Gagat in den Ostalpen#
Von Reinhard Sachsenhofer
Der Kohlenbergbau gilt als relativ junger Zweig des alpinen Bergwesens. Tatsächlich wurde aber in den Ostalpen schon im 15. und 16. Jahrhundert nach Gagat, einer besonderen Kohlenvarietät, geschürft.
Gagat oder Jet, auch Agtstein oder Augstein genannt ist eine harte, zähe, schleif- und polierfähige Kohle, die sich geschliffen durch einen eigentümlichen tiefen Farbton und matten Glanz auszeichnet.
Der Name Gagat leitet sich vom Fluss Gages in Lykien ab, wo sich in der Antike die Kohle als Geschiebe gefunden hatte
Gagat bildet sich im Gegensatz zu „normaler" Kohle aus Trifthölzern, die sub-aquatisch abgelagert und im sauerstofffreien Faulschlammmilieu mit Bitumen getränkt wurden.
Mikroskopisch unterscheidet sich Gagat von „normaler" Kohle der gleichen Inkohlungsstufe im Reflexionsvermögen. Das fossile Holzgewebe des Gagates erscheint infolge des hohen Bitumengehaltes unter dem Auflichtmikroskop deutlich dunkler als jenes der in Torfmooren abgelagerten „normalen“ Kohle.
Im Bereich der Ostalpen tritt Gagat in den als Gosauschichten bezeichneten Oberkreidesedimenten der Nördlichen Kalkalpen auf. Er steckt in schmächtigen Flözchen oder als Linsen und Scherben in bituminösen Mergeln und Kalken. Das Alter der Kohlen führenden Schichten ist 80-90 Mio. Jahre. Die geringfügig jüngeren Gosaukohlen des einst bedeutenden Bergbaus bei Grünbach wurden in einem küstennahen Moor gebildet und enthalten daher übrigens keinen Gagat.
Gagat war, wie Grabbeigaben belegen, bereits den Kelten, Griechen und Römern bekannt. Besondere Verbreitung genoss er aber im ausgehenden Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit. Bedeutung besaß Gagat insbesondere für die Herstellung von Kultgegenständen wie Rosenkränzen und als Trauerschmuck. Gagat spielte aber auch in der Volksmedizin als „Edler Drachenblutstein" eine gewichtige Rolle.
Unter anderem soll er Hysterischen Linderung gewährt und Menstruationsbeschwerden gelöst haben. In Wein gekocht heilte er Zahnweh, mit Wachs vermischt aber Kröpfe. Getragen bot er Schutz gegen Blitzschlag, Vergiftung und Dämonen, innerlich verwendet auch gegen Schlangenbisse und Behexung.
Zentren der Gagatverarbeitung lagen in Frankreich, England und Süddeutschland (Schwäbisch-Gmünd; Eßlingen). In Zeiten besonders hohen Materialbedarfs wurden die der heimischen Bevölkerung vermutlich schon lange bekannten Gagatvorkommen der Kalkalpen von schwäbischen Gagatschleifern ausgebeutet. Der Gagatbergbau lag daher weitgehend in den Händen von Landesfremden.
Nach und nach versuchten sich heimische Schürfer gegen die Vormacht der Schwaben zu behaupten. Diese waren andererseits bestrebt, ihre Monopolstellung zu festigen. Die resultierenden Streitigkeiten führten so weit, dass sich Kaiser Friedrich III. 1478 bewogen sah, den Dechanten des Stiftes Spital am Pyhrn
Spital am Pyhrn
zu beauftragen, einen heimischen Schürfer, den „getrewen Windischgerstner", der bei Roßleithen schon längere Zeit Gagat gewonnen hatte, in Schutz zu nehmen.
Der geschichtlich am besten bekannte Gagatbergbau der Ostalpen befand sich in der Gemeinde Gams bei Hieflau
Gams bei Hieflau
, wo noch heute die Spuren der mittelalterlichen Bergbautätigkeit im Gelände zu bemerken sind. Die erste urkundliche Erwähnung scheint im Jahre 1414 auf, wahrscheinlich reicht der Bergbau aber wesentlich weiter in die Vergangenheit zurück. Der geförderte Gagat wurde in Plachen und Säcke verpackt über Großreifling und den Buchauer Sattel zum Stift Admont
Admont
, das die Berghoheit in Gams besaß, transportiert. Dort wurde ca. ein Siebentel der geförderten Menge als Bergfron und Zehent einbehalten.
Eingestellt wurde der Bergbau im Jahre 1559, vielleicht infolge von Absatzschwierigkeiten nach der Reformation, die den Gebrauch von Rosenkränzen anderen Kultgegenständen ablehnte.
Auf admontischem Besitz lag auch jener Bergbau, der wenige Kilometer östlich von Admont, nördlich des Gesäuseeinganges situiert war. Das Gebiet um den Bergbau Unterlaussa
Unterlaussa
war zunächst ebenfalls admontischer Besitz. Man ersieht daraus die Bedeutung des auch sonst als Förderer des obersteirischen Bergbaus auftretenden Stiftes für die Gagatgewinnung.
Wahrscheinlich wurde Gagatbergbau auch im Spitzenbachgraben westlich St. Gallen
St. Gallen, Steiermark
und nördlich Bad Ischl
Bad Ischl
betrieben. Im Gebiet des Spitzenbachgrabens blieb die Erinnerung erhalten, dass vor langer Zeit „Deutsche" Kohle gewonnen und daraus „allerlei Zeug" gemacht hätten. Bei Bad Ischl wurde im Zuge einer Wildbachverbauung ein Stollen, der gagatführenden Schichten folgt, angefahren.
Nachdem sich die Schwaben um die Mitte des 16. Jahrhunderts aus den Ostalpen zurückgezogen hatten, wurde von Einheimischen in den verlassenen Bauen weiterhin nach Gagat gegraben. Noch in einem 1727 in Braunschweig
Braunschweig
erschienenen Bergbuch wird der „Edle Drachenblutstein" unter den in der Steiermark vorkommenden Mineralen angeführt.
Kurz darauf scheint die Gagatgewinnung aber in Vergessenheit geraten zu sein, da sie in zeitgenössischen Reiseberichten keine Erwähnung mehr findet.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts fanden die kohlenführenden Gosauschichten erneut das Interesse des Bergmannes. Nun wurde die Kohle (Glanzbraunkohle) als Energieträger aufgesucht. Innerhalb der Grenzen der Steiermark zeugen Stollen östlich von Gams und im Spitzenbachgraben von der Schurftätigkeit unseres Jahrhunderts.
Heute gehören auch diese Bemühungen schon längst wieder der Vergangenheit an.
Quellen#
- Wilhelm Freh: Ein weiterer Gagatbergbau auf oberösterreichischem Boden. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins, 99/1954, S. 185-188.
- Wilhelm Freh: Alte Gagatbergbaue in den nordöstlichen und Ostalpen. In: Mineralogische Mitteilungen des Joanneums, Jg. 1956, S. 1-14.
- Wilhelm Freh: Krafft und Tugend des edlen Drachen-Blut Steins / der dem Menschen für vielerley Leibeskranckheiten gut ist zu gebrauchen. In: Der Anschnitt, 9/1957.
- Wilhelm Freh - Erich Haberfeiner: Ein alter Gagatbergbau in Oberösterreich. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins, 95/1950, S. 337-350.
- Adalbert P. Krause: Ein alter Gagatbergbau in Gams bei Hieflau. In: Der Anschnitt, 17/1965, S. 23-27.
Ergänzung#
Im Geomuseum in Bad Gams bei Hieflau finden sich viele schöne Gagatstücke.
Das nebenan abgebildete Stück stammt aus Gams/Schönleiten und ist der Querschnitt eines Baumstamms.
Die Ringe sind durch Druck entstanden und sind NICHT die Jahresringe!
Heute gibt es dort auch einen Gagatabbau Schaustollen