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Ach, E.U.!#

Von Christa Chorherr, Oktober 2017

Das durchlöcherte Schengen-Abkommen#

1985 unterzeichneten Deutschland, Frankreich und die Benelux-Länder im luxemburgischen Dorf Schengen das „Schengener Abkommen“. Das Ziel war, die Personenkontrollen an den Binnengrenzen der beteiligten Länder abzuschaffen. Im Gegenzug sollen die Außengrenzen stärker kontrolliert werden. Zehn Jahre später wurde das Abkommen umgesetzt.

Der Schengen-Raum bezeichnet ein Gebiet, in dem sich 26 verschiedene europäische Nationen mit anderen Mitgliedsstaaten bzw. Nicht-Mitgliedsstaaten auf die Abschaffung der Binnengrenzen sowie auf den freien und unbeschränkten Verkehr von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital einigten, und dies in Übereinstimmung mit den allgemein gültigen Regeln zur Kontrolle der Außengrenzen und der Bekämpfung der Kriminalität durch die Stärkung des Rechtssystems und der polizeilichen Zusammenarbeit.

Durch den Schengen-Raum existieren die Grenzen zwischen europäischen Staaten nur auf Landkarten, da über 400 Millionen Bürgern die Freiheit eingeräumt wird, sich ohne Pass- und Grenzkontrollen sowie in einem einzigen Staat frei sowohl inner- als auch außerhalb des Gebietes zu bewegen, da in allen Ländern die allgemeinen Rechte auf Reise- und Bewegungsfreiheit Gültigkeit haben.

Wo sind die Zeiten, als man vom Nordkap bis zur Südspitze Siziliens „grenzenlos“ reisen konnte. Aber es geht ja nicht nur um uns Reisende: es geht auch um den Güterverkehr – der, wenn behindert, zu höheren Warenpreisen führt; Dienstleistungen und Kapital scheinen nicht betroffen zu sein.

Diese Freizügigkeit wurde aufgrund der Flüchtlingsströme von einigen Ländern außer Kraft gesetzt. Nun sollte Schengen wieder voll in Kraft treten, da haben es nun z.B. Deutschland und Österreich erreicht, dass das Schengenabkommen weiterhin ausgesetzt bleibt. Die Entscheidung wird damit begründet, dass Terrorgefahr besteht, dass es noch immer Defizite beim Schutz der EU-Außengrenzen gibt sowie illegale Migration innerhalb des Schengenraums stattfindet. Die Kontrollen sollen sich demnach vorerst weiter auf die deutsch-österreichische Grenze sowie auf Flugverbindungen von Griechenland nach Deutschland beschränken. Auch Dänemark verlängert die Kontrollen an der Grenze zu Deutschland um weitere sechs Monate. Die Sonderregelung auf Grundlage des Schengener Abkommens wäre am 12. November ausgelaufen.

Politiker der betroffenen Staaten meinen, dass eine vollständige Rückkehr zu einem Schengenraum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen erst dann möglich sein wird, wenn die Entwicklung der Gesamtlage dies zulässt. Wahrscheinlich müssten alle Schengeländer zusammenstehen, um die Außengrenzen effektiver zu schützen – aber auch dafehlt die Solidarität. Und ohne ausreichenden Schutz der Außengrenzen werden die Ausnahmen nicht so schnell auslaufen.

Die Brexit-Verhandlungen, die nicht vom Fleck kommen#

Ein ungeordneter Austritt Großbritanniens aus der EU schien lange kaum wahrscheinlich. Jetzt wandelt sich die Stimmung. Die Regierung bereitet sich auf eine Katastrophe vor. Der „No Deal Brexit“ galt, trotz aller Schwierigkeiten, bisher als ein eher hypothetischer Grenzfall. Die Drohungen der britischen Premierministerin Theresa May, dass „kein Deal besser als ein schlechter Deal“ sei, wurde als Bluff interpretiert, um Druck in den Verhandlungen aufzubauen. Zu viel stehe für beide Seiten auf dem Spiel, als dass London und die EU die Austrittsverhandlungen gegen die Wand fahren ließen, so das Argument. Doch nachdem mehr als ein Viertel der kostbaren zweijährigen Verhandlungsfrist ohne große Fortschritte verstrichen ist, wird ein ungeordneter Brexit allmählich zur realen Bedrohung.

Wenn es wirklich so käme, rechnen die meisten Ökonomen mit ziemlich beispiellosen wirtschaftlichen Verwerfungen: Kilometerlange Lastwagenstaus vor den Häfen am Ärmelkanal, Lieferketten von Industrieunternehmen, die unterbrochen werden, Fluggesellschaften, die massenhaft Flüge streichen – und viele weitere unmittelbare Konsequenzen. Denn Großbritannien würde zum Brexit-Termin im März 2019 schlagartig aus dem Europäischen Binnenmarkt, der Europäischen Zollunion und weiteren branchenspezifischen Abkommen etwa im Luftverkehr herausfallen. Für den Warenaustausch zwischen der EU und Großbritannien würden plötzlich die Regeln der Welthandelsorganisation WTO gelten. Die in einem WTO-Szenario zu erwartenden beiderseitigen Zölle würden dem Export schaden und Importe verteuern.

Weiterentwicklung oder Zerfall der E.U.?#

Auch wenn es vordergründig scheint, dass es der EU „gut geht“ – die Wirtschaftsentwicklung hat jene der USA übertroffen, selbst die extrem rechten Parteien, haben ihre Austrittswünsche zurückgestellt. Und ich glaube und hoffe, dass Österreich nicht der Visegrad-Gruppe beitritt, wie von manchen Mitgliedsländern aufgrund der Wahlergebnisse befürchtet wird.

Aber Brüssel hat zu wenige Mittel um gegen aufmüpfige Staaten vorzugehen, es wird meist gewartet, dass die betroffenen Staaten ihre Fehler einsehen und von selbst zum Regelwerk der EU zurückkehren. Aber eine schnellere Integration? Die wird nicht von allen Mitgliedssaaten begrüßt werden. Und es gibt tiefe Gräben innerhalb Europas: Die Mitgliedsländer in Norden werden vielleicht gegeneine verstärkte wirtschaftliche Integration auftreten, weil das Wachstum der südlichen Länder zu gering ist. Westeuropa wird einer engeren Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Immigration zustimmen während der Osten strikt dagegen ist. EU Mitglieder in der EURO-Zone sind eher für eine finanzielle Integration, wohingegen Ländern mit ihrer eigenen Währung befürchten, bei strategischen Entscheidungen der Zukunft ausgegrenzt zu werden.

E.U- Skeptizismus wird besonders problematisch, wenn er von den Regierungen im Zusammenhang mit alten Vorurteilen dazu benutzt wird, ihre eignen, selbstständigen Ziele zu verfolgen – wie man bei Polen sehen kann.

Wenn nun Großbritannien wirklich aus der EU austritt (meine geheime Hoffnung: vielleicht bleiben sie letztlich doch) werden Frankreich und Deutschland die Schlüsselländer sein, die die Zukunft der EU bestimmen. Macron jedenfalls wünscht sich weitreichende Reformen, wie verstärkte Sicherheit, engere Zusammenarbeit bei der Migration und einen gemeinsamen Finanzminister. Er würde auch ein Modell der verschiedenen Geschwindigkeiten unterstützen, das einzelnen Ländern ermöglichen würde, größere Veränderungen vorzunehmen als andere. Merkel könnte ihm wahrscheinlich diesbezüglich folgen.

Das Problem mit den Macron-Vorschlägen ist, dass sie gar nicht so neu sind, sondern sich nur als schwer umsetzbar erwiesen haben. Osteuropa steht einer Flüchtlingsaufteilung feindlich gegenüber. Verstärkte gemeinsame Sicherheit könnte kurzfristig daran scheitern, dass es in naher Zukunft kein vereintes europäisches Militär geben wird. Und selbst die großen Anschläge in Europa haben zu keiner verbesserten Zusammenarbeit auf dem Sektor der Terrorismusbekämpfung geführt.

Und Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten: das gibt es schon. Anstatt ein einheitliches Ziel zu verfolgen haben sich Ländern mit ähnlichen Problemen zusammengeschlossen, um diese zu lösen. Die EU entwickelt sich nicht als eine, sondern als viele verschiedene Einheiten. Das könnte zu „zweitklassigen“ Mitgliedsstaaten führen. Eine derartige Balkanisierung könnte zum Zerfall der EU führen. Ist dieser Macron-Vorstoß eher ein Todesstoß für Europa al seine Lösung zukünftiger Probleme?

Ich bleibe pro-europäisch und wünsche mir mehr positive Einstellungen zu diesem großen Projekt.