Grundmann, Carl #
* 29. 6. 1818, Danzig Danzig (Preußen; heute Polen)
† 21. 8. 1878, Herzogenburg Herzogenburg (Österreich-Ungarn, heute Österreich)
Schlosser, Lokführer dreier Kaiser und Firmengründer
Fluchthelfer des Kaisers 1848#
Als im Jahre 1848 in Wien die Revolution tobte, musste nicht nur Staatskanzler Metternich flüchten, sondern infolge der heftigen Kämpfe - es wurde sogar im Stephansdom geschossen - auch Kaiser Ferdinand die Stadt verlassen.
Es war der Lokführer Carl Grundmann, der ihn und seinen Nachfolger Franz Joseph am 7. Oktober 1848 auf der Nordbahn Nordbahn in einer gefährlichen Bahnfahrt von Wien sicher nach Olmütz brachte.
Abgesehen von der revolutionären Bedrohung waren Bahnfahrten damals vor allem bei Nacht oder schlechter Sicht sehr gefährlich: Es war dann bei der eingleisigen Strecke der Nordbahn nämlich kaum zu erkennen, ob ein Gegenzug unterwegs war. Da die Bremsmanöver infolge der geringen Bremskraft lange dauerten, kam es nicht selten zu schweren Zusammenstößen, die allerdings Grundmann in seiner 25-jährigen Dienstzeit immer vermeiden konnte. Nicht ohne Grund haben sich also gleich drei Kaiser mit ihrem Gefolge diesem "Selfmade-Man par excellence" anvertraut.
Erster österreichischer Lokführer #
Grundmann hatte sich, 1838 aus Danzig auf der Wanderschaft als Schlosser-Handwerksbursche kommend, in Wien niedergelassen, wo er der erste österreichische und somit erster deutschsprachige Lokführer der Donaumonarchie war, da die übrigen durchgehend aus England, dem Mutterland der Eisenbahnpioniere und der Stephenson-Lokomotiven der Nordbahn, stammten.Er war anschließend auch der Lokführer Kaiser Franz Josephs und brachte 1864 dessen Bruder Maximilian und seine Gemahlin auf seiner Reise nach Mexico, wo er lediglich durch eine Adels - Clique zum Kaiser gewählt worden war, sicher von Wien nach Triest.
Mit den dafür erhaltenen Belohnungen und seinen Ersparnissen gründete Grundmann 1862 - ohne seinen Beruf als Lokführer aufzugeben - in einer kleinen Wohnung mit Gartenhäuschen im Zweiten Wiener Bezirk seine eigene Firma. Er hatte dafür ein eigenes kaiserliches Privileg erhalten, da er ohne Meisterprüfung damals nicht selbständig hätte arbeiten dürfen.
Dort sollten Schlosserwaren, so die bahnbrechende innovative Idee Grundmanns, nicht wie bisher manuell sondern maschinell hergestellt werden. Er wollte nicht einfach einer der damals sechzig Wiener Schlosser sein, sondern industrieller Produzent.
Um dieses Prinzip umzusetzen, arbeitete Grundmann in seiner kargen Freizeit als Lokführer der Kaiser gemeinsam mit seinem Lokführer-Kollegen Rudolph Gehring drei Jahre unermüdlich, bis er 1865 expandieren und seine Werkstätte nach Hernals verlegen konnte. Erst jetzt gab er seinen Beruf als Lokführer bei der Nordbahn auf und produzierte für die Eisenbahn vor allem galvanische Batterien.
Schon 1873 nahm das Unternehmen, das bis dahin die beachtliche Menge von 1 Million Schlösser produziert hatte, an der Wiener Weltausstellung teil. Von den vier Söhnen Grundmanns arbeiteten Julius, Gustav und Heinrich im Unternehmen mit, während Wilhelm sich in Deutschland einer weiteren Ausbildung unterzog.
Betriebsverlegung nach Niederösterreich #
Grundmanns grundlegend neue Idee, die Produktion von Schlosserwaren aller Art für die maschinelle Herstellung zu adaptieren, bewährte sich hervorragend. Für seine vereinfachten Konstruktionen für die industrielle Fertigung erhielt er nicht nur eine Reihe von Patenten, sondern auch einen Großauftrag des Militärs für die Verschlüsse neu eingeführter Munitionskisten für die nach der Niederlage von 1866 mit Hinterladergeschützen ausgerüstete Artillerie der Habsburger-Armee.
Dabei kam ihm natürlich zugute, dass er der ehemalige Lokführer dreier Kaiser war und somit über die notwendigen Kontakte verfügte, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Infolge der raschen Expansion wurde der Raum am Standort Wien zu knapp. Grundmann mietete daher 1874 im niederösterreichischen Ossarn bei Herzogenburg ein neues Firmengelände und übersiedelte dorthin.
Das neue Unternehmen profitierte voll vom Boom der Gründerzeit, sodass an den Bau einer eigenen und wesentlich größeren Fabrik gedacht werden konnte.
Grundmann wählte ein an der Traisen in Herzogenburg gelegenes Gelände aus, wo 1880 das erste, große Fabriksgebäude fertiggestellt und am 1. November der Belegschaft übergeben werden konnte.
Allerdings erlebte der Firmengründer Carl Grundmann diesen Erfolg selbst nicht mehr. Er erlitt nämlich im August 1878 einen Typhusanfall, von dem er sich trotz einer Kur in Gutenstein nur kurz erholte. Carl Grundmann, der Firmengründer, der sich immer als erster Arbeiter seines Betriebs verstand, starb im Alter von 61 Jahren am 28. August 1878.
Wenn sich auch 1894 Wilhelm Grundmann von seinen Brüdern trennte und in Rohrbach an der Gölsen eine eigene Firma gründete, so setzte sich der Aufschwung des Herzogenburger Betriebes rasch und kontinuierlich fort, bis er vor dem Ersten Weltkrieg zum größten Schlosserwaren-Produzenten der Donaumonarchie mit weit über deren Grenzen hinausgehenden Absatzmärkten geworden war.
Damit wurde der ehemalige Lokführer der Kaiser zum Gründer eines Unternehmens (Grundmann Schließtechnik) von internationaler Bedeutung , das es bis heute - als Teil zweier Schweizer Konzerne - auch geblieben ist. 2012 feierte es gemeinsam mit seinem Schweizer Mutterkonzern KABA, der ebenfalls hundertfünfzig Jahre alt wurde, sein hundertfünfzigjähriges Bestandsjubiläum.
Quellen#
- Firmenarchiv Grundmann (Geschichte des Rohrbacher Betriebes ab 1894)
- Privatarchiv Grundmann
Literatur#
- Mathis, Franz: Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen. Oldenburg 1987.
- Glaubauf, Karl: Das Augustiner-Chorherrenstift und die Grundmannwerke im Spiegel der Herzogenburger Stadtgeschichte
- Ders.: Geschichte der Stadt Herzogenburg
Anmerkung:
Der Autor dankt dem Herzogenburger Bürgermeister, Herrn Regierungsrat Franz Zwicker und den Stadträten Gottfried Eder, Franz Leithner und Franz Mrskos (in alphabetischer Reihenfolge), für die Unterstützung des Forschungsprojekts "Carl Grundmann". Herrn Abteilungsleiter Robert Kikinger sei für die technische Beratung ausdrücklich gedankt.
Autor: Dr. Karl Anton Glaubauf