Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Faschingsbräuche#

Logo ServusTV
"Heimatlexikon - Unser Österreich"
Ein Projekt von ServusTV in Zusammenarbeit mit dem Austria-Forum

Faschingsmasken
Faschingsmasken
© Doris Wolf

Bei Faschingsbräuchen ist alles erlaubt, was sonst verboten ist: Geschlechterwechsel, Freizügigkeit, Protest und Parodie, Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse, derbe Scherze. Es scheint ein Grundbedürfnis zu sein, dass Menschen von Zeit zu Zeit ihren Alltag verlassen um symbolisch in eine andere Haut zu schlüpfen. So schrieb der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856-1939) in seiner Abhandlung "Totem und Tabu": "Ein Fest ist ein gestatteter, vielmehr ein gebotener Exzess, ein feierlicher Durchbruch eines Verbotes. Nicht weil die Menschen infolge irgendeiner Vorschrift froh gestimmt sind, begehen sie Ausschreitungen, sondern der Exzess liegt im Wesen des Festes; die festliche Stimmung wird durch die Freigebung des sonst Verbotenen erzeugt."

Ethnologen (Dietz-Rüdiger Moser) haben Zusammenhänge zwischen Fasching und Kirchenjahr herausgearbeitet. Zeitweise war in der Fastenzeit nicht nur der Fleischgenuss verboten, sondern auch andere Speisen und jede Art von Vergnügen. Den Seelenhirten war bewusst, dass dies nur durchzuhalten war, wenn sie ihren Schäfchen einige Wochen vorher umso mehr Freiheiten einräumten. Erklärt wurde das mit der Zwei-Welten-Lehre des heiligen Augustinus (354-430). Er stellte der Welt des Teufels das Reich Gottes gegenüber. Lärm, Narrheit und andere weltliche Dinge standen auf der einen Seite, Ruhe, Frieden und Gottesliebe auf der anderen. Der Narr als Gottesleugner wurde im Mittelalter mit Schelle und Pauke dargestellt - Requisiten, die im Fasching ihren Platz haben. Obwohl diese Erkenntnisse keineswegs neu sind, scheinen sie sich nicht so recht herumgesprochen zu haben. Hobbyforscher wie Neuheiden sind noch immer (oder schon wieder) von der Verwurzelung des Brauchtums in der germanischen Mythologie überzeugt. Der NS-Ideologie passte die "heidnische Fasnacht" hervorragend ins Konzept: Die christlichen Hintergründe wurden geleugnet und an ihrer Stelle ein heidnisches Herkommen der Bräuche behauptet. Aus der Fastnacht, deren Bezeichnung ihre Abhängigkeit von der Fastenzeit verrät, entstand die "Fasnacht": Faseln, "fruchtbar machen“, erschien als Quelle für die Erklärung der Brauchzeit passender. Die Fasnachtsfeier galt nun als Vegetationskult. Die Propaganda war mächtig und das "Volk" glaubt(e) es gerne.

Seit dem Mittelalter gingen die Bewohner der europäischen Städte an den "fetten Tagen" auf die Straße feiern. In Wien fanden vom 15. bis ins 18. Jahrhundert Maskenumzüge statt, an denen die Obrigkeit Anstoß nahm. Niemand sollte in Bauernkleidern oder sonst vermummt durch die Stadt gehen, hieß es schon 1465. In der Maria Theresianischen Zeit wiederholten sich die Verbote alljährlich, bis sich das Faschingstreiben schließlich in die Ballsäle zurückzog. Im 19. Jahrhundert, als in den Vorstädten immer prächtigere Lokalitäten gebaut wurden, entstand der berühmte Wiener Walzer. 2010 wurde die Wiener Ballkultur (Bereich: Gesellschaftliche Praktiken) in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich der UNESCO aufgenommen.

In Salzburg belegen Verbote aus dem Jahr 1730 das Faschingstreiben im ganzen Bundesland. 1874 fand ein Umzug statt, wie ihn die Stadt noch nie gesehen hatte: "Einzug des Prinzen Karneval und Gemahlin samt Hofstaat und Gefolge". Nach einigen Jahren stellte das Komitee seine Aktivitäten ein, erst 1900 gab es wieder einen Faschingszug. 1901 war auch der Tamsweger Samson mit von der Partie. 1948 konstituierte sich eine Salzburger Faschingsgilde.

Besonders bekannt sind die dort so genannten Fasnachtsbräuche in Tirol, wie der Schemenlauf in Imst, der - wie auch Schleicher und Muller - ebenfalls zum UNESCO-Kulturerbe zählt. In Axams steht - seit 1967 wieder - am unsinnigen Donnerstag (vor dem Faschingsonntag) das Wampelereiten auf dem Programm. Dabei stehen die Wampeler in roten Hosen und mit Heu ausgestopften weißen Leinenhemden der Gruppe der Reiter gegenüber. Diese kommen aus dem Publikum und müssen die ständig herumtänzelnden Wampeler mit einem Ruck auf den Rücken legen. Die dritte Gruppe des Maskenzugs, die Tuxer, peitscht den Kontrahenten den Weg frei. zurückverfolgen. Im 19. Jahrhundert trugen Künstler zur Erhaltung des Umzugs bei. Die Hauptfiguren der 1597 erstmals urkundlich erwähnten - Imster Fasnacht heißen Roller und Scheller. Die Roller sind jugendliche Masken mit einem Kopfputz aus Spiegeln, Kunstblumen, Flitter und Federn. Ihre Kleidung besteht aus einem weißen, reich verzierten Hemd, schwarzer lederner Kniehose, weißen Handschuhen und einem Gürtel mit Dutzenden Glöckchen. Die Masken der Scheller zeigen Männergesichter mit Schnurrbärten. Sie sind ähnlich gekleidet, tragen aber schwerere Glocken und reicheren Kopfputz. Roller und Scheller tanzen mit bestimmten Schritten und Sprüngen. Eindrucksvoll sind auch sattelschlepper-große Wagen mit der Nachbildung historischer Gebäude und Szenerien, die durch den Ort fahren. In Nassereith heißt der Umzug seit 1951 "Schellerlaufen". Jeden Dienstag, Donnerstag und Sonntag nach Dreikönig ziehen Männer als "Maschgera" durch den Ort. Am Faschingsonntag empfangen die Masken Prinz Karneval und beginnen ihren Umzug. Am Dienstag wird die Fasnacht begraben. Auch in Telfs finden die Faschingsbräuche zwischen dem Dreikönigstag und Faschingsdienstag statt. Der Höhepunkt ist am Faschingsonntag der Umzug mit zahlreichen Figuren. Die Kerngruppe sind die Schleicher mit riesigen Kopfbedeckungen, prächtigen bunten Gewändern, Schellen und Gesichtsmasken. In Thaur sieht man am Faschingsonntag die Muller (abmullen - mit der Hand auf den Rücken schlagen) bzw. Huttler (Lumpenmasken). Die Altar- oder Spiegeltuxer tragen zur Zillertaler Tracht eine Larve mit Schnurrbart und einen hohen Kopfputz (Altar), den Spiegel, Federn und Kunstblumen zieren.

Karnevalsfeiern in der heutigen Form sind rund 200 Jahre alt. Zünftische Vorläufer gab es in den rheinischen Städten, z.B. in Köln von 1341 bis zum Dreißigjährigen Krieg, 1618. Mit der Auflösung der Zünfte nach der französischen Revolution organisierten die Kölner ihren Karneval 1823 neu mit Faschingssitzungen, Regenten und Rosenmontagszug. In Österreich haben sich einige Faschingsgilden - von Salzburg und Oberösterreich ausgehend - 1962 zum "Bund Österreichischer Faschingsgilden, Vereinigung für Fasching- Fasnacht- und Carnevals-Brauchtum in Österreich" (BÖF) zusammengeschlossen. Nach fast einem halben Jahrhundert sind es rund 130 Vereine. Zu ihren Zielsetzungen zählen Zusammenarbeit, Ideenaustausch, Hilfe bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen und gegenseitige Besuche. Die Faschingsgilden haben eigene Symbole. Eine große Rolle spielt die Narrenzahl elf, eine Primzahl, die sich von den christlichen Zahlen der zehn Gebote oder der zwölf Apostel unterscheidet. Am 11.11. (dem Martinsfest, dem als Herbstfasching der Advent als Fastenzeit folgte) beschließen sie die nächsten Aktivitäten. Gründungs- und Generalversammlungen werden abgehalten, Prinzen gekrönt und der Elferrat neu besetzt. Dieses Comitée - einst als Persiflage auf die Tribunale der französischen Revolution verstanden - organisiert die Veranstaltungen. Dazu zählen der Straßenfasching mit Umzügen und dem Erstürmen von Rathäusern, Büttenreden (kabarettistische Rügegerichte) und Faschingssitzungen. Als Herrscherfiguren des Faschings werden Prinz Karneval oder ein Prinzenpaar gewählt, denen die Garde und der Elferrat als Regierungskabinett zur Seite stehen. Ihre Kleidung sollte eine Parodie auf die Uniformen der französischen Besatzungstruppen im Rheinland darstellen. Die Kopfbedeckung ist von den mittelalterlichen Narrenkappen mit Schellen und Eselsohren inspiriert. Die klassische rheinische Mütze hat die Form eines Schiffchens, das wiederum im Kontrast zu der als Schiff interpretierten christlichen Gemeinschaft steht. Jede Gilde pflegt ihren eigenen Gruß, z.B. "Lei-lei", "Mö-mö" oder "Dö-dö, bling-bling".

Quelle#

Helga Maria Wolf: Österreichische Feste & Bräuche im Jahreskreis. St. Pölten 2003. S.40 f

Redaktion: hmw

Siehe auch: