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vom 08.06.2022, aktuelle Version,

Werner Schwab

Werner Schwab (* 4. Februar 1958 in Graz, Steiermark; † 1. Jänner 1994 in Graz) war ein österreichischer Schriftsteller und Dramatiker.

Leben und Werk

Werner Schwab wurde am 4. Februar 1958 in Graz als Sohn einer Haushälterin und eines Maurers geboren. Kurz nach seiner Geburt verließ sein Vater die Familie, und seine Mutter sah sich wegen unterlassener Unterhaltszahlungen gezwungen, in ihr Elternhaus zurückzuziehen. Im Folgenden musste die Mutter, um überleben zu können, ihren Sohn in Pflege geben, lebte selbst in desolaten Unterkünften und arbeitete als Haushälterin in Graz und Semriach, bis sie eine Stellung als Hausmeisterin im Herz-Jesu-Viertel in Graz erhielt, mit der eine kleine Einzimmerwohnung verbunden war. Darin verbrachte Schwab zusammen mit seiner religiösen Mutter eine schwere Kindheit, die er mit der Einführung seines Alter Ego Herrmann Wurm in Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos zu verarbeiten versuchte.

Früh wollte Schwab Künstler werden, und so besuchte er 1974 die Kunstgewerbeschule Graz am Ortweinplatz, wo er sich in Ingeborg Orthofer, seine spätere Frau, verliebte. 1977 verließ er die Schule, nachdem er sich geweigert hatte, eine Kunstgeschichteprüfung abzulegen, und versuchte stattdessen, an der Akademie der Bildenden Künste in Wien aufgenommen zu werden. Dies scheiterte zunächst, und Schwab begann mittellos die elektroakustischen Vorlesungen von Dieter Kaufmann in Wien zu besuchen. Daneben engagierte er sich unter anderem zusammen mit Erwin Wurm und János Erdödy in dessen Galerie in Graz, wo erste künstlerische Produktionen und Aktionen stattfanden. Im Herbst 1978 wurde Schwab schließlich doch noch von Bruno Gironcoli an der Akademie akzeptiert und erhielt Waisenrente und Höchststipendium zugesprochen, wodurch sich seine finanzielle Situation erheblich verbesserte. Er bezog zusammen mit Ingeborg Orthofer eine Wohnung in Graz und pendelte weiterhin nach Wien. Am 1. Jänner 1981 übersiedelten die zwei nach Kohlberg in der Oststeiermark. Dort hatten sie eine Landwirtschaft erworben und begannen aus verderblichen Materialien wie Fleisch, Knochen und Tierkadavern verwesende Skulpturen zu erschaffen.

Das Leben in Kohlberg ließ Fahrten nach Wien kaum noch zu, weswegen Schwab 1982 aus der Akademie ausschied und sich vermehrt dem Schreiben zuwandte. Zunächst produzierte er experimentelle Texte, in denen er Figuren für seine späteren Stücke entwickelte, und schickte diese ohne Erfolg an die protokolle und andere Literaturzeitschriften. Auch seine Bewerbungen für Literatur- und Nachwuchsdramatikerstipendien wurden ausgeschlagen, und er musste sich den Lebensunterhalt mit Holzfällen und anderen Gelegenheitsarbeiten verdienen.

1989 war Schwab an der Gründung der Künstlervereinigung Intro Graz Spection beteiligt und inszenierte am 22. April für ihr erstes Projekt sein „Kadaverstück“ Das Lebendige ist das Leblose und die Musik mit einem Stierschädel als Requisit. Da Schwab trank, ging die Beziehung mit Orthofer in die Brüche, und in dieser schwierigen Zeit kam es 1990 zu einem Wandel. Es wurden mehrere Lesungen in Graz angesetzt; im Februar wurden Die Präsidentinnen in Wien uraufgeführt, im Juni erschien der erste Teil von Abfall, Bergland, Cäsar. Eine Menschensammlung in den manuskripten, und im Dezember wurde Schwab für den Literaturförderpreis der Stadt Graz nominiert.

Als 1991 Hans Gratzer schließlich die Regie für Übergewicht, unwichtig: Unform übernahm und das Stück in Wien aufgeführt wurde, erregte Schwab mit seiner als Schwabisch in die Literaturgeschichte eingegangenen Sprache auch in Deutschland Aufmerksamkeit. Er wird von der Fachzeitschrift Theater heute als Nachwuchsdramatiker des Jahres und ein Jahr später zum Dramatiker des Jahres gewählt. Für sein 1991 in München uraufgeführtes Drama Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos wird Schwab mit dem Mülheimer Dramatikerpreis geehrt.

In weiterer Folge werden Mesalliance aber wir ficken uns prächtig in Graz und Der Himmel mein Lieb meine sterbende Beute in Stuttgart uraufgeführt, und Schwab wird innerhalb kürzester Zeit zu einem der meistgespielten Dramatiker deutscher Sprache. Nachdem er zwei Jahre in Wien gelebt hatte, kehrte er 1993 nach Graz zurück und führte im Rahmen des Festivals Steirischer Herbst das Stück Pornogeographie. Sieben Gerüchte. auf.

In Graz verliebte er sich in seine Wohnungsvermieterin und beschloss, in Zukunft verstärkt Prosa zu schreiben. Deswegen begann Schwab gemeinsam mit Jörg Schlick einen Briefroman zu schreiben und überreichte ihm vier Tage vor Weihnachten den ersten Brief, der aber auch der letzte bleiben sollte.

Am 1. Jänner 1994 fand man Schwab mit 4,1 Promille Blutalkoholkonzentration tot in seiner Wohnung, gestorben an einer durch eine Alkoholvergiftung hervorgerufenen Atemlähmung.[1]

Der Nachlass des Autors wird am Franz-Nabl-Institut der Universität Graz bearbeitet. Zu diesem Zweck hat das Bundesland Steiermark (trotz anderslautenden Medienberichten erst) 2010 die Materialien für 230.000 Euro angekauft.

Wirken

Bereits in den Arbeitstagebüchern, die er als 22-Jähriger begann, entwickelte Schwab unbeeinflusst von der damaligen Literaturszene eine eigene Sprache. Diese Sprache perfektionierte er in den Dramen ab 1990. Mit deftig-kräftigen Ausdrücken und skurrilen Wortverbindungen versuchte er die schöngeistige Literatursprache zu demaskieren und zu verhöhnen.

Dabei wurde er in der kurzen Zeit, die ihm zur Verfügung stand, von einem rastlosen Schreibbedürfnis angetrieben – immerhin entstanden in vier Jahren 16 abendfüllende Theaterstücke, von denen sieben erst nach seinem Tod zur Uraufführung gelangten.

Werke

Dramen

Buchveröffentlichungen

Im Herbst 2007 ist mit Joe Mc Vie alias Josef Thierschädl der erste Band einer elfbändigen Werkausgabe im Literaturverlag Droschl erschienen, die bis 2014 vollständig publiziert werden sollte.

  • Fäkaliendramen. Graz, Wien: Droschl 1991.
    • Die Präsidentinnen
    • Übergewicht, unwichtig: Unform
    • Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos
    • Mein Hundemund
  • Königskomödien. Graz, Wien: Droschl 1992.
    • Offene Gruben und offene Fenster
    • Hochschwab
    • Mesalliance aber wir ficken uns prächtig
    • Der Himmel mein Lieb meine sterbende Beute
    • Endlich tot, endlich keine Luft mehr
  • Abfall, Bergland, Cäsar. Eine Menschensammlung. Salzburg, Wien: Residenz 1992.
(bzw. in der Werkeausgabe: Hrsg. von Ingeborg Orthofer. unter Mitarbeit von Lizzi Kramberger. Bd. 2. Graz, Wien: Droschl 2008)
  • Der Dreck und das Gute. Das Gute und der Dreck. Graz, Wien: Droschl 1992.
  • Dramen III. Graz, Wien: Droschl 1994.
    • Troilluswahn und Cressidatheater
    • Faust :: Mein Brustkorb :: Mein Helm
    • Pornogeographie
    • Eskalation ordinär
    • Antiklimax
  • endlich tot endlich keine luft mehr. Ein Theaterzernichtungslustspiel. (limitierte Bibliophilie-Ausgabe) Homburg: Karlsberg 1994.
  • SCHWABTexte. Orgasmus: Kannibalismus. Sieben Liebesbriefe an die eigene Beschaffenheit. Graz, Wien: Droschl 1996.
  • DER REIZENDE REIGEN nach dem Reigen des REIZENDEN HERRN ARTHUR SCHNITZLER. Graz, Wien: Droschl 1996.
  • in harten Schuhen. ein Handwerk. Graz, Wien: Droschl 1999.
  • Joe Mc Vie alias Josef Thierschädl. Werkeausgabe. Hrsg. von Ingeborg Orthofer. Bd. 1. Graz, Wien: Droschl 2007.
  • Abfall, Bergland, Cäsar. Eine Menschensammlung. Werkeausgabe. Hrsg. von Ingeborg Orthofer. unter Mitarbeit von Lizzi Kramberger. Bd. 2. Graz, Wien: Droschl 2008.

Hörspiele

  • 1989 Niemandsland Eine akustische Bestandsaufnahme von Christian Marczik. In Zusammenarbeit mit Werner Schwab u. a., ORF-Landesstudio Steiermark.
  • 1991 Hundemund, Regie: Götz Fritsch, ORF/HR/MDR.
  • 1992 Die Präsidentinnen, Regie: Norbert Schaeffer, SDR/RB.
  • 2002 Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos, Regie: Annette Kurth, WDR.
  • 2004 Der reizende Reigen nach dem Reigen des reizenden Herrn Arthur Schnitzler, Regie: Götz Fritsch, ORF/RBB.

Bildnerisches Werk (Auswahl)

  • Mail Art: Postkarten, die Schwab mit Janos Erdödy zwischen 1978 und 1990 austauschte. Jede Karte wurde eigens gestaltet, teils als Zeichnung, als Bild oder als Kollage
  • verwesende Skulpturen, z. B. die Serie „Fleisch, Reliefs und Texte“

Auszeichnungen

Literatur

  • Silke Uertz-Jacquemain: Rotweißrotes Fleischtheater. Über die Komik in Werner Schwabs Dramen. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2019. (= Literatur und Leben 90).
  • Daniela Bartens und Harald Miesbacher (Hrsg.): Dossieronline 2 (2018), H. 1: Werner Schwab. (Open-Access-Journal des Franz Nabl-Instituts für Literaturforschung)
  • Bernd Höfer: Werner Schwab. Vom unbekannten Dichter zum anerkannten Dramatiker Weitra: Verlag Bibliothek der Provinz 2016, ISBN 978-3-99028-557-2.
  • Heike Henderson: Performing Cannibalism: Werner Schwab’s „ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM“ Journal of Austrian Studies 45.1-2 (2012): 51–68.
  • Ulrich Staehle: Werner Schwab – Der Aufstieg eines Theaterautors. Stuttgart: Akademischer Verlag 2008.
  • Bernd Höfer: Werner Schwab 1989–1991. Wien, Klosterneuburg: Va Bene 2008.
  • Stephanie Krawehl: „Die Welt abstechen wie eine Sau“. Sprachgewalt und Sprachentgrenzung in den Dramen Werner Schwabs. Oberhausen: Athena 2008.
  • Petra Meurer: Theatrale Räume. Theaterästhetische Entwürfe in Stücken von Werner Schwab, Elfriede Jelinek und Peter Handke. Berlin [u. a.]: Lit 2007.
  • Achim Stricker: Text-Raum. Strategien nicht dramatischer Theatertexte: Gertrude Stein, Heiner Müller, Werner Schwab, Rainald Goetz. Heidelberg, Neckar: Winter 2007. (= Neues Forum für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft. 35.)
  • Markus Hirsch: „… am gefährlichsten ist der nackte Mensch, wenn er sich weiterhin immerzu ausziehen muß“. die Darstellung von Sexualität im Werk von Werner Schwab. Graz, Univ., Dipl.-Arb. 2005.
  • Edith Katharina Kargl: Arthur Schnitzlers Reigen und seine Bearbeitung durch Werner Schwab. Graz, Univ., Dipl.-Arb. 2005.
  • Artur Pełka: Körper(sub)versionen. Zum Körperdiskurs in Theatertexten von Elfriede Jelinek und Werner Schwab. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang 2005. (= Gießener Arbeiten zur Neueren Deutschen Literatur und Literaturwissenschaft. 25.)
  • Judith Kern: Fäkalien, Mord und Tuschwasser. Subjektauflösung in frühen Dramen Werner Schwabs. Marburg: Tectum 2004.
  • Michael Bobas-Pupic: „Sicher, Ficken ist Super [?]“ oder Werner Schwabs geni(t)aler Reigen-Streich. Wien, Univ., Dipl.-Arb. 2003.
  • Harald Miesbacher: Die Anatomie des Schwabischen. Graz, Wien: Droschl 2003. (= Dossier. Extra.)
  • Paul Pechmann: Schwab, Werner. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 774 f. (Digitalisat).
  • Bernd Eicher: Macht ist ein Glas brackiges Wasser. Macht und Ohnmacht bei Werner Schwab. Graz, Univ., Dipl.-Arb. 2001.
  • Silvia Ronelt: Das dramatische Werk von Werner Schwab. Fassetten eines literarischen Phänomens. Paris, Univ., Diss. 2001.
  • Gerhard Fuchs und Paul Pechmann (Hrsg.): Werner Schwab. Graz, Wien: Droschl 2000. (= Dossier. 16.)
  • Sabine Mair: „Werner Schwab. Thomas Bernhard. Ein Versuch.“ Innsbruck, Univ., Dipl.-Arb. 1999.
  • Hilde Fuchs: Jetzt bin ich eine begehbare Dichterplastik. Hommage an Werner Schwab. Wien: Kulturabteilung d. NÖ Landesregierung. 1997.
  • Christine Neuhaus: Arthur Schnitzler: Der „Reigen“. Werner Schwab: „Der reizende Reigen nach dem Reigen des reizenden Herrn Arthur Schnitzler“. Ein Vergleich. Tübingen, Univ., Dipl.-Arb. 1997.
  • Horst Kakl: „Man muß töten töten töten... all Menschen... alles“. Die Vernichtung in Werner Schwabs Dramen. Klagenfurt, Univ., Dipl.-Arb. 1997.
  • Gerda Poschmann: Der nicht mehr dramatische Theatertext. Aktuelle Bühnenstücke und ihre dramaturgische Analyse. Tübingen: Niemeyer 1997.
  • Birgit Wurm: „Man kann eben nichts als die Sprache...“. Stilistische Untersuchungen an Werner Schwabs Fäkaliendramen. Wien, Univ., Dipl.-Arb. 1997.
  • Barbara Schmiedl: „Schrott mit einer schrottenen Halbwertszeit“. Werner Schwab, seine Arbeitsmethode und die Rezeption seiner Werke in den Medien. Graz, Univ., Dipl.-Arb. 1996.
  • Helmut Schödel: Seele brennt. Wien: Deuticke 1995.
  • Seele brennt. Der Dichter Werner Schwab. Ein Hörbuch von Helmut Schödel. 2013
  • Thomas Krause: "Werner Schwabs Radikalkomödie „Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos“. Düsseldorf, Univ., Dipl.-Arb. 1994.

Zitate

  • Vor der Aufführung meines ersten Stückes war ich nur ein einziges Mal im Theater – und das in der Pause (Schwab in einem Interview)
  • verwirrt und traurig muss die archäologie als das uneingegrabene einmal sein können über meinen vorwurfsvollen resten (aus: Abfall, Bergland, Cäsar)
  • Wir sind in die Welt gevögelt und können nicht fliegen.

Fußnoten

  1. Vgl. Trenkler, Thomas: Ich bin der Dreck und das Gute. Chronologie eines österreichischen Schicksals. In: Werner Schwab. Hrsg. von Gerhard Fuchs und Paul Pechmann. Graz, Wien: Droschl 2000. (= Dossier. 16.) S. 265–278.