Semmelweis, Ignaz Philipp#
ungarisch: Semmelweis Ignác Fülöp
* 1. 7. 1818, Buda (Stadtteil Budapests, Ungarn)
† 13. 8. 1865, Döbling bei Wien
Mediziner, Arzt, Geburtshelfer
"Retter der Mütter"
Ignaz Philipp Semmelweis wurde als fünftes Kind einer deutschsprachigen, gut situierten Kaufmannsfamilie am 1. Juli 1818 in Budapest geboren.
Hier besuchte er das Gymnasium und begann 1838 auf Wunsch des Vaters ein Jus-Studium in Wien. Aber schon im zweiten Jahr wechselte er in die Medizin und promovierte 1844 mit der Arbeit "Tractatus de vita planetarum".
Da sich eine Anstellung als Assistent bei Prof. Josef Škoda an der medizinischen Klinik zerschlug, trat er in die I. Geburtshilflich-Gynäkologische Klinik des Allgemeinen Krankenhauses Wien (Prof. J. Klein) ein und erhielt schon 1845 das damalige Äquvalent als Facharzt. im darauffolgenden Jahr wurde er zum Assistenten der Geburtshilflichen Klinik des Allgemeinen Krankenhauses in Wien ernannt. Das gute Einvernehmen mit Prof. Karl Rokitansky ermöglichte ihm parallel pathologisch-anatomische Studien an Frauenleichen. Die Gynäkologie und Geburtshilfe war damals an der medizinischen Fakultät der Universitäten zwischen zwei Kliniken aufgeteilt (I. Klinik - Prof. Klein, II. Klinik - Prof. F.X. Bartsch)
Semmelweiss sah sich bald mit der erschreckend hohen Mortalität an Kindbettfieber konfrontiert.
Er stellte fest, dass die Todesrate unter den Frauen ausgerechnet in der Abteilung des Krankenhauses am höchsten war, für die die Ärzte und Medizinstudenten verantwortlich waren, viel höher als in der Abteilung, die die Hebammen ausbildete.
Durch den Tod des befreundeten Gerichtsmediziners Jakob K. Kolletschka, der an einer Blutvergiftung starb, die er sich durch eine Wunde beim Sezieren zugezogen hatte, konnte Semmelweis zeigen, dass das Krankheitsbild der Sepsis bei diesem Kollegen identisch war mit dem Krankheitsbild des Kindbettfiebers der Mütter.
Die gemeinsame Ursache waren, wie er schrieb, "die Leichenteilchen, die in das Blutgefäßsystem gelangten." Dies war nicht verwunderlich, denn Ärzte und Studenten kamen direkt vom Seziersaal zur Untersuchung und infizierten so ihre Patientinnen. Semmelweis setzte daraufhin 1847 durch, dass sich die Ärzte ihre Hände mit Chlorkalk waschen mussten - und die Sterblichkeit unter den Frauen sank enorm. Dennoch erntete er von seinen Kollegen nur Spott und Verachtung. Die Ärzte wollten nicht wahrhaben, dass ausgerechnet sie für den Tod der Frauen verantwortlich sein sollten.
Im Jahr 1850 hielt er einen Vortrag zum Kindbettfieber in der Gesellschaft der Ärzte, erhielt in der Folge für seine Verdienste jedoch lediglich einer Dozentur für "Theoretische Geburtshilfe". Frustriert kehrte Semmelweis nach Pest zurück, wo er zuerst als unbezahlter Honorar-Primararzt arbeitete und erst 1855 an der Universität eine Professur für Geburtshilfe erhielt.
Hier verfasste er eine umfassende Darstellung seiner Entdeckungen, Untersuchungen und Ergebnisse, die er in "Offenen Briefen" verbreitete und die 1861 als "Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers" erschienen. Nur wenige Kollegen, unter ihnen die Mediziner Ferdinand von Hebra und Joseph Škoda, setzten sich für ihn ein und verbreiteten seine Ideen.
1865 wurde Semmelweis aufgrund einer Geistesstörung in die Landesirrenanstalt in Wien gebracht. Dort verstarb Ignaz Phillip Semmelweis am 13. August 1865 – ausgerechnet an einer Wundinfektion.
Sein Leichnam wurde nach Budapest auf den Kerepesi-Friedhof überführt und ist heute in seinem Geburtshaus, in dem ein Museum eingerichtet wurde, bestattet.
Im Arkadenhof der Universität Wien ist sein Porträt von Alfred Hrdlicka zu sehen, ein Denkmal von Theodor Charlemont befindet sich zwischen den ehemaligen Frauenkliniken des "neuen" alten AKH, Wien 9, Spitalg. 23, und ein Denkmal von Rudolf Schmidt steht in der nach ihm benannten Klinik in Wien 18., Bastiengasse 36-38, und im 21. Wiener Bezirk trägt eine Gasse seinen Namen.
Erst 1867, zwei Jahre nach Semmelweis' Tod, zeigte der schottische Mediziner Joseph Lister, dass die Desinfektion des Operationstisches die Sterblichkeit im Operationssaal deutlich senkt und erhielt Semmelweis posthume Anerkennung.
Erst über Lister und die Erkenntnisse in der noch jungen Bakteriologie fand das Händewaschen vor einer geburtshilflichen Untersuchung Eingang in die alltägliche Arztpraxis.
Eponyme:
Im Englischen gibt es die Metapher "Semmelweis-Reflex": dier Ablehnung einer Information oder wissenschaftlichen Entdeckung ohne weitere Überlegung oder Überprüfung des Sachverhaltes (zugeschrieben dem amerikanischen Autor R. A. Wilson).
Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#
Zeitlebens waren Semmelweis fast nur Anfeindungen entgegengeschlagen. Als späte Anerkennung wurden zahlreiche Institutionen nach ihm benannt: die "Semmelweis-Frauenklinik" der Krankenanstalt Rudolfstiftung (Wien 18), die Semmelweis-Universität in Budapest (Ungarn) und das "Semmelweis Medical History Museum" (ungarisch: "Semmelweis Orvostörténeti Múzeum") im Geburtshaus Semmelweis’ in Ungarn.
Zitate:
"Ein Kind zur Welt zu bringen ist genauso gefährlich wie eine Lungenentzündung ersten Grades", notierte Semmelweis im Juli 1846 in sein Tagebuch.
"Um die Leichenpartikel zu zerstören, die an den Händen haften", erklärte er, "benutzte ich etwa seit Mitte Mai 1847 Chlorwasser, mit dem ich und alle Studenten uns vor der Visite die Hände waschen mussten. Nach einiger Zeit gab ich das Chlorwasser aufgrund seiner hohen Kosten auf und ersetzte es durch den billigeren Chlorkalk".
Weiterführendes#
- Wuketits, F. M.: Der Retter der Mütter
- Sonderpostmarke 1965, 100. Todestag
- 50 € Gedenkmünze, 2008
- Historische Bilder zu Ignaz Philipp Semmelweis (IMAGNO)
Werke (Auswahl)#
- Zwei offene Briefe an Hofrath Dr. C. J. von Siebold (1861), Pest (Ungarn)
- Zwei offene Briefe an Dr. Spaeth (1861)
- Zwei offene Briefe an Hofrath Dr. Scanzoni(1861), Pest (Ungarn)
- Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers (1857-60)
- Offener Brief an sämtliche Professoren der Geburtshilfe (1862), Königl. ungar. Universitäts-Buchdruckerei, Ofen (Ungarn)
- Gesammelte Werke (1905), (Hrsg.) D. von Györy
- Etiology, Concept and Prophylaxis of Childbed Fever (1983), (Wisconsin Publications in the History of Science & Medicine) University of Wisconsin Press, 288 S
- Semmelweis' gesammelte Werke (2007), (Hrsg.) T. von Györy, VDM Müller, Saarbrücken
Literatur#
- A. Hegar, I. P. Semmelweis und seine Lehre, 1882
- E. Lesky, I. P. Semmelweis und die Wiener Medizinische Schule, 1964
- G. Gortvay, Semmelweis, Retter der Mütter (1977), Hirzel, Leipzig
- L.-F. Céline, Leben und Werk Philipp Ignaz Semmelweis (1818-1865) (1980), Karolinger Verlag, 80 S.
- G. Silló-Seidl, Die Affaire Semmelweis (1985), Herold-Verlag, Wien, 263 S.
- I. Benedek, Ignaz Phillip Semmelweis, 1818-1865 (1985), Böhlau, Wien, 398 S.
- S. B. Nuland; The Doctors' Plague. Germs, Childbed Fever, and the Strange Story of Ignac Semmelweis; 2003, (Great Discoveries), Verlag W. W. Norton & Co., 160 S.
- S. B. Nuland, Ignaz Semmelweis. Arzt und großer Entdecker; 2006, Piper, München, 211 S.
Quellen#
- AEIOU
- Das große Buch der Österreicher – 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, 1987, ed. W. Kleindel & H. Veigl, Verlag Kremayr & Scheriau, Wien, 615 S.
- Lexikon der Naturwissenschaftler – Astronomen, Biologen, Chemiker, Geologen, Mediziner, Physiker, 1996, (Hrsg.) D. Freudig et al., Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg (u.a.), 505 S.
- Lexikon der Forscher und Erfinder, 1997, (Hrsg.) R. Zey, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, S. 480
- Personenlexikon Österreich, 2002, (Hrsg.) E. Bruckmüller, Buchgemeinschaft Donauland (u.a.), Wien, 575 S.