Die niederösterreichische Eisenstraße#
Göstling an der Ybbs#
Sie stellt sich in drei Varianten dar. Die eine verläuft von Hieflau über Garns nach Gösitling an der Ybbs und weiter bis Scheibbs, die zweite wird von Göstling über Höllenstein nach Waidhofen geführt und die dritte erstreckt sich von Weyer über Waidhofen bis Scheibbs. Man verlässt das romantische Salzatal und gelangt bald nach Überschreitung der steirischen Landesgrenze nach Göstling an der Ybbs, das sich im weiten Talbecken der Ybbs ausdehnt. Hier gab es viel Kohlholz und Wasserkraft und so entstanden schon früh Hammerwerke und Nagelschmieden. Derzeit erzeugt das Hammerwerk der Familie Dürr noch immer Werkzeuge, wie zum Beispiel Äxte und Sappel. Ein besonderer Tipp ist die Erlebniswelt Mendlingtal.
Im Mittelpunkt der Anlage steht die letzte Holztriftanlage Mitteleuropas. Der zirka zweieinhalb Kilometer lange und mit informativen Schautafeln ausgestattete Themenweg beginnt beim Dorfteich in Las sing. Die neu renovierte Triftanlage erwartet den Besucher in der ersten von drei engen und expressiv ausgewaschenen Schluchten. Der grüne Auwald bildet eine herrliche Wildnis, in der es lohnt, sich Zeit zu nehmen. Ein kleiner Triftsee bildet das Stauwasser für die Holztrift der Mendlingbachklause. Dann erreicht der Besucher eine große Quelle mit einer aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Mühle. Der Themenweg endet mit der Ankunft beim Hammerherrenhaus in Hof.
Der Ybbstalradweg und der Themenradweg „Die Kraft des Wassers" eröffnen dem Radfahrer uneingeschränktes Vergnügen und neue Ein- und Ansichten. Aber auch alle anderen möglichen Arten der Freizeitgestaltung bis hin zu „Wegen zu Yin und Yang" sind in Göstling möglich.
Reste des Stixenlehener Vorderhammers im Steinbachtal bei Göstling an der Ybbs können noch besichtigt werden. Bis 1879 arbeitete hier ein so genannter Großzerrenhammer. Die Bezeichnung ..Groß" bezog sich allerdings nicht auf Anlage selbst, sondern auf eine Vereinigung von 13 Hammerbesitzern. Hier wurde das Roheisen vom Erzberg zu Stäben verarbeitet, aus denen später Werkzeuge entstanden. 1884 wurde der Vorderhammer auf Sensenerzeugung umgestellt, bevor er 1896 endgültig stillgelegt wurde.
Hollenstein an der Ybbs#
Über St. Georgen am Reith wird westlich von Göstling bald der Gebirgsort Hollenstein an der Ybbs erreicht: Er liegt an der Mündung des „Hammerbaches" in die Ybbs vor der prächtigen Bergkulisse des Gams-steins (1.774 m). Hollenstein hatte durch die Jahrhunderte hindurch große Bedeutung für die Eisenverarbeitung. Bereits 1316 sind sechs Eisenwerke urkundlich erwähnt. Im 16. Jahrhundert gab es dreizehn „Großzerren-hämmer", für die Stahlerzeugung, die ihren Zunftsitz in Hollenstein hatten. Das Kohlholz wurde auf der Ybbs herangeflößt. Es gab einen großen Holzrechen und daneben eine ausgedehnte Köhlerstätte beim Gut Füstelwag. Herrenhäuser und Hammerwerke prägen noch immer das Ortsbild; besonders sehenswert der Pfannenhammer im Ortsteil Wenten. Am Kirchenkogel thront die gotische Pfarrkirche Ml. Johannes und Nikolaus aus dem 14. Jahrhundert; an den Seitenaltären Bilder von Kremser Schmidt. Hollenstein ist im Übrigen der Hauptort des Naturparks Eisenwurzen, der mit waldreichen Schluchten, Urwaldresten, Wasserfällen und anderem mehr lockt.
Waidhofen an der Ybbs#
Schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts war Waidhofen an der Ybbs die Stadt mit mehreren Wehrtürmen und sicheren Stadttoren stark befestigt. Entlang der Ybbs entstanden schon sehr früh zahlreiche Hammerwerke. Für das 14. Jahrhundert sind bereits Zünfte der Klingenschmiede, Messerschmiede, Schleifer, Panzerstricker (Kettenpanzer) sowie der Feil- und Zirkelschmiede nachzuweisen. Im 15. Jahrhundert waren 100 (!) Messerschmiede, 60 Klingenschmiede sowie an die 90 andere Eisenverarbeiter in Waidhofen tätig. 1501 wurde der Streit zwischen Steyr und Waidhofen zugunsten Steyrs entschieden. Das Eisen durfte nur über Steyr und nicht mehr entlang der Ybbs bezogen werden. Die Waidhofener verlegten sich daraufhin auch sehr erfolgreich auf den Lebensmittelhandel; die Sensen- und Sichelindustrie blühte aber weiterhin. Das mittelalterliche Stadtbild ist bis heute weitgehend erhalten geblieben.
Vom ursprünglichen Schloss steht heute noch der mächtige Bergfried aus dem 14. Jahrhundert. Die spätgotische Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena und hl. Lambert weist ein sehenswertes Netzrippengewölbe auf. Besonders hervorzuheben ist ihr Flügelaltar, der von der Spitalskirche hierher gebracht wurde. Der größte Schatz der Kirche ist die ein Meter hohe Messerer-Monstranz, eine mit wertvollen Edelsteinen verzierte hervorragende mittelalterliche Goldschmiedearbeit. Das Heimatmuseum am Oberen Stadtplatz birgt Interessantes aus der ehemaligen Eisenverarbeitung. Sehenswert ist überdies der Buchenberg, der Hausberg der Waidhofner. Er ist seit 1980 Erholungswald und seit 1987 Naturpark und Top-Ausflugsziel Niederösterreichs.
Amstetten#
Das Ende der Eisenstraße war wohl Amstetten. Die Bezirkshauptstadt Amstetten liegt im Ybbsfeld an einer wichtigen Ost-West-Verbindung. Hier führte auch die Limesstraße, die Fernverbindung der alten Römer, vorbei.
An bemerkenswerten Bauten sind die spätgotische Stadtpfarrkirche St. Stephan zu nennen, sodann die Pfarrkirche Herz Jesu, eine monumentale neoromanische Basilika (erbaut zwischen 1899 und 1931) und die neoromanische Klosterkirche. Kunsthistorisch bedeutend sind die Wandmalereien der Schlosskapelle im nahe gelegenen Schloss Ulmerfeld. Die Fresken stammen aus dem Jahr 1370 und stellen Szenen aus der Ulrichslegende dar.
Ybbsitz#
Eine weitere Variante der niederösterreichischen Eisenstraße führt uns die Kleine Ybbs aufwärts in das Schmiedezentrum Ybbsitz, das nicht von ungefähr die „uralte kaiserliche Werkstatt" genannt wurde. Es war ein sehr bedeutender Industrieort der Eisenwurzen, wo aber auch die Pfannen- und Kupferschmiede eine Rolle spielten. 1797 wurden zum Beispiel 30.000 Säbel für Wien erzeugt. 1859 gab es in Ybbsitz noch 60 Hammerwerke und auch heute noch sind Schmiedewerkstätten in Betrieb. Im ehemaligen Amtshaus des Stifts Seitenstetten befindet sich das Heimatmuseum mit der Ausstellung von Schmiedewaren. Zu einer Attraktion ist die drei Kilometer lange Schmiedemeile geworden.
Gresten#
In östlicher Richtung gelangen wir weiter nach Gresten, das in einer breiten Mulde bereits im Tal der Kleinen Erlauf liegt. Für 1588 sind 16 Eisen verarbeitende Betriebe nachgewiesen, von denen mehrere bis 1933 in Betrieb waren. Heute befindet sich hier eine Zweigstelle der Ybbsitzer Weiserwerke. Sehenswert sind eine ganze Reihe ehemaliger Hammerherren-Häuser sowie die gotische Pfarrkirche hl. Nikolaus.
Gresten liegt im ehemaligen Versorgungsgebiet der Radwerkarbeiter am Erzberg. Es war damit verpflichtet, das nördliche Abbaugebiet des Erzberges mit Proviant, sprich: Getreide und Schmalz, zu beliefern. Im Tausch kam minderwertiges Eisen, so genanntes Provianteisen, ins Erlauftal und wurde dort zu Pfannen, Hufeisen, Nägeln und verschiedensten Werkzeugen verarbeitet. Dokumentiert sind diese Vorgänge im Proviant-Eisen-Museum, das an Wochenenden und an Feiertagen besichtigt werden kann.
Scheibbs#
13 Kilometer sind es von Gresten bis Scheibbs im Erlauftal. Die heutige Bezirksstadt wird schon 1160 urkundlich erwähnt; bald wurde sie „Landesfürstlicher Markt" und durch Stadtmauer und Wehrtürme befestigt. Über landesfürstlichen Auftrag erhielt Scheibbs die Verpflichtung, den Innerberg (Eisenerz) mit Lebensmitteln zu versorgen. Daneben entstand aber auch eine Reihe von Hammerwerken. „Scheibbser Eisen" wurde bis Wien gehandelt. Die spätgotische Hallenkirche hl. Maria Magdalena zeigt eine barocke Inneneinrichtung. Das ehemalige Schloss mit Arkadenhof ist heute Amtshaus und beherbergt das Schützenscheibenmuseum. Scheibbs erreicht man über Lunz und Gaming im Übrigen auch von Göstling an der Ybbs her.
Lunz am See#
Der schöne Marktflecken Lunz am See am Fuß des Dürrensteinmassivs ist vor allem durch seinen romantisch gelegenen See und die Narzissenblüte im Frühjahr berühmt. Auch hier entstanden mehrere Hammerwerke, an die heute noch Gewerkenhäuser erinnern.
Das Amonhaus ist einen Besuch wert. Die Bezeichnung "Amonhaus" verdankt dieses herrliche Gebäude dem Hammerherrn und Patrioten Johann Franz von Amon, der von 1784 bis 1825 Besitzer war und sich in Kriegen gegen Napoleon I. auszeichnete.
Gaming#
Elf Kilometer in nördlicher Richtung liegt in einem von hohen Waldbergen umgebenen Kessel Gaming. Entlang des Gamingba-ches entstanden seit dem 14. Jahrhundert eine ganze Reihe von Hammerwerken und Nagelschmieden. Die starke Abholzung in der Umgebung für die Erzeugung von Holzkohle wurde durch die Eröffnung eines Steinkohleabbaues in Mitterberg bei Gaming (bis 1960) entlastet. Berühmt ist Gaming auch heute noch durch die Klosteranlage der ehemaligen Kartause Marienthron (erbaut zwischen 1332 und 1342). Die in mehreren Höfen erhaltene Anlage von Mönchszellen wird von der ehemaligen Klosterkirche Mariae Himmelfahrt mit dem hübschen gotischen Dachreiter überragt. Sie war die größte Kartause der deutschen Ordensprovinz. Seit 1983 ist der Komplex Privatbesitz und wird nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten restauriert.
© "Die schönsten Erlebnisstraßen Österreichs" Hilde und Willi Senft