Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Harnoncourt, Nikolaus#


* 6. 12. 1929, Berlin (Deutschland)

† 5. 3. 2016, St. Georgen im Attergau


Musiker,
Musikschriftsteller, Cellist, Dirigent

Nikolaus Harnoncourt. Foto, 1990, © Öst. Bundestheaterverband, Wien (heute Bundestheater-Holding GmbH, Wien), für AEIOU
Nikolaus Harnoncourt. Foto, 1990
© Öst. Bundestheaterverband, Wien (heute Bundestheater-Holding GmbH, Wien), für AEIOU

Nikolaus Harnoncourt wurde am 6. Dezember 1929 als Johann Nicolaus Graf de la Fontaine und d’Harnoncourt-Unverzagt in Berlin geboren. (Sein Vater Eberhard stammte aus dem Geschlecht der luxemburgisch-lothringischen Grafen de la Fontaine d’Harnoncourt-Unverzagt, seine Mutter Ladislaja war die Gräfin von Meran und Freiin von Brandhofen, eine Urenkelin des steirischen Erzherzogs Johann.)

Wenige Jahre später übersiedelte die Familie nach Graz, wo er mit seinen 6 Geschwistern (darunter seine Brüder Philipp und Franz) im Palais Meran aufwuchs und die Schule besuchte.

Bereits während seiner Volksschulzeit erhielt er Cello-Unterricht. Ab 1944 beschäftigte sich Nikolaus Harnoncourt intensiv mit Marionettentheater – er schnitzte selbst die Puppen, klebte Kleider, baute eine Bühne, organisierte ein Team und gab auch Vorstellungen. Schließlich gewann aber das musikalische Interesse die Oberhand und er ging nach der Matura 1948 nach Wien, um an der Wiener Musikakademie Cello (bei Emanuel Brabec, dem Solocellisten der Wiener Philharmoniker, zu studieren.

Über Eduard Melkus und Josef Mertin kam er erstmals mit der Alten Musik in Berührung und gründete 1949 gemeinsam mit Eduard Melkus, Alfred Altenburger und seiner späteren Frau, der Geigerin Alice Hoffelner, das Wiener Gamben-Quartett – der Beginn seiner Beschäftigung mit Alter Musik und der Erforschung von Spielweise und Klang alter Instrumente. 1952 schloss er die Akademie mit Auszeichnungen ab und wurde bald darauf als Cellist bei den Wiener Symphonikern unter Chefdirigent Herbert von Karajan aufgenommen. (Die Stelle sollte er bis 1969 innehaben.)

1953 heirateten er und Alice und gemeinsam mit weiteren Musikerkollegen gründeten sie den Concentus musicus Wien Wien – ein Forum für seine immer intensivere Arbeit mit Originalinstrumenten und die Aufführung von Renaissance- und Barockmusik.

Nikolaus Harnoncourt begann historische Instrumente zu sammeln – allerdings ausschließlich, um sie zum Musizieren einzusetzen – und entwickelte parallel zum Musizieren und Dirigieren auch in musikphilosophischen Schriften seine Analysen der "Musik als Klangrede", die bis heute Standardwerke der historischen Aufführungspraxis sind.

1958 begann für den "Concentus Musicus" eine regelmäßige Konzerttätigkeit im Palais Schwarzenberg; von 1962 bis 1971 spielten die Musiker eigene Konzertserien im Wiener Konzerthaus. 1966 gingen sie erstmals auf Amerikatournee und 1968 folgte die erste Deutschland-Tournee.

Nikolaus Harnoncourt revolutionierte den Zugang zur Alten Musik durch die Beschäftigung mit historischen Instrumenten und ihrer konsequenten Verwendung. Die Gesamtaufnahme der Bach-Kantaten (gemeinsam mit Gustav Leonhardt) war bahnbrechend in der Geschichte der musikalischen Interpretation.


Von 1973 bis zu seiner Pensionierung 1993 unterrichtete Nikolaus Harnoncourt als Professor an der Hochschule Mozarteum in Salzburg Aufführungspraxis und historische Instrumentenkunde im Seminar "Theorie und Praxis der Alten Musik" (wobei er immer großen Wert darauf legte, dass "Alte Musik" Werke bis 1900 einschließt).

Parallel dazu wuchs - nach seinem Debüt am Theater an der Wien 1971 - sein Erfolg als Operndirigent.

Als Operndirigent wirkte er ab den frühen 1970er Jahren regelmäßig bei den Wiener Festwochen, 1975 startete die langjährige Zusammenarbeit mit dem Concertgebouw Orchester. 1983 debütierte er am Dirigentenpult der Wiener Symphoniker, 1984 bei den Wiener Philharmonikern, 1987 an der Wiener Staatsoper und 1992 bei den Salzburger Festspielen, wo er seither nahezu jedes Jahr sowohl als Opern- wie Konzertdirigent präsent war und mehr als 100 Auftritte absolvierte. 2001 und 2003 dirigierte er das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.


Nikolaus Harnoncourt hat sein Repertoire (und seine Aufnahmeaktivitäten) im Lauf der Zeit kontinuierlich erweitert - sowohl im symphonischen Bereich als auch im Musiktheater führte sein Weg als Dirigent über die Wiener Klassik zum romantischen Repertoire und ins 20. Jahrhundert.

Zu seinen Aufnahmen zählen Opern, Oratorien und symphonische Werke des 18. und 19. Jahrhunderts, Zyklen mit Mozart-Symphonien, das gesamte geistliche Werk Mozarts, die gesamten Bach-Kandaten, Haydns späte Symphonien, eine Gesamtaufnahme von Beethovens Symphonien sowie sein Violinkonzert, die "Missa solemnis" und "Fidelio", außerdem sämtliche Symphonien von Schubert und Schumann sowie dessen Klavier- und Violinkonzert u.v.m.

Seit seiner ersten Tonaufnahme 1963 hatte er mehrere hundert Einspielungen auf Vinyl und Compact Disc gemacht - eine künstlerische Laufbahn, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte und in zahlreichen Fernsehdokumentationen und drei Buchveröffentlichungen dokumentiert wurde.


1985 wurde in Graz das Festival styriarte gegründet, um den berühmten Sohn der Stadt nach Graz zurückholen und enger an seine Heimatstadt zu binden.
Die styriarte war bis Ende 2015 - als er seinen Rückzug aus der aktiven Karriere bekanntgab - eine Plattform für ihn und seine richtungsweisende Arbeit: zahlreiche ausgezeichnete und aufsehenerregende Aufführungen fanden hier statt.

Professor Dr. h.c. Nikolaus Harnoncourt war mit der Musikerin Alice Hoffelner seit 1953 verheiratet, das Paar hatte vier erwachsene Kinder und lebte in Sankt Georgen im Attergau. Am 5. März 2016 starb Nikolaus Harnoncourt im Alter von 86 im Kreis seiner Familie.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Erasmuspreis, Amsterdam, 1980
  • Joseph Marx-Musikpreis des Landes Steiermark, 1982
  • Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 1992
  • Léonie-Sonning-Musikpreis, 1993
  • Polar Music Prize, 1994
  • Ehrenmitgliedschaft der Kunstuniversität Graz, 1995
  • Robert-Schumann-Preis der Stadt Zwickau, 1997
  • Ernst von Siemens Musikpreis, 2002
  • Bremer Musikfest-Preis, 2002
  • Großes Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland, 2003
  • Georg-Philipp-Telemann-Preis der Stadt Magdeburg, 2004
  • Kyoto-Preis für sein Lebenswerk, 2005
  • Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern, 2005
  • Bach-Medaille der Stadt Leipzig, 2007
  • Ehrenring des Landes Steiermark, 2008
  • Ehrendoktorat der Universität Mozarteum Salzburg, 2008
  • Ehrenbürgerschaft der Marktgemeinde Sankt Georgen im Attergau, 2009
  • Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 2009
  • Gramophone Lifetime Achievement Award, 2009
  • Ehrendoktorat der Hochschule für Musik und Tanz Köln, 2011
  • Goldene Mozart-Medaille der Salzburger Stiftung Mozarteum, 2011
  • Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien, 2011
  • Goldmedaille der Royal Philharmonic Society, 2011
  • Ernennung zum Offizier der französischen Ehrenlegion, 2012
  • Romano-Guardini-Preis, 2012
  • ECHO Klassik in Würdigung des Lebenswerkes, 2014

Werke (Auswahl)#

Bücher

  • Musik als Klangrede, 1982
  • Der musikalische Dialog, 1984
  • Die Macht der Musik 1993
  • Was ist Wahrheit? Zwei Reden, 1995
  • Töne sind höhere Worte, 2007
  • Oper, sinnlich (m. J. Fürstauer), 2009
  • ... es ging immer um Musik. Eine Rückschau in Gesprächen (m. J. Fürstauer), 2014

zahlreiche Aufsätze

Diskographie

  • annähernd 500 Einspielungen, die mit allen internationalen Klassik-Preisen, inclusive eines GRAMMYs für seine Version der "Matthäus-Passion" bedacht wurden.

Literatur#

  • M. Mertl, Vom Denken des Herzens. Alice und N. Harnoncourt, eine Biographie, 1999
  • M. Elste, Meilensteine der Bach-Interpretation 1750–2000, 2000

Weiterführendes#

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl