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Lissauer, Ernst #


* 10. 12. 1882, Berlin

† 10. 12. 1937, Wien


Schriftsteller, Literaturkritiker, Publizist


Ernst Lissauer
Ernst Lissauer
Foto:Max Fenichel (Radio Wien, 9.12.1932, 9. Jg., Heft 11). Aus: Wikicommons, unter PD

Ernst Lissauer wurde am 10. Dezember 1882 als Sohn einer alteingessenen Fabrikantenfamilie in Berlin geboren und wuchs dort als assimilierter Jude auf.

Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er einige Semester Literaturgeschichte in Leipzig und München, 1906 kehrte er nach Berlin zurück und arbeitete als Kritiker und freier Schriftsteller. Als Mitarbeiter der Zeitschrift "Literarisches Echo" - später unter dem Titel "Die Literatur" erschienen - schrieb er hervorragende Kritiken, besonders auf dem Gebiet der Lyrik.

1907 erschien seine erste eigene Gedichtsammlung ("Der Acker"), 1912 folgt ein zweiter Gedichtband ("Der Strom"); berühmt wurde er durch seinen nächsten Gedichtband "1813, Ein Zyklus“, der zur Hundertjahrfeier der Freiheitskriege erschien. (Ernst Lissauer identifizierte sich stark mit der preußischen Geschichte, u.a. mit den Befreiungskriegen.)

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, wurde aber für untauglich befunden. Während des Kriegs redigierte er die "Deutsche Karpathenzeitung" und war Herausgeber der Feldzeitung "Front". Er verfasste nationale und militante Gedichte und sein leidenschaftlicher Patriotismus bewog ihn 1914 zu seinem Gedicht "Hassgesang gegen England".
(Er distanzierte sich zwar später wieder davon, trotzdem wurde ihm immer wieder vorgeworfen, dieses Gedicht bewusst als Hetz- und Propaganda-Gedicht verfasst zu haben. Aus dem ehemals "deutschesten aller jüdischen Dichter" wurde ein jüdischer Dichter, der kritisch beobachtet wurde und mit antisemitischen Anfeindungen zu tun hatte.)

Diese Kritiken nahmen ihm die Hoffnung auf weitere Anerkennung als Lyriker. Er wandte sich nach dem Krieg dem Drama zu und schrieb Werke über historische Persönlichkeiten, er stellte Anthologien zusammen, schrieb zahlreiche Essays und Aufsätze zur Dichtung. Trotzdem gelang es ihm nicht, an seine alten Erfolge anzuknüpfen.

Enttäuscht verließ er 1924 Berlin und übersiedelte nach Döbling bei Wien. Hier schrieb er eine Reihe von Lobeshymnen auf das Österreich der Ersten Republik; in seinem Reisebuch Glück in Österreich (1926) versuchte er - der Autor aus Deutschland - seine Verbundenheit zu Österreich zu begründen.

(William M. Johnston schrieb dazu in "Der Österreichische Mensch", Wien, 2009: Das Buch liest sich, als ob der junge Franz Werfel Anton Wildgans' Rede über Österreich in ein Prosa-Oratorium umgearbeitet hätte. Der österreichische Mensch wird in einen wahren Beseelungshimmel versetzt; nur wenige Österreicher haben ihre Heimat lyrisch so hochgespielt wie dieser Zugereiste. )


Doch auch in Österreich gelang es ihm nicht mehr, sich als Schriftsteller zu etablieren. Ab 1933 durfte Ernst Lissauer in Deutschland nichts mehr veröffentlichen; sein letzter Gedichtband "Zeitenwende" erschien 1936 in Wien, er fand darin zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft.

Ernst Lissauer starb am 10. Dezember 1937 an einer Lungenentzündung und wurde am jüdischen Friedhof in Wien begraben.

Werke (Auswahl)#

Gedichte

  • Der Acker, 1907
  • Der Strom, 1912
  • 1813. Ein Cyklus, 1913
  • Der brennende Tag, 1916
  • Gott strafe England, 1916
  • Bach, 1919
  • Die ewigen Pfingsten, 1919
  • Der inwendige Weg, 1920
  • Gloria Anton Bruckners (mit Prosa), 1921
  • Flammen und Winde, 1922
  • Zeitenwende, 1936

Dramen

  • Yorck, 1921
  • Eckermann, 1921
  • Die drei Gesichte, Drei Einakter, 1922
  • Gewalt (Komödie), 1924
  • Das Weib des Jephta, 1928
  • Luther und Thomas Münzer, 1929
  • Der Weg des Gewaltigen, 1931
  • Die Steine reden, 1936

Legenden

  • Die dritte Tafel, 1928
  • Legenden von der Sintflut, 1929

Aufsätze

  • Von der Sendung des Dichters, 1922
  • Festlicher Werktag, 1922
  • Zum eigenen Leben, Bekenntnisse, Eine Schriftenfolge von Lebens- u. Seelenbildern heutiger Dichter, 1924
  • Glück in Österreich. Bilder und Betrachtungen, 1926

Literatur#

  • Th. Anz, J. Vogl (Hrsg.): Die Dichter und der Krieg. Deutsche Lyrik 1914/18, 1982
  • U. Sieg: Jüdische Intellektuelle im Ersten Weltkrieg. Kriegserfahrungen, weltanschauliche Debatten und kulturelle Neuentwürfe, 2001 (Habilitationsschrift Marburg 1999)
  • Archiv Bibliographia Judaica (Hrsg.): Lissauer, Ernst. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 16, 2008
  • Ch. Wiese: Lissauer, Ernst. In: Andreas B. Kilcher (Hrsg.): Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart, 2012

Quellen#


Redaktion: P. Diem, I. Schinnerl