. Im Kulturbereich wurden christliche Themen forciert und z. B. 1933 die „Geistliche Stunde“ eingeführt. Auch spielten Übertragungen von Messfeiern eine wichtige Rolle im Hörfunk des Ständestaates.

Am 25. Juli 1934 wurden die Sendeanlagen in der Johannesgasse von nationalsozialistischen Putschisten, die als Bundesheersoldaten verkleidet waren, besetzt. Eine Erklärung, dass Bundeskanzler Engelbert Dollfuß zurückgetreten sei, wurde verlesen. In den nachfolgenden Kämpfen wurden Teile der Sendeanlagen zerstört und eine Person getötet. Die Täter wurden wenig später verhaftet, einer davon in Wien zum Tode verurteilt und 18. August 1934 hingerichtet.

1935 wurde mit dem Bau des Funkhauses in der Argentinierstraße begonnen, das erst 1939, nach dem „Anschluss“ vollendet werden konnte.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde das Exekutivkomitee der RAVAG abberufen und Franz Pesendorfer zum kommissarischen Leiter bestimmt.[1] Der bald auf Pesendorfer folgende Adolf Raskin erhielt den Auftrag, die RAVAG zu liquidieren und Österreichs Rundfunk dem Reichsrundfunk nahtlos einzufügen.[2] Der Sendebetrieb wurde vom Reichssender Wien der deutschen Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (seit 1939: Großdeutscher Rundfunk) übernommen. Der „Reichssender Wien“ war damit Teil der Sendekette des Großdeutschen Rundfunks und wickelte in dieser Funktion ab 1942 alle Radioprogramme für das von deutschen Truppen besetzte Südosteuropa ab.

Am 24. April 1945 nahm die Radio Verkehrs-AG ihren Betrieb wieder auf. Kurzzeitiger Direktor wurde erneut Oskar Czeija, bis er auf Druck der sowjetischen Besatzungsmacht abgesetzt wurde. Die RAVAG ging in den Besitz der Republik Österreich über. Radio Wien wurde wie vor 1938 aus dem Funkhaus in der Argentinierstraße abgewickelt, bekam aber starke Konkurrenz des von der amerikanischen Besatzungsmacht gegründeten Radio „Rot-Weiß-Rot“. Die RAVAG und damit „Radio Wien“ kam bald in den Ruf des sowjetischen Propagandasenders. Das hatte damit zu tun, dass der Sitz der RAVAG, das Funkhaus, im sowjetischen Sektor des besetzten Wien lag und auch daran, dass die RAVAG genötigt wurde unter dem Titel „Russische Stunde“ verschiedene Programme der sowjetischen Besatzer auszustrahlen. In Wahrheit lag die Kontrolle über die „Russische Stunde“ ab 1947 bei der KPÖ. 1954 beschloss der Verwaltungsgerichtshof, dass der Rundfunk Bundessache sei. Damit wurden die Weichen für die Auflösung der beliebten Sendeketten der westlichen Besatzungsmächte in den Bundesländern gestellt. Diese wurden im Laufe des Jahres 1955 an die Republik Österreich zurückgegeben. Aus diesem Konglomerat ging 1958 der ORF hervor.

Viele Sendungen, die im ersten Jahrzehnt nach dem Krieg in den verschiedenen Sendeketten der Besatzungsmächte entwickelt wurden, wurden teilweise bis in die 1980er Jahre fortgeführt. Darunter „Was gibt es Neues?“ moderiert von Heinz Conrads, „Das Traummännlein kommt“ sowie „Sport und Musik“. Die einzige heute noch bestehenden Sendungen aus der Zeit der Senderketten sind „Du holde Kunst“ und das „Salzburger Nachtstudio“.

Liste der Senderstandorte

Nr. Ort Koordinaten Sendebeginn Mär. 1925[3]
kHz (m)
Nov. 1926[4]
kHz
Jan. 1929[5]
kHz
Jun. 1929[6]
kHz
Jan. 1934[7]
kHz
Jan. 1944[8]
kHz
1 Bregenz-Dornbirn 47° 26′ 55″ N,  42′ 7″ O 1934-12 - - - - 1294 519
2 Eisenerz 47° 32′ 43″ N, 14° 53′ 28″ O 194X - - - - - 1285
3 Graz-Schlossberg 47° 4′ 33″ N, 15° 26′ 14″ O 1925-03 742,6 (404) 820 847 - - -
4 Graz-St. Peter 47° 3′ 14″ N, 15° 27′ 55″ O 1929-06 - - - 851 886 1285
5 Graz-Dobl („Alpen“) 46° 57′ 0″ N, 15° 22′ 48″ O 1941-02 - - - - - 886
6 Innsbruck-Aldrans 47° 15′ 11″ N, 11° 26′ 51″ O 1927-06 - - 658 1058 519 519
7 Judenburg 47° 10′ 12″ N, 14° 39′ 23″ O 194X - - - - - 1285
8 Klagenfurt-St. Peter 46° 37′ 34″ N, 14° 19′ 30″ O 1926-11[9] - - 658 662 1294 1285
9 Kötschach-Mauthen 46° 40′ 21″ N, 13° 0′ 1″ O 194X - - - - - 1285
10 Lienz 46° 49′ 40″ N, 12° 45′ 40″ O 194X - - - - - 1285
11 Linz-Freinberg 48° 17′ 51″ N, 14° 16′ 3″ O 1928-06 - - 1200 1220 1294 1267
12 Radenthein 46° 48′ 2″ N, 13° 42′ 7″ O 194X - - - - - 1285
13 Salzburg-Mönchsberg 47° 47′ 46″ N, 13° 2′ 26″ O 1930-12 - - - - 1348 519
14 Spittal 46° 47′ 45″ N, 13° 29′ 44″ O 194X - - - - - 1285
15 Villach 46° 36′ 14″ N, 13° 50′ 50″ O 194X - - - - - 1285
16 Wien-Stubenring 48° 12′ 35″ N, 16° 22′ 59″ O 1924-10 566,0 (530) 520 - - - -
17 Wien-Rosenhügel 48° 9′ 36″ N, 16° 17′ 21″ O 1926-01 - 580 577 581 - -
18 Wien-Bisamberg 48° 18′ 40″ N, 16° 23′ 1″ O 1933-05 - - - - 592 592
19 Wien-Poststraße 48° 12′ 36″ N, 16° 22′ 46″ O 194X - - - - - 1312 (Dls)

Literatur

  • Reinhard Schlögl: Oskar Czeija. Radiopionier, Erfinder, Abenteurer. Böhlau, Wien 2004, ISBN 3-205-77235-0.
  • Hans Schafranek: Sommerfest mit Preisschießen. Die unbekannte Geschichte des NS-Putsches im Juli 1934. Czernin, Wien 2006, ISBN 3-7076-0081-5.
  • Desmond Mark: Paul F. Lazarsfelds Wiener RAVAG-Studie 1932. Gethmann-Peterson, Wien / Mühlheim 1996, ISBN 3-900782-29-6.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Neue Leitung des Rundfunks. In: Neue Freie Presse, Montagausgabe, Nr. 26404 A/1938, 14. März 1938, S. 22, unten rechts. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp.
  2. Willi A. Boelcke: Die Macht des Radios. Weltpolitik und Auslandsrundfunk 1924–1976. Ullstein, Frankfurt am Main (u. a.) 1977, ISBN 3-550-07365-8, S. 111.
  3. Radio Orario 1925 N. 9 S. 4
  4. Genfer Wellenplan, Radio-Wien, 29. November 1926, S. 425
  5. Brüsseler Wellenplan, Radio-Wien, 4. Januar 1929, S. 240
  6. Prager Wellenplan, Radio-Wien, 5. Juli 1929
  7. Luzerner Wellenplan, Radio-Wien, 12. Januar 1934, S. 13
  8. Bernd-Andreas Möller (Hrsg.): Handbuch der Funksende- und -empfangstsellen der Deutschen Reichspost
  9. Zwischensender Klagenfurt.. In: Radio Wien, 20. Dezember 1926, S. 66 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/raw