Turmwächter#
Turmwächter (auch Türmer) standen vielfach im Ruf der Zauberei und Unehrlichkeit, »weil«, so wurde vermutet, »sie ursprünglich oft als schuldbeladene Verfolgte das Asylrecht des Kirchturms in Anspruch genommen haben mögen, teils weil sie in ihrer hohen Einsamkeit zu Sonderlingen wurden «. Ein anderer Grund, warum der blasende Wächter einer Gemeinde als unehrlich galt, mag gewesen sein, daß die Beaufsichtigung fester Türme mitunter den Scharfrichtern übertragen wurde, die den Dienst durch ihre Knechte verrichten ließen. Beide gehörten verachteten Berufsständen an. Recht oft wurden im hohen Mittelalter auch fahrende Spielleute von den Städten als Turmbläser engagiert, und viele von ihnen entschieden sich, als Stadttürmer wie auch als Musiker, Instrumentenmacher, Pfeifer und Trommler seßhaft zu werden. Die Görlitzer Turmwächter des 14. Jahrhunderts beispielsweise waren schon festangestellte Beamte der Stadt und wurden bleser, trometer, bosuner genannt. Hier und da taucht auch die Bezeichnung »Haustaube« auf, wahrscheinlich wegen der hochgelegenen Turmstube des Stadttürmers. Unergründbar bleibt, warum die Unehrlichkeit der Fahrenden dem ansässig und bürgerlich gewordenen Türmer und seinen Nachkommen noch eine gewisse Zeit anhaftete.
Das »Abblasen« der Stunden wie das Trompetenblasen überhaupt war den Türmern zunächst nur von ihren Kirch- und Rats türmen erlaubt. Keinesfalls durften sie bei »ehrlichen« Hochzeiten, Kindstaufen und Gelagen mit ihren Hörnern und Zugtrompeten aufspielen. In den kaiserlichen Privilegien für Heertrompeter und Heerpauker des 17. Jahrhunderts wird diesen der Verlust der »Kunst«, das hieß des Privilegs, angedroht, wenn sie mit den Gauklern, Haustauben, Türmern oder bei den Glückshäfen und dergleichen Festivitäten gemeinsam bliesen. Turmwächter und ihre Sturmtüter (Adjunkte der Türmer) mußten Tag und Nacht auf der Hut sein, um ausbrechende Brände und aufziehende Gewitter rechtzeitig anzuzeigen sowie die Ankunft stadtfremder Personen zu melden.
Quellen#
- Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010