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Kaplan, Viktor#

* 27. 11. 1876, Mürzzuschlag (Steiermark)

† 23. 8. 1934, Unterach am Attersee


Ingenieur
Erfinder der nach ihm benannten Kaplan-Turbine


Viktor Kaplan
Viktor Kaplan. Foto.
© Bildarchiv d. ÖNB, Wien, für AEIOU

Viktor Kaplan wurde am 27. November 1876, als Sohn eines Eisenbahners in Mürzzuschlag, Steiermark, geboren.

Die Volksschule besuchte er in Neuberg an der Mürz, die k.k. Staatsrealschule in Wien 4., Waltergasse 7. Schon als Schüler widmete er sich technischen Geräten, darunter auch Wasserrädern. Von 1895 bis 1900 studierte er an der Technischen Hochschule Wien Maschinenbau.

Anschließend diente er sein Einjährigen-Freiwilligen-Jahr bei der kaiserlich-königlichen Kriegmarine ab und trat 1901 in den Dienst der Maschinenfabrik Ganz & Co. in Leobersdorf, die dort hauptsächlich Dieselmotoren baute.

Die private Beschäftigung mit der Verbesserung von Explosionsmotoren führte zur Kündigung und so nahm er 1903 eine Stelle als Konstrukteur für das Fach Wasserturbinenbau an der Deutschen technischen Hochschule in Brünn bei Prof. Alfred Musil, dem Vater des berühmten Schriftstellers, an.

Viktor Kaplan erkannte bald den dringenden Bedarf der Elektrowirtschaft an schnell-laufenden Wasserturbinen, die auch kleine Fluss-Gefälle ausnützen können, und wandte sich von der Arbeit an Explosionsmotoren der Verbesserung der Wasserturbine zu. Der Kulturwissenschaftler Roland Girtler erzählt, dass ihm sein Großvater berichtet habe, dass Kaplan "wie ein Besessener" an den vielen Versuchen zur Optimierung der Turbine gearbeitet habe.

1909 promovierte Kaplan an der Technischen Hochschule Wien zum Doktor der technischen Wissenschaften, habilitierte bald darauf an der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn und heiratete seine Verlobte Margarethe Strasser, mit der er zwei Töchter hatte.

Wenige Monate nach seiner Hochzeit wurde in Brünn das erste Turbinenlaboratorium in Betrieb genommen, in dem Kaplan seine Forschungen vorantrieb. Anfangs befasste er sich dort mit Verbrennungsmotoren, ab 1905 wandte er sich der Verbesserung der "Francisturbine" zu. Diese Turbine war neben dem Peltonrad die am meisten verwendete Wasserturbine, mit der elektrische Generatoren direkt angetrieben werden konnten. In den nächsten Jahren galt sein Hauptinteresse der Turbinentechnik. Er entwickelte eine eigene Turbine, die er am 28. Dezember 1912 als "Kreiselmaschine I" mit radialem Leitrad und vorwiegend axial durchflossenem Laufrad zum Patent anmeldete. Am 7. August 1913 folgte die Anmeldung über die "Regulierung I Hauptpatent". Dieses Patent beinhaltet die für die Kaplanturbine typische Möglichkeit, die Laufradschaufeln zu verstellen.

1913 wurde Viktor Kaplan zum außerordentlichen Professor, 1918 zum ordentlichen Professor für Maschinenbau berufen.

Kaplan-Briefmarke
Kaplan Briefmarke 1976/Österreichische Post
Jahrelang forschte er weiter an den Ursachen der auftretenden Turbinen-Probleme, erst 1919 wurde in Velm bei Gramatneusiedl in Niederösterreich die erste Kaplanturbine in Betrieb genommen.

1922 wurde endlich die optimierte Kaplan-Turbine fertiggestellt. In der letzten Phase der Untersuchungen erkrankte Viktor Kaplan so schwer, dass seine Mitarbeiter die Arbeit alleine zu Ende führen mussten.

Der weltweite Siegeszug der Kaplanturbine begann, als 1925 in Lilla Edet, einem Großkraftwerk in Schweden, die damals größte Wasserturbine der Welt (über 11.000 PS) erfolgreich in Betrieb ging.

Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes musste sich Kaplan 1931 ganz ins Privatleben zurückziehen.

Bis zu seinem Tode durch einen Schlaganfall 1934 lebte er mit seiner Frau Margarethe auf seinem Landsitz Rochuspoint am Attersee.

Die nach ihm benannte Kaplan-Turbine dient der Stromerzeugung durch Wasserkraft, durch die Veränderung des Winkels der Flügel kann für jedes Gefälle des Wassers der günstigste Wirkungsgrad erzielt werden, daher arbeiten Kaplanturbinen auch bei geringem Gefälle wirtschaftlich.

Kaplan hat die Wasserkraft revolutioniert. Sein Andenken wird von der Viktor-Kaplan-Gesellschaft in Mürzzuschlag hochgehalten.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Ehrendoktor Deutsche Technischen Hochschulen in Prag, 1926
  • Goldene Medaille des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, 1930
  • Diesel-Medaille des Deutschen Erfinderverbandes
  • Ehrenbürger von Unterach am Attersee, 1930
  • Abbildung auf der 1000-Schilling Banknote (1962 bis 1972)

Schriften (Auswahl)#

  • Bau rationeller Francisturbinenlaufräder, 1905, 1908
  • theoretische Untersuchungen und deren praktische Verwertung zur Berechnung rationeller Schaufelformen für Schnelläufer, 1906
  • Theorie und Bau von Turbinenschnelläufern, 1931 (mit A. Lechner)

Text aus dem Buch "Große Österreicher"#

Der in Mürzzuschlag geborene Sohn eines Eisenbahnbeamten war schon als Mittelschüler mit seinen Eltern nach Wien gekommen und hatte nach dem Studium seinen Einjährigen Freiwilligen Dienst bei der k. u. k. Kriegsmarine in Pola absolviert. Er nahm einen Posten in der Leobersdorfer Maschinenfabrik an und spezialisierte sich auf Dieselmotoren, was ihm zu Beginn des Jahrhunderts sein erstes Patent einbrachte, aber auch die Kündigung: Er hatte mit seiner Kritik an den Produkten der Firma nicht hinter dem Berg gehalten.

Die kurz darauf erfolgte Wiedereinstellung nutzte er nicht lange, denn er wurde als Assistent von Professor Musil an die Brünner Hochschule berufen, wo er seinem Forscher- und Entdeckerdrang systematischer und auch freier folgen konnte. "Erfunden" hatte Viktor Kaplan schon als Bub: einen Photoapparat, der aus einer Schuhschachtel mit vorgebauter Linse und einem Drillbohrer zur Entfernungseinstellung bestand, eine "Elektrisiermaschine" und eine Dampfmaschine, die aus einer Kakaodose "entwickelt" war.

In Brünn hatte er erstmals mit den damals gängigen Turbinentheorien zu tun und fand sehr bald heraus, daß weder die Francis noch die Peltonturbine für die Wasserkraftnutzung bei großer, stark wechselnder Wassermenge und niedrigem Gefälle brauchbar waren. Was aber angesichts der sich abzeichnenden technischen Entwicklung gebraucht wurde, waren Turbinen, mit denen man große Flüsse zur Stromgewinnung nutzen konnte.

Sein erstes Turbinenpatent trug die Nummer ÖP74388 und wurde 1912 eingereicht. Ein Jahr später folgte bereits die neue "Flügelrad-Turbine mit verstellbaren Flügeln". Damals war Viktor Kaplan bereits Professor an der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn, an der er sich auch habilitiert hatte, Ingenieurdiplom und Doktorat hatte er an der Wiener Technischen Hochschule (1899 und 1909) erworben.

Kaplans Königsgedanke war im Grunde einfach wie alle großen Ideen: Er orientierte sich an einer Schiffsschraube und entwickelte dann nach einer Unzahl von Berechnungen, Versuchen und Verbesserungen ein axial durchströmtes Flügelrad mit verdrehbaren Schaufeln – eben die "Kaplanturbine", die ein Welterfolg wurde. Um die finanzielle Ausbeute seiner Erfindung hat er dann jahrelang in internationalen Patent Prozessen kämpfen müssen, aber letztlich gesiegt, so daß ihm erspart blieb, was man gemeinhin ein "österreichisches Erfinderschicksal" nennt. Er war zwar einige Male gehörig ums Ohr gehauen worden, aber er starb als nicht nur hoch geehrter, sondern auch wohlhabender Mann, erst 58 Jahre alt. Ein Schlaganfall riss ihn, der sich nach einer schweren Kopfgrippe schon 1931 hatte pensionieren lassen, am 23. August 1934 aus dem Leben, das immer noch arbeitsreich war, obwohl er sich auf sein Landgut in Rochuspoint bei Unterach am Attersee zurückgezogen hatte.

Turbinen waren sein Lebensinhalt – damit hatte sich auch seine dem Musischen zugeneigte Frau abgefunden. Immerhin schufen seine ständige Beschäftigung mit Berechnungen und sein Daueraufenthalt in Strömungslabors weniger Probleme als die Affen, ausgewachsene Gorillas, die er einmal von einer Reise mitgebracht hatte und die mit ihm das Arbeitszimmer teilten. In Unterach und Umgebung verdankte er ihnen kaum weniger Bekanntheit als seinen technischen Erfindungen und der Tatsache, daß er schon sehr früh ein eindrucksvolles Automobil besaß.

Kaplanturbine vor dem Linzer Schlossmuseum
Kaplanturbine vor dem Linzer Schlossmuseum
© P. Diem

Die erste Kaplanturbine, ein relativ kleines Modell, wurde 1918 gebaut worden und war für eine Textilfabrik im niederösterreichischen Velm bestimmt. Erst 1935 wurde für das schwedische Großkraftwerk Lilla Edet eine Turbine mit einem Laufdurchmesser von 5,8 Meter in Auftrag gegeben. Damit begann der eigentliche Siegeszug der Kaplanschen Erfindung.

Kaplan war damals immer noch Professor in Brünn, er war beliebt und angesehen, obwohl er sich standhaft weigerte, Tschechisch zu lernen. Als man ihn kurz nach der Gründung des tschechoslowakischen Staates zu einer Sprachprüfung lud, die gesetzlich vorgeschrieben war, erschien er lächelnd vor der Kommission und sagte in reinstem Deutsch: "Meine Herren – ich bin Techniker und Wissenschaftler, ich habe nie Tschechisch gelernt. Es tut mir leid jetzt muss ich mir halt eine andere Stelle suchen!" Aber die Herren Prüfer wussten auch, was Brünn an dem berühmten Erfinder hatte, und zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben erhielt er eine unverdiente Note. Professor Kaplan habe sich der Tschechischprüfung unterzogen und diese bestanden, hieß es in den Protokollen.

Die Kaplan-Anekdoten könnten Bände füllen. Sein urwüchsiger Humor hat zu ihnen ebenso beigetragen wie seine Freude an Späßen, aber auch sein Hang, alles übrige zu vergessen, wenn er mit seinen Turbinen beschäftigt war. So sollte er einmal an der Hochschule einen Festvortrag halten, zu dem, wie damals üblich, der Frack vorgeschrieben war. Er legte dann auch das Paradekleidungsstück an – aber auf dem Weg in den Vorlesungssaal ging er noch auf einen Sprung in sein Labor und fand dort an einer Versuchsturbine nicht alles in Ordnung. Sofort ging er daran, die Turbine zu regulieren, wozu er ins Wasser steigen musste.

Seine Mitarbeiter wussten, wo sie ihn zu suchen hatten, als er auch lang nach dem vorgesehenen Beginn der Veranstaltung nicht erschien. Sie zerrten ihn vor das Auditorium, wie er war: zwar im Frack mit gestärkter Hemdbrust, aber in einer bis über die Knie triefnasser, Hose und mit zerknitterten Ärmeln, aus denen sich kleine Bäche über das Vortragspult ergossen. Als dann auch noch dicke Tropfen aus den Frackschößen auf das Parkett fielen, konnten sich die Zuhörer vor Lachen nicht mehr halten. Kaplan stimmte ein und sagte dann: "Sie müssen schon entschuldigen – ich komm von einem Versuch und hab das gar net g’merkt." Sehr wohl beabsichtigt hatte er dagegen das Aufsehen um den Besuch eines Kollegen in Unterach: Kaplan hatte das Gerücht ausgestreut, der König von Rumänien komme ihn besuchen, „aber ganz inkognito, versteht sich“.

Das wichtigste Erinnerungsstück an Kaplan ist die Originalturbine aus Velm, die 35 Jahre ihren Dienst getan hatte, ehe sie ins Technische Museum gebracht wurde: erst stand sie als Denkmal vor dem Museum, dann wurde sie durch ein anderes Modell ersetzt und ist heute in einem Schauraum zu sehen. Das menschlichste Souvenir dagegen ist im Linzer Schloßmuseum bei der Gedächtnisausstellung 1984 zu sehen gewesen: eine Schirmmütze aus kariertem Tweed, von der er sich nicht einmal bei der feierlichen Hochzeit seiner Tochter getrennt hatte und die bei allen Versuchen auf seinem Kopf gewesen war.

Auch einen Mantel gab es, den wegzugeben er sich auch dann noch weigerte, als das gute Stück bereits völlig verschlissen, ölgetränkt und speckig war. Ansonsten aber war der "Turbinen-Vikerl" ein eleganter, durchaus gut aussehender Mann, freilich alles andere denn ein Salonlöwe. Neben der Technik gehörte sein Herz der Natur, was für ihn kein Gegensatz war. "Technik ist ja nichts anderes als ein mehr oder minder glücklich gelungenes Stück kopierter Natur", hat er einmal gesagt.

Der Weg zur Turbinenerfindung war ihm übrigens gar nicht vorgezeichnet gewesen – wenn man davon absieht, daß schon der kleine Bub in Mürzzuschlag Wasserräder gebastelt hatte. Als er in Brünn an die Technische Hochschule gekommen war, galt sein Interesse so ziemlich allen Maschinen. Eines Abends nahm er eine Einladung in das Haus des Industriellen Storek an, wo er der von ihm verehrten jugendlichen Heroine des Brünner Theaters vorgestellt zu werden hoffte – aber noch zuvor kam er mit dem Hausherrn in eine lebhafte Diskussion über verschiedene technische Probleme, darunter auch das des Laufes von Wasserturbinen. Storek zeigte sich interessiert, Kaplan erzählte von einigen Versuchen, die er nicht in großem Stil fortsetzen könne, weil er dazu ein hydraulisches Labor gebraucht hätte. Storek war so beeindruckt, daß er die Finanzierung eines solchen Labors zusagte, wenn Kaplan sich auf die Turbinenkonstruktion spezialisieren wolle. Die Schauspielerin hat er nicht näher kennen gelernt, aber "es war doch ein äußerst erfolgreicher Abend", erinnerte er sich noch nach Jahrzehnten.

Weiterführendes#

Literatur#

  • Martin,Gschwandtner: Gold aus den Gewässern. Viktor Kaplans Weg zur schnellsten Wasserturbine.München, Ravensburg 2007, 384 Seiten
  • AURUM EX AQUIS. Viktor Kaplan und die Entwicklug zur schnellen Wasserturbine. (Dissertation, 2006)

Quellen#

  • AEIOU
  • Land Steiermark
  • Große Österreicher, ed. Th. Chorherr, Verlag Ueberreuter, 256 S.
  • Österreichisches Biographisches Lexikon
  • Neue Deutsche Biographie


Redaktion: I. Schinnerl


Der Artikel bietet eine sehr gute Übersicht über das Leben und das Lebenswerk Kaplans. Einige Anmerkungen: 1. Kaplan besuchte die Volksschule nicht nur in Neuberg an der Mürz, sondern auch ein Jahr lang in Hetzendorf, das damals noch nicht zu Wien gehörte. 2. Die Idee drehbarer Turbinenlaufschaufeln hatte nicht zuerst Viktor Kaplan, sondern der Prof. an der königlichen Gewerbeakademie in Berlin, Carl Fink (1821-1888), der sie in seinem Buch über Turbinen und Pumpen bereits 1878 veröffentlichte. Es gab auch schon vor Kaplan zwei Patente über verdrehbare Laufschaufeln, eines von einem finnischen und ein anderes von zwei Wiener Erfindern. Kaplan war allerdings der erste Erfinder, der diese Idee nach ungefähr 2000 Versuchen mit kleinen Modelllaufrädern mit einer gelungenen Konstruktion in die Praxis umsetzte. Die Veröffentlichung Finks war die Ursache für den härtesten aller seiner Patentstreitigkeiten, den Kaplan mit dem Professor für Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Graz, Robert Honold, austragen musste.

Mit besten Grüßen Martin Gschwandtner

PS.: Siehe: Gschwandtner, Martin: Viktor Kaplans Patente und Patentstreitigkeiten. München, Norderstedt 2007. ISBN 978-3-638-68919-9

-- Gschwandtner Martin, Montag, 2. Januar 2012, 19:06