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Martin Pollack, Gerhard Zeillinger: Das alte Amstetten#

Bild 'Pollack'

Martin Pollack und Gerhard Zeillinger: Das alte Amstetten .Stadtansichten und Zeitbilder 1870–1970. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach 2019. 96 S., ill., € 16,90

Amstetten, im Kernland des Mostviertels (Niederösterreich), war schon in der Jungsteinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit besiedelt. Auch der bedeutendste römerzeitliche Schatzfund Österreichs - das Inventar eines Jupiter-Heiligtums - wurde hier gemacht. Amstetten lag bereits damals an einer wichtigen Durchzugsstraße, der Limesstraße. Der Bildband "Das alte Amstetten" konzentriert sich auf ein nicht weit zurückliegendes Jahrhundert. Doch auch in der relativ kurzen Zeitspanne zwischen 1870 und 1970 hat sich in der Industriestadt mit knapp 25.000 Einwohnern vieles geändert. Manches haben die beiden dort aufgewachsenen Autoren, der Schriftsteller Martin Pollack (geb. 1944) und der Historiker Gerhard Zeillinger (geb. 1964), miterlebt. Die 80 Illustrationen - der erste Fotograf kam um 1860 nach Amstetten - stammen aus seinem Privatarchiv und den städtischen Sammlungen.

Im Vorwort schreibt Zeillinger: "Zwischen den ersten Aufnahmen und dem Aufkommen der Ansichtskarten, die plötzlich Eindrücke von der Stadt in die weite Welt exportierten, lagen nur wenige Jahrzehnte, aber in diesem Zeitfenster großer Veränderungen entwickelte sich der Jahrhunderte lang unverändert gebliebene Marktflecken zur modernen und eleganten Kleinstadt. " Um 1900 war sie nicht nur eine wichtige Bahnstation, über die man in den Süden bis an die Adria gelangte, sie galt als einer der modernsten und elegantesten Orte zwischen Wien und Salzburg und war für wenige Jahrzehnte eine beliebte Sommerfrische der Wiener. Die Gäste fanden mehrere Hotels, Gasthöfe, Restaurants und Cafés vor, konnten Sommerwohnungen mieten und Promenaden, Bäder und Sporteinrichtungen nutzen. Amstetten war ein "Wohlfühlort", bevor die Industrie das Ybbstal eroberte und der Bahnhof nur noch eine Station auf der Durchreise darstellte. Für die damalige Kaiserin-Elisabeth-Bahn (Westbahn) 1858 eröffnet, bildet er auf einem Foto aus den 1870er Jahren eine "Randerscheinung". Ein Panoramablick zeigt die Siedlung als kleinen, geschlossenen Ort mit einer Pappelallee entlang der Poststraße. Auf dem unbefestigten Marktplatz weideten damals Gänse und wurden Schweine zum Verkauf aufgetrieben. 1877 verwüstete ein Großbrand die dortigen Häuser. Beim Aufbau wurden sie modernisiert, das Rathaus erhielt ein gotisches Aussehen. Die Stadterhebung 1898 brachte einen repräsentativen Neorenaissance-Bau. Als Wahrzeichen zierte das Rathaus nun die bunten Ansichtskarten.

Viele ihrer Vorlagen stammen von Linius Ofner, der um die Jahrhundertwende in Wien, Waidhofen an der Ybbs und Amstetten Ateliers besaß. Der Salzburger Josef Manzenreiter betrieb dort eine Photographische Anstalt, deren Aufnahmen der Buchhändler und Buchdrucker Adalbert Queiser verlegte. Seine Kollektion umfasste eine dreiteilige Postkarte und eine "Riesen-Ansichts-Karte", außerdem verkaufte er Stadtbilder "in Buntdruck, Lichtdruck und Mondschein-Manier". Queiser gab das "Amstettner Wochenblatt" heraus, verfasste die erste Stadtchronik und initiierte zum Kaiser-Jubiläum 1898 einen großen Kirchenbau. Zehn Jahre später starb er, sein repräsentativer Leichenzug über den Hauptplatz ist ebenfalls im Buch zu sehen. Mit Queisers Ableben kam der Bau der Herz-Jesu-Kirche ins Stocken. Sie wurde erst 1931 fertig gestellt und dominiert seither die Blickachse vom Bahnhof aus.

Damals konnte man Amstetten erstmals auf einer Ansichtskarte von oben sehen. Das aus einer Propellermaschine fotografierte Bild zeigt die rasante Entwicklung der Stadt. Sie blieb von den politischen Entwicklungen der folgenden Jahre nicht verschont. 1932 hielten 800 Arbeitslose auf dem Hauptplatz eine Hungerdemonstration ab. Paramilitärische Aufmärsche zogen durch die Straßen. 150 Heimwehrmänner sammelten sich bei ihren Fahrzeugen. Der Hauptplatz wechselte seinen Namen, erst "Kanzler Dr. Dollfußplatz", dann "Hitlerplatz",auf dem Heldengedenkfeiern inszeniert wurden. 1945 bildeten Bahn- und Industrieanlagen Ziele heftiger Bombenangriffe. In der Besatzungszeit war die KPÖ die bestimmende politische Kraft. Als Zeitzeuge erinnert sich Martin Pollack an die im Bezirksgericht eingerichtete Kommandantur. In seinem Essay beschreibt er auch angenehme Erinnerungen an sein "Kindheitsamstetten". Dazu zählten Besuche von Motorradrennen und des Bades, das von 1883 bis 1967 bestand. Ein Foto zeigt es kurz vor der Schließung. Das letzte Bild entstand 1970 mit Gasthof Kickinger und Buchhandlung Queiser. "Ein Jahr später wird es diese Situation nicht mehr geben: Das Gasthaus wird abgerissen, von ihm bleibt nur der Name ' Kickinger-Kreisverkehr'."

hmw