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Von Wien nach Haringsee #

Bild 'Haringsee'

Von Wien nach Haringsee. Ein neues Depot für das Technische Museum Wien. Mit Beiträgen von Martin Barta, Andrea Bliem, Andreas Hahn, Manfred Hoffelner, Helmut Lackner, Bettina Sánchez Romero, Alfred Schmidl, Walter Schmidl, Harald Wendelin, Martina Wetzenkircher. Edition TMW, Band 10, Technisches Museum Wien 2019. 204 S., ill., mit beigelegtem Einrichtungsplan, € 22,-

Nur 10 % der Bestände eines Museums werden üblicherweise präsentiert. 90 % befinden sich, mehr oder weniger fachgerecht deponiert, in Magazinen. Die zentrale Aufgabe des Sammelns und Bewahrens bringt viele Häuser an die Grenzen ihrer Kapazität. Daher haben sich Museen in den letzten Jahren entschieden, Neubauten zu schaffen, die den aktuellen Anforderungen sachgerechter Lagerung entsprechen. Das Universalmuseum Joanneum baute i2009 in Graz-Andritz ein Studienzentrum, gleichzeitig eröffnete das Niederösterreichische Sammlungszentrum für Kunst in St. Pölten, das Kärntner Landesmuseum erhielt ein Wissenschaftszentrum, das Salzburg Museum ein Studiengebäude. Als beispielgebend gilt das Sammlungs- und Forschungszentrum des Tiroler Landesmuseums. In Wien bekamen die Nationalbibliothek und die Albertina Tiefspeicher, das Kunsthistorische Museum sowie das Wien Museum Depots in Himberg.

"Auch wenn sich bestimmte Anforderungen von Museum zu Museum gleichen, wie etwa Herstellung eines für die langfristige Lagerung von Sammlungsobjekten günstigen Klimas oder die Logistik bei der Übersiedlung umfangreicher Sammlungsbestände, bleiben die Errichtung und die Inbetriebnahme eines neuen Depots für jedes Museum eine individuelle Herausforderung", schreibt der Projektleiter Helmut Lackner. Das Technische Museum Wien (TMW) hat es mit besonders großen und schweren Objekten, wie Eisenbahnen, Autos und Maschinen zu tun. Man musste auch mit Gefahrstoffen - wie Asbest - rechnen, die in den Gegenständen enthalten oder in der Chemikaliensammlung vorhanden waren. 4000 Substanzen wurden gefunden, dazu kamen radioaktive Objekte wie Auer-Gasglühstrümpfe oder Flugzeug-Bordinstrumente.

Das TMW wurde 1909 gegründet, 90 Jahre später generalsaniert und verfügt nach 120 Jahren endlich über ein adäquates Depot. Ursprünglich genügte der Dachboden des Haupthauses. Als 1992 die Vorarbeiten für dessen Generalsanierung begannen, waren die nicht ausgestellten Sammlungsgegenstände auf fünf Standorte in drei Bundesländern verteilt. Nach der Eröffnung der Schausammlung (1999) beschäftigten Inventarisierung, Konservierung und Vorbereitung für den Umzug das Museumsteam für eineinhalb Jahrzehnte. Im Zuge dieser Arbeiten entschloss es sich, den Gesamtbestand auf der Webseite zu publizieren. Der Onlinekatalog enthält mehr als 172.000 Objekte. Auch die Frage der Deakzession (Objektausscheidung) war ein dringendes Thema. Einige hundert UDOs (unidentifizierte Depotobjekte) mussten bewertet werden. Von großer Bedeutung waren die Maßnahmen an den Objekten, auf die das Buch anhand von Beispielen ausführlich eingeht und die Transportverpackungen, die für eine sichere Übersiedlung essenziell sind.

Die aufwändige Standortsuche hatte schon 2011 begonnen. War zuerst an eine Nachnutzung historischer Fabriken gedacht, erwiesen sich diese doch als ungeeignet. Nach vier Jahren fiel die Entscheidung für Haringsee. Die 1200-Seelen-Gemeinde im Marchfeld, 45 km östlich von Wien, ist in einer guten Stunde zu erreichen. Anno 1150 erstmals urkundlich erwähnt, verfügt der Ort über eine frühgotische Wehrkirche und ein Trappenschutzgebiet. Seit 1975 ist er für seine Greifvogelstation bekannt, 2004 kam das Kulissendepot von ART for ART Theaterservice GmbH dazu. Die Tochtergesellschaft der Bundestheaterholding hatte in Haringsee neun große Hallen errichtet und besaß noch ein unbebautes Grundstück. So ergab sich eine ideale Synergie mit dem TMW, das erstmals in seiner Geschichte einen für technische Großobjekte maßgeschneiderten Neubau errichten konnte. Nutzugsprofile wurden erstellt und Pläne rasch umgesetzt, denn die Wiener Depots mussten geräumt werden.

Nur zwei Jahre nach Planungsbeginn nahm das neue Depot im Frühsommer 2017 seinen Vollbetrieb auf. Auf einer Fläche von 8.500 m² beherbergt es vor allem die Verkehrsobjekte des Museums (Autos, Motor- und Fahrräder) sowie sonstige große und schwere Objekte. Es Die eingeschossige zweischiffige Halle aus Stahlbeton und Fichtenholz ist ca. 130 mal 66 m groß und 6 m hoch. Besonders wurde auf die Haus- und Sicherheitstechnik sowie Energieeffizienz geachtet und das Gebäude mit einer Photovoltaikanlage versehen. Übersiedlung und Einrichtungslogistik erfolgten datenbankunterstützt. Die rund 10.000 Objekte waren in weniger als einem Jahr gereinigt, verpackt und gesichert worden. Im Winter 2016 rollten die ersten Kulissenwagen mit ihrer wertvollen Fracht durch den Schnee von Wien nach Haringsee. Großobjekte kamen mit Spezialtransporten von Speditionen, darunter eine 26 t schwere Druckmaschine, ein Fernseh-Übertragungswagen von 22 t, Flugzeuge und die beiden schwersten und größten Objekte. Der Dampfhammer aus dem Jahr 1910 und ein Brettfallhammer Baujahr 1912 fanden auf eigenen Fundamenten vor der Halle Platz.

Das Museumsteam hat alle Arbeitsschritte detailliert dokumentiert und im vorliegenden Band der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine Fotostrecke dokumentiert den Umzug mit ausdrucksstarken Bildern. So kann man als Laie die Leistung ermessen, die 120 Jahre nach der Eröffnung des TMW erbracht wurde - noch dazu unter Einhaltung des Budget- und Zeitplans. "Ein effizientes Depotmanagement ist ein Garant für ein insgesamt erfolgreiches Museum. In Erfüllung des gesetzlichen Auftrags hat das TMW mit dem neuen Depot in Haringsee einen wichtigen Baustein für die Zukunft der Institution realisiert", schreibt Herbert Lackner. Inzwischen ist das erfolgreiche Projekt zum internationalen Vorbild geworden.

hmw