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Ball und Fasching im alten Wien
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Von Ernst Zentner

Um die langen Winter leichter zu überstehen erfanden die Menschen längst interessante Bräuche und entsprechenden Zeitvertreib. Nicht selten beeinträchtigte die Kälte und das wenige Tageslicht das Gemüt und Gesundheit des Einzelnen. Schon lange kannten die Erfahrensten, dass Humor und Lebensfreude die Bürden tiefster Winter erträglich machten. Die Zeitspanne vom Dreikönigstag bis zum Aschermittwoch hieß einfach Fastnacht. Das Wort verballhornte zum sympathischeren Begriff "Fasching". Das galt vor allem in Österreich, während in den deutschen Landen vom Rheintal her der "Carneval" bodenständig geblieben ist. Nicht ohne Zufall mündet die Weihnachtszeit in die "fünfte Jahreszeit".
In Wien gab es längst Etablissements, in denen seriöse bis gewagte Veranstaltungen den Homo Viennsis aus seiner traditionellen Lethargie gerissen hatte. Im 15. Jahrhundert konzentrierte sich die Mehrzahl der Faschingsfeste in der letzten Woche vor der Fastenzeit. In der Epoche Kaiser Friedrichs III. existierte in der Stadtfestung ein von einem gewissen Vinzenz Hackenberger, er war Apotheker, in seinem Haus am Graben eingerichtetes Tanzlokal, das von Bürgern und von Mitgliedern des Hofes besucht wurde. Fröhlichkeit untermalt von Musik dominierte und der Wein floss in Strömen. Wahrscheinlich wusste Hackenberger, um die wohltuende Wirkung inszenierter Ausgelassenheit. Daneben richtete der Patrizier Niklas Teschler in seinem Wohnhaus sogenannte "Bürgerbälle" aus. Wo die Obrigkeit war, gehörten auch Verbote hinzu. Das Vermummen oder Maskieren wurde nicht grundlos untersagt.
Am Faschingsdienstag fand auf der "Brandstatt" unweit der Peterskirche das sogenannte "Bürgerstechen" statt, das von jungen Reitern durchgeführt wurde. Auch das Fastnachtlaufen erfreute das Volk. Allerdings unternahmen der Hof und der Adel eigene Feste des Vergnügens, die "Redouten" (frz. redoute für "Zufluchtsort" bzw. Festung). Eigentlich ein eleganter Masken- oder Kostümball, der nur für einen ausgewählten Personenkreis zugelassen war. Da gab es einen "Ahnen-Ball", zu dem nur Adelige zugelassen waren, die mindestens 16 adelige Vorfahren vorweisen konnten.
Zweihundert Jahre lang waren die Straßen und Gassen des alten Wiens mit maskierte Spaßvögel angefüllt. Das unterlag auch uralten Regelungen und Verboten aus Sorge vor Überfällen, Aufstände und gesellschaftlicher Unruhen, Epidemien (Pest!!!) und Religionsdisputen. Hoftrauer hatten alle zu tragen. 1626 sprach Kaiser Ferdinand II. sich wütend gegen das nächtliche Maskenunwesen aus. Nicht einmal Schlitten... Die Behörden übten notgedrungen Einschränkungen aus: Masken und Waffen waren unerwünscht. Eigenartig wie aktuell das klingt. In keiner anderen Jahressituation trat die Diskrepanz zwischen Arm und Reich, Ungeist und Geist so hervor wie im Fasching.
1627: »Dito fuhren die Cavaliere stark aufm Schlitten, ritten auch allerhand ›Mummer‹ in schöner Maskerade, Couriere, so die Post bliesen, Weiber und viel Narren in allen Plätzen und Gassen herum.« Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zeigt sich die Verdrängung der Faschingsumzüge deutlicher, etwa in Reiseberichten der Diplomaten. Die »Fastnachlustigen Tage zwar nicht publicè Vff der Straßen, aber desto ärger mit Tantzen vnd springen in den Häußern gehalten«.
Die Furcht vor Exzesse im ausklingenden Fasching ließ die Behörden noch mehr Verbote verabzuschieden. Natürlich waren auch manche gewagte Tänze Ablehnungswürdige gewesen: Der sogenannte "Langaus", ein überschneller Walzer, bei dem wohl die Damenröcke nur so flogen (1700!!!). Später erschien auf Tanzfesten der langsame Walzer im Dreivierteltakt.
Vor 1709: Der Prediger Abraham a Sancta Clara (1644–1709) sah im Fasching infernalisches: "Dieses des Teuffels Lauber Fest / wird von denen lauen Christen eyffriger / kostbarer / rarer / und hochfeyerlicher celebriert / als fast das Oster Fest".
In einem Lexikon von 1732 findet sich zum Eintrag "Ball" folgendes: "Ball, Chorea Solennis (= Tanz üblich), Festivitas Saltatoria (= Tag des Tanzes), Bal. heisset eine ansehnliche Versammlung von Manns= und Weibs=Personen, welche zusammen kommen um sich mit Tanzen zu divertiren." (Zedler Universallexicon 3 1732)

Faschingsnarr
Carneval - Faschingsnarr - Masken - 1709 - Foto: Archiv Ernst Zentner - Inhaltlich gemeinfrei

Noch in der Epoche des Barockzeitalters lag der Fasching zwischen den Weihnachtsfeiertagen und dem Aschermittwoch. Vor 1755: "Das Carneval, oder, wie es zu Wien heißt, Fasching ist diejenige Zeit, welche alljährlich von christlichen Regenten zu privilegirter Ausübung der Augen-Lust, Fleisches-Lust und leichtfertigen Wesens ihren Unterthanen vergönnet und in allen sogenannten Lustbarkeiten, Lastern, Sünden und Greueln zugebracht wird." (Teutsches Hof=Recht, In zwölf Büchern. Entworfen von Friderich Carl von Moser ... Zweyter Band ... Franckfurt und Leipzig 1755, Seite 567)
1773 ließ Maria Theresia im "Wienerischen Diarium" eine Verordnung dem Wiener Fasching betreffend publizieren. Der antiklerikale Aufklärer Johann Pezzl (1756-1823) meinte, die Wiener sähen im Fasching eine heilige Zeit vom Jahresbeginn bis vor der Fastenzeit. Jedenfalls nahmen die WienerInnen diese Zeit irgendwie etwas zu ernst. Auch heute vermitteln die Bälle den Eindruck als ob ein Hochamt gefeiert würde.
Hausbälle wurden nur - um 1800 - mit behördlicher Genehmigung (Polizey=Direction, Erlaubnisschein) gestattet, dazu musste der Veranstalter für jeden Musikanten eine Taxe in Höhe von 15 Kreuzer an das "Spielamte" abgeben. (Pezzl, Beschreibung der Haupt= und Residenz = Stadt Wien. 1816, 299)
1834: "Die Benennung Ball für Tanzfest ist ohne Zweifel französischen, und zwar neuern Ursprungs, indem der Tanz bei den Alten nur gymnastischer oder theatralischer Art war, keineswegs bloß zur Belustigung und von der Beschaffenheit, wie er jetzt in allen Ländern einheimisch geworden ist. Die Franzosen haben es in der eigentlichen höhern Tanzkunst (s. Ballet) unstreitig am weitesten gebracht; und das Zeitalter Ludwig's des XIV., welches dem ganzen übrigen civilisirten Europa ein Vorbild des guten Geschmacks wurde, gab den schon bestehenden Tanzfesten mit dem neuen Namen Ball auch eine neue Einrichtung, die sich bald durch die vielen ausgewanderten französischen Tanzmeister in alle Welt verbreitete. Es ist der jetzige Ball für die Jugend beiderlei Geschlechts das angenehmste, angemessenste gesellschaftliche Vergnügen, welches, wenn nicht im Uebermaß genossen, Freude in der Erwartung, Freude in der Wirklichkeit und Freude in der Erinnerung gewährt." (Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 424)
1834: "Oeffentliche Bälle nennt man alle solche, die in einem bestimmten Lokal auf Kosten eines Unternehmers oder Wirthes gegeben werden, und wozu Jeder, der darauf Anspruch machen kann, in anständiger Gesellschaft zu erscheinen, den Eintritt für Bezahlung und unter den Bedingungen der Ballstatuten erhält. Diese sind natürlich die gemischtesten. Privatball heißt derjenige Ball, den eine Privatperson oder eine kleine geschlossene Gesellschaft auf eigene Kosten giebt und Gäste als Theilnehmende dazu einladet. Endlich Kinderball, wobei, wie aus dem Namen hervorgeht, nur Kinder thätigen Antheil nehmen. Jetzt sind übrigens die Bälle in allen Ständen, Classen und Altern so herkömmlich, daß man selbst in den kleinsten Städten eine Menge verschiedenartiger öffentlicher Balle findet. Auf den Dörfern heißt es bis jetzt noch zu Tanze gehen; wer weiß jedoch, wie bald auch dort die Bälle so eingeführt sein werden?" (Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 425-426)
1860: "Maskerade (Maskenball), Ball, wo alle Theilnehmer in Verkleidungen u. mit Gesichtslarven verhüllt erscheinen. Diese Verkleidungen sind entweder Charaktermasken (Caracten), nachgeahmte, gewöhnliche Kleidung gewisser Stände (Bergmann, Schiffer, Gärtner etc.), od. Personen, wirklicher od. theatralischer Kleidung verschiedener Völkerschaften, Nationalcostümen od. Phantasiemasken, welche nichts Wirkliches nachahmen; am häufigsten wird der Domino (...) gebraucht. Sind die Maskeraden öffentlich, so ist es gewöhnlich Gesetz, daß Niemand vor einer bestimmten Zeit (meist vor Mitternacht) die Maske abnehmen (sich demaskiren) darf. Maskeraden unterscheiden sich von den gewöhnlichen Bällen durch eine größere Freiheit (Maskenfreiheit), welche auf denselben gestattet ist. Anders ist es auf den Maskirten Bällen (Bals masqués), welche in geschlossenen Gesellschaften od. von Privatpersonen gegeben werden, u. wo man entweder nur eine kurze Zeit die Gesichtsmasken vorbehält, od., da es hier vorzüglich nur darauf ankommt, in eleganten u. fremden Costümen zu glänzen, gar keine vornimmt (Bals costumés)." (Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 943)

Fünfkreuzertanz
"Fünfkreuzertanz". Karikatur aus "Der Floh", vor 1900? - Abb. Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien 2 Wien 2004, Seite 438 - Foto: Archiv Ernst Zentner - Inhaltlich Gemeinfrei

Auch der sogenannte "Fünfkreuzertanz" in entsprechenden Etablissements ermöglichte der ärmeren Bevölkerung auch Bälle zu besuchen. Nur die "moderaten" Preise boten genauso wenig Spielraum, wenn die allgemeinen Lebenshaltungskosten gegenübergestellt werden.
Nun der Fasching war auch der ideale Moment für Musiker wie Lanner, Strauß und Suppè mitreißende Melodien für Tanz und Gesang aufzubieten.

Ballszene
Ballszene. Illustration, Bäuerles "Theaterzeitung" - Stich nach Anton Geiger nach einer Zeichnung von Christian Schoeller, 1839 - Abb. Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien 2 Wien 2004, Seite 257 - Foto: Archiv Ernst Zentner - Inhaltlich gemeinfrei

Collage
Collage: Karikatur aus "Der Humorist", 10. Februar 1900 und Goldmaske, 2013 - Foto: © Ernst Lanz, 2013

Nun während der Gründerzeit wurden die "Bürgerbälle" von den "Künstlerfesten" und "Gschnasfesten" (wienerisch für fröhliches Kostümfest) des Künstlerhauses und des Männergesangsvereins konkurrenziert. Der wirtschaftliche Aufstieg in der sogenannten Ringstraßenzeit vor 1900 brachte dazu sogenannte Nobelbälle hervor: Concordia-Ball (erstmals 1863), Philharmonikerball (1924) oder der Ball der Stadt Wien (1890). 1877 lud Operndirektor Franz von Jauner zur ersten öffentlichen "Opernsoiree" in die Hofoper. Sie hatte ihr Vorbild im Pariser Opernball. Und daraus wurde 1935 der "Opernball" …
Ähnlich verhält es sich mit dem Philharmonikerball, ein sogenannter "Traditionsball". Erstmals am 4. März 1924 gegeben. Der Vorstand der Wiener Philharmoniker, Alexander Wunderer meinte damals: "Wenn die Philharmoniker ihrer alten Tradition eine neue hinzufügen und einen Ball geben, der ein gesellschaftliches Ereignis ist, so festigt das das Standesbewußtsein der Musiker." Richard Strauss komponierte für den ersten Ball eine Festfanfare, die noch immer bei jeder Balleröffnung erklingt. Ein eigens eingeladener "Ehrendirigent" gibt mit den Wiener Philharmonikern ein "Gustostückerl" zum Besten: etwa Claudio Abbado, Leonard Bernstein, Karl Böhm, Willy Boskovsky; Herbert von Karajan, Lorin Maazel, Christian Thielemann. Seither stets prominente Mitglieder im Ehrenkomitee: Nur eine Auswahl: Hugo von Hofmannsthal, Erich Wolfgang Korngold; Agnes Baltsa, Rudolf Buchbinder, José Carreras, Placido Domingo, Elīna Garanča, Angelika Kirchschlager, Lang Lang, Anna Netrebko … Der Philharmonikerball findet jeweils am letzten Donnerstag im Januar statt.
Während des Wiener Kongresses fanden viele Feste statt. In den Zwanziger und Dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts gab es in den kleineren und größeren Etablissements der Kaiserstadt unterschiedliche Ballfeste. Die Künstlerinnen und Künstler wollten jedoch einen eigenen intimeren Rahmen. Und den fanden sie in den Redoutensälen der kaiserlichen Hofburg. Nach 1848 fanden keine Veranstaltungen (?) statt. Erst seit 1862 wurden mit "allerhöchster Erlaubnis" im Theater an der Wien wieder Ballfeste gegeben. Als Vorbild galten die Pariser Opernbälle.
1869 wurde das k. k. Hofoperntheater eröffnet. Doch Kaiser Franz Joseph I. erlaubte kein Tanzfest. Der erste "Ball in der Hofoper" fand im neuen Gebäude der "Gesellschaft der Musikfreunde" statt. Erst 1877 gestattete der Monarch eine "Soirée" - jedoch ohne Tanz (11.-12.XII. 1877) Allerdings die Gäste machten doch was sie wollten.
Im Januar 1935 fand der nun bekannte "Wiener Opernball" statt. Noch 1939 gab es vor dem II. Weltkrieg einen Opernball.
Nach Wiedereröffnung der Staatsoper 1955 fand am 9. Feber 1956 fand der erste Wiener Opernball nach 1945 statt. Mit Ausnahme 1991 (Golfkrieg, Sicherheitsbedenken) seither jedes Jahr. Generell 5150 Gäste (Kulturschaffende, Unternehmer und Politiker) und 180 Eröffnungspaare. Etwa 7000 Menschen, wenn Mitarbeiter und Sicherheitspersonal mitgerechnet wird! Der Wiener Opernball avancierte sogar zum "Exportartikel": In New York findet ein gleichnamiger Ball statt. Nun, der Wiener Opernball war seit Jahrzehnten auch energischer Gesellschaftskritik ausgesetzt. Auch skurrile Alternativveranstaltungen finden in der gleichen Donnerstagnacht statt: Wiener Rosenball (…)


Quellen
  • Dr. Felix Czeike, Fasching im alten Wien, In: Neue Wochenschau für Alle. 1. Februar 1995 / Nr. 5 Seite 22 und 59
  • Fasching in Wien. Der Wiener Walzer 1750-1850. 58. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Karlsplatz 14. Dezember 1978 - 25. Februar 1979. Wien: Historisches Museum der Stadt Wien 1979 (Historisches Museums Wien: Sonderausstellung, 58)
  • Fasching 1913. In: Reichspost, 31.01.1913, S. 11
  • Faschingskehraus. In: Reichspost, 05.02.1913, S. 1-2
  • Eigene Recherchen

Siehe auch