Stöger, Peter #
Teil des Austria-Forum Archivs#
* 24.10.1939 in Linz
† 25.04.1997 in Wien
Bühnenbildner, Maler, Graphiker, Literat
Bildergalerie Oeuvre Werkeverzeichnis Interpretation Presse
Introduktion zum literarischen Schaffen
Tondokument: Peter Stöger liest 1982 aus seinem "monokel des polyphem"
kommentiertes Faksimile "das monokel des polyphem - notizen"
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zu Homer:... stets kriegsbegeistert zeigte sein Onkel Hugo sich
trotz fortschreitender Erblindung ...
zu Klopstock:... sonder Grazie, doch voll Elan erwies sein Vetter Rudolf
sich beim Schlittschuhlauf...
zu Goethe:... der schwarze Rüde, den ein Hundezüchter seiner Mutter
schenkte, hörte auf den Namen Faust; auch wohnte sein Onkel
Otto samt Gattin Mariechen in Frankfurt am Main ...
zu Schiller:... in St.Florian werkte sein Onkel Hans als Glockengießer...
zu Grabbe:... er selbst trank zeitlebens zu oft zu viel —
usw. usw. ...
Mit diesen Worten gab Peter Stöger 1982 im 1. Textauszug auf Seite 14 seines "monokel des polyphem" literarisch einen biografischen Kurzeinblick. Dessen nüchterne Erweiterung liest sich wie folgt:
Peter Stöger wurde am 24.10.1939 in Linz/Donau als Sohn des Bahnangestellten Wilhelm Stöger und dessen Gattin Margarete geboren,die Schwester Christine vier Jahre später. Er besuchte das Humanistische Gymnasium auf der Spittelwiese und ab 1955 die Kunstschule der Stadt Linz (heute Kunstuniversiät), wo er die Meisterklasse für Graphik unter Alfons Ortner 1958 abschloss.
Aus dieser Zeit stammt seine Freundschaft mit dem "Hausrucker" Klaus Pinter, sein Atelierkollege seit 1956. Peter Stöger berichtete im Vorwort des Katalogs zu Pinters Ausstellung "Made in Tyrol" 1988 über ihre Komplizenschaft, u.a.: ... (Auf freier Wildbahn großgezogen: nie wieder domestizierbar!) ...
Wir lasen Lautreamont und kanonisierten Max Ernst und Marcel Duchamp als unsere ersten, ernstzunehmenden Kirchenväter. Wir folgten erzürnt den Spuren Napoleons in der Wildnis der Lobau, wir leerten die letzte Flasche im regnerischen Morgengrauen vor der Albertina, wir pumpten die Zeche und balgten uns im Cafe Sport. Zeitweilig drohte uns die planetarische Zentrifugalkraft aus den Schuhen zu heben, allzeit aber hielten wir uns mit wohltrainier- ter Zentripetalkraft im Lot. Gemeinsam erkletterten wir nächtens den Neustifter Kirchturm, um seine Uhrzeiger auf eine paradoxe Zeit umzustellen ..."
Georg Wacha schrieb 1998 im Anhang von Peter Stögers Buch "Peregrinus", über die Jahre in der Kunstschule und danach bis 1968:
"Auf den Jahresausstellungen der Anstalt im Rahmen der Neuen Galerie im Brückenkopfgebäude trat Peter Stöger erstmals hervor, er war bei der künstlerischen Ausgestaltung des (nun umgebauten) Linzer Hauptbahnhofes mit Wandmalereien beteiligt, er war mit dabei als die Grafikklasse eine Ausstellung im Klingspormuseum in Offenbach organisierte und beteiligte sich am Grafikwettbewerb in Innsbruck.
Als Robert Urmann, der Obmann des Linzer Jazzclubs (dessen Mitbegründer Peter Stöger war), im Gasthof "Goldener Becher" am Römerberg in Linz auch Ausstellungen veranstaltete, zeigte er dort 196o seine Werke. Vor einer Diaschau im "move 1", wie das Lokal bezeichnet wurde, legte Avantgardist Peter Stöger seine Einstellung zur Kunst im "Musischen Kalendarium" einer Zeitung dar:
"Ich bin kein 'gegenstandsloser' Maler, vielleicht nicht einmal
ein 'abstrakter', denn meine Bilder stehen im vollen Erlebnisbezug
zur sichtbaren Wirklichkeit. Meine Bildmotive sind jedoch keine
Hauptworte wie Strauch oder Felsen. Sie stehen mehr mit Tätigkeitswerten in Beziehung, wie wachsen, wuchern und zerfallen.
Die Natur entwirft und erzeugt immer neue Formen, Grundstrukturen und Diagramme, die man überall ablesen kann: im Querschnitt der Baumstämme, in der Äderung der Blätter, in der Erosion der Felsen, in ausgetrockneten Bächen, im Röntgenbild.
Das Erlebnis dieser Formen und Strukturen ist der optische Anlass zur Bilderfindung. Doch beim Malen herrschen andere Gesetze: Sie sind von der Art und Intensität des Erlebnisses diktiert und bestimmen die bewusste Gestaltung meiner Bilder."
In Wien wurden 1963 Stögers Werke zweimal in der Galerie "Junge Generation" ausgestellt.
Seine wichtigste Präsentation in Linz fand 1968 im "Forum 67" in Wilhelm Kollers kleiner Galerie in der Badgasse statt - ein gesellschaftliches Ereignis. Ausführliche Presseberichte gaben Zeugnis. U.a. besagt eine Zeitungskritik zur "öffentlichen Verbrennung": Die Gäste seiner "Fumages" hätten besser ein Taschentuch mitgebracht: Stöger eröffnete mit dem Flammenwerfer. Die Plastikfolien vor seinen Bildern lösten sich in Rauch und Flammen - die Gäste flohen hustend auf die Straße. Allein die pflichtgetreuen Kritiker blieben. Und was sich vor ihren entzündeten Augen aus infernalischen Schleiern von Rauch und Gestank gebar - war es die Kunst? Zwischen den verkohlten Plastikfetzen entstand eine neunteilige Bühnenlandschaft: großformatige Objekte aus Holz, Gips und Schaumstoffen. Ihre materialgerecht strukturierten Oberflächen sind mit der Spritzpistole effektvoll eingefärbt. Leuchtfarben contra Werte aus Schwarz und Grau. Und so erinnerte im ersten Raum der Galerie einiges an Vedovas Kabinett auf der dritten documenta: Verknüpfung der Bilder, Betrachter zwischen den Bildern - versuchte Synthese von Bild und Raum. 1982 sagte Peter Stöger rückblickend, wie es zu der Idee der "Fumages" kam:
"Also diese Bilderverbrennung - es war natürlich ganz etwas anderes, nämlich ein subtraktives Verfahren: nicht etwas durch Umhüllung verändern, sondern durch Enthüllung klarlegen. Auf das Feuer bin ich verfallen, da mir auf Grund der Theatertätigkeit kostenlos Kunststoffteile zur Verfügung standen, aus denen ich mit einem simplen Campingbrenner - Flammenwerfer hat die Kritik geschrieben - Formen herausbrannte. Diese Objekte waren oft einen halben Meter dick, mit herausstehenden Teilen, 4 m breit und 3 m hoch, ungeheure Dinger: ein Environment. Das war mit Plastikbahnen verhüllt, welche sich über Boden und Plafond zogen, die ich, um zu zeigen, was dahinter, zur Eröffnung aufschmolz.
Faktisch ein symbolischer Vorgang: Ich enthülle jetzt, jedoch nicht, indem ich die Bahnen einfach wegnehme, sondern die Hülle wegbrenne, faktisch die Nachvollziehung des Entstehungsvorganges. Eingeleitet habe ich es mit der Flammenschrift auf der Gasse vor der Galerie. Am selben Abend gab es im TV ein Stück der Löwingerbühne. Die Bewohner der Häuser ringsum ließen das Fernsehen sein und schauten alle aus den Fenstern hinunter, und viele Ungeladene drängten noch in die Galerie, Polizei kam schlußendlich auch. Kurzum, es war eine ungemein lustige Sache.
Warum es zu einer USA-Ausstellung nicht gekommen ist, obwohl ich für zwei Monate einen Gratisaufenthalt samt Galerie bekommen hätte: Die Luftfracht der Objekte hätte ich aus Eigenem finanzieren müssen und dies war für mich eine Unmöglichkeit - so ist dies in die Binsen gegangen."
Die eigentliche Tätigkeit Peter Stögers in den 1960er Jahren
war die Arbeit als Bühnenbildner. Eine umfangreiche Liste zeigt diese erfolgreiche Funktion, die Theaterberichte nannten oft seinen Namen, hoben die Wirkung des Bühnenbildes deutlich hervor.
Wolf Dieter Hugelmann schrieb im EXPRESS vom Mai 1969:
"Dabei hat Peter Stöger mit seinem Bühnenbild für die Ateliertheater- Aufführung des "Schilderhauses" ideale Vorarbeit geleistet. Was er sich für das verschlungene Alptraumstück einfallen ließ, hätte auf jeder Weltstadtbühne zu spontanem Beifall geführt. Stögers Ausstattung (er schuf auch die Kostüme) hat Atmosphäre, stammt direkt aus der verspielten und dennoch bedrohlichen Welt Audibertis. Peter Stöger, der seit Jahren im Wiener Keller verdienstvolle Arbeit leistet, sollte endlich einem 'größerem' Direktor auffallen."
Das Jahr 1969 brachte einen harten Einschnitt in der Entwicklung des Künstlers. Der junge Haushalt (Eheschließung 1961, Geburt des Sohnes Marcus 1963) erforderte immer dringlicher ein fixes Einkommen und war der Anlass zur Abkehr vom Leben als Bohemien, es begann "sein bürgerliches Emperiment".
Der Einschnitt war radikal. Fast alle noch im Eigenbesitz befindlichen Arbeiten wurden vernichtet, von nun an war er hauptberuflich als Siebdrucker tätig, mit anfangs noch sporadischen Arbeiten für andere Künstler, z..B.: Wolfgang Hutter, Anton Lehmden,Christian Ludwig Attersee.
Erst 1982 begann wieder - nach einer neuen persönlichen Bindung
mit Helga Schicktanz - die künstlerische Arbeit neben dem Broterwerb. Der Roman "Zweier Trio" wurde gemeinsam mit ihr begonnen; seine Veröffentlichung war erst posthum 2005 möglich.
1982 - 1987 legte der Künstler jährlich in einer privaten Auflage von 100 Exemplaren Textauszüge unter dem Titel "das monokel des polyphem" vor.
Peter Kraft vermerkte im Anhang des 2007 als Faksimile-Sammelband aller sechs Broschüren im Österreichischen Kunst-und Kulturverlag, Wien edierten Werkes u.a.:
Peter Stöger war ein begnadeter Cento-Künstler, d.h. er handhabte das Zitieren und Verfremden von Zitaten als zusammenhängendes, alle seine existentiellen Blößen bedeckendes Tarngewand. Das Cento, in biblisch-religiösem Sinn von Johann Georg Hamann, dem Königsberger Denker und Freund Immanuel Kants, souverän und verkünderisch vorgetragen, wird bei Peter Stöger zur Waffe einer grell-humoristischen Attacke auf die Bösartigkeit und letztlich Unerklärbarkeit der Welt. Das reicht bis zur derbgeilen Zote, zum antikisch auftrumpfenden Priapismus und, im Extrem, zur gezielten Blasphemie.
Durch die "Verwendung pseudoklassischer Formen zur Vermittlung
ganz individueller skurriler und anarchischer Inhalte" wollte
er, so Stöger, die "herrschenden Textgewohnheiten nicht nur ignorieren" sondern sie im "Idealfall auch entlarven." Der Titel legt
auch Zeugnis davon ab, dass es in seinem Gesamtwerk stets um die
Frage ging, inwiefern Denken, Zeichnen und Schreiben, aber auch
die Rezeptionstechniken Lesen und Sehen miteinander verknüpft
sind. Nicht zufällig zitiert er Michelangelos Ausspruch "si dipinge
con il cervello, non con la mano" (man male mit dem Hirn, nicht
mit der Hand) und fügt dem noch ein bekräftigendes "ma si signore
buonarotti" hinzu.
1982 begann der Künstler auch das "projekt graphikon":
term. techn. für den Bildfahrplan im Dienstgebrauch der Eisenbahn; er verwendet ein rechtwinkeliges Koordinatensystem, wobei Ordinate und Abszisse Zeit bzw. Ort bezeichnen. Das Graphikon lässt nicht nur die Abfahrts- und Ankunftszeiten des einzelnen Zuges erkennen, sondern auch sein Zusammentreffen mit Zügen der gleichen und der entgegengesetzten Richtung, d.h. die Überholungen und Kreuzungen. (Brockhaus Enzyklopädie Bd.5)
Als Sohn des Linzer Bahnhofsvorstands waren Peter Stöger die großformatigen Papierbögen dieser Bildfahrpläne mit dem oftmals bizarren Liniengeflecht ihrer Diagramme von Kindheit an vertraut und wurden nun zum Anlass einer umfangreichen Arbeit:
Graphikon LEPORELLO: Faltbuch mit 14 mehrfarbigen, serigraphischen Eigendrucken auf 2 mm Multicolor Karton (im Schuber 31 x 43cm), geöffnet 31 x 6o2 cm.
Graphikon PORTFOLIO: Doppelmappe mit 12 vierfarbigen, handüberarbeiteten Eigendrucken 6o x 82 cm
Graphikon STUDIEN (meist Collagen) hiezu.
Aussehen und Datierungen der letztgenannten Blätter machen jedoch ersichtlich, dass diese
"Studien" - mit wenigen Ausnahmen - keine vorbereitenden Projektskizzen sondern fertige Arbeiten sind, in denen das Graphikonmaterial mit anderem (oft auch anderen Techniken) konfrontiert wird.
Die Blätter des Portfolios hingegen zeigen - trotz ihres unübersehbaren Zusammenhanges - jeweils zwölf konkret unterschiedene Bildsituationen. Der Text ist auf kurze Zitatzeilen reduziert,
erfüllt jedoch eine wesentliche optische Bildfunktion: das
typografische Element innerhalb des geometrisch-objektiven Diagrammrasters und der emotional-subjektiven Handzeichnung.
Der Text des Faltbuches bildet nahezu eine "Erzählung", deren
erstes Wort mit A beginnt und deren letztes mit Z endet.
Das "projekt graphikon" wurde 1984 beim 9. Internationalen Wittgenstein-Symposion in Kirchberg/Wechsel, 1985 im Französischen Kulturinstitut Wien(Palais Clam Gallas) und 1986 in der Oldfather Hall, Lincoln, USA gezeigt.
Zwischen 1984 und 1986 arbeitete Peter Stöger zusätzlich an seinem "projekt hemerologion", dessen Präsentation für 1987 geplant war.
Der Titel, dessen Mehrdeutigkeit Kalender ebenso wie Tagebuch bezeichnet, stand für eine mehrfarbig bearbeitete Kunstglaskonstruktion. Acrylflächen (jeweils 6o x 8o cm) sollten sich in einem
Metallgerüst über ein Raumvolumen von ca. 6 m Länge, 3 m Breite
und 2 m Höhe erstrecken. Die Darstellung zeigte in abstrahierender Form die Entstehung, Variation, Konzentration und Auflösung von Bildelementen in einem zeitlichen Kontinuum (hemerologion).
Der für das Projekt gewählte Grundriss vervielfachte zudem durch
Knicke, Schräg- und Quertellungen, Ein- und Durchblicke innerhalb
der zusammenhängenden Einzelmotive, denen eine "hemerologische
Mensur" durch das vergrößerte graphische Zitat des Herzschlagdiagramms (EKG) als "basso continuo" zugrunde lag.
Die Entstehungsphasen, Variationen, Skizzen und Modelle zum
Projekt sollten in einem übersichtlichen Text- und Bildprotokoll
dokumentiert werden.
September 1986 brachte in finanzieller Hinsicht einen großen Einschnitt. Peter Stöger verlor seine langjährige Anstellung, in den Folgejahren ergaben sich kontinuierlich schlechter dotierte Beschäftigungen. Da nun sowohl keine weitere technische Möglichkeit bestand, um das "projekt hemerologion" fertigzustellen, als auch keine Subvention durch öffentliche Stellen, vernichtete der Künstler das schon recht weit gediehene Projekt.
Trotzdem wurden 1986 die Arbeiten zum "Interlegium" aufgenommen.
Als Werkstatt fungierte die Terrasse des Gartens, den Helga
Schicktanz 1983 gepachtet hatte.
... mir mangelte es just heute an gelber und schwarzer Farbe, sodass ich mich dergestalt wohl oder übel in eine andre Harmonie fügen musste! ... entweder man weiß, was zu tun ist oder man läßt's bleiben! Jegliche Beschränkung des Materials war mir schon immer eine Herauforderung: ein vorgegebener Raster, innert dessen ich umso stürmischer meine gestalterischen Absichten vortragen konnte ... Freilich: ganz ohne "Materie" läßt sich nichts Rechtes gestalten, aber: die Phantasie hilft der Ökonomie doch des öftern recht flott auf die Beine!
Und am 21.7.1987:
Morgen werd' ich also Haarspray oder farblose Lacke (was immer das Billigere sein mag -) erstehen, damit
ich die Blätter endlich übereinander legen kann ... zur Zeit bedecken sie nämlich (wieder einmal) den ganzen Boden des Gartenhäuschens ... Sollte ich die "neueren" Arbeiten ausstellen - nur: womit ich das Ganze bezahlen soll (Plakat, Prospekt, etc.) - das wissen (oder auch nicht?) die Götter ...
Im August 1987:
1 Tag wie (leichtgegorner!) Honig! (Arbeitsmäßig nämlich -) Ha, wie hab' ich gewütet: am Papier .. Jetzt bin ich völlig groggy - alles (Finger, Füße, Augen, Hirn) zittert schlaff vor sich hin ,... ich bin auch recht froh mit meinen Produktionen (obwohl: die Finger meiner Rechten zeigen - neben Farb- und Schmutzspuren - ganz veritable Schürfflecken + aufgerissene Wasserblasen ...)
Im August 1988:
... nun ja: mühseligst - des gebrochenen Beines wegen! - hab' ich mir die Blätter fürs oktoberliche Interlegium zusammengeklaubt .. So hab' ich inzwischen halt nur Notizen (bezüglich des noch zu gestaltenden Untergrundes) gemacht + die komplette Ausstellung in der Lade eingesargt.
... das ist überhaupt das Aller-aller-scheußlichste!! - diese Unbeweglichkeit! Und dazu diese (gewißlich kleinen, aber überaus lästigen) Unannehmlichkeiten: 1 mal juckt es, 1 mal sticht es, 1 mal drückt es ... etc. etc. unterm schönen Scotch-cast-Verband! ... Es rinnt der Schweiß deutlich fühlbar (+ juckend!) zwischen Hülle und Fuß abwärts, es schabt das Schienbein bei jeglichem Schritt an der harten Hülle, es klopft + drückt, es juckt + zwickt es ist der oftzitierte, wenngleich nur selten verspürte "Klotz am Bein", ganz simpel + direkt!
Bei der Eröffnung der Ausstellung "Interlegium" am 4.1o.1988
im Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien, lasen Herbert
Kucera (der für den erkrankten Burgschauspieler Tom Krinzinger
einsprang) und Autor Peter Stöger "Die Wetteraussichten vom
Tage." In der Vorankündigung der Ausstellung schrieb Walther
Lippert in der Zeitschrift "Vernissage" /Okt. 88 darüber:
Der "barometrische Dialog" greift zwar das eine oder andere Leitmotiv aus dem "monokel des polyphem" auf, bezieht sich aber doch vor allem auf "die Aktualität" (in einem freilich recht weiten Sinn) und zeigt den Autor erstmals im Kostüm eines kabarettistischen Dramatikers.
Im April 1989 begann Peter Stöger das "projekt diaphanion".
6. Mai 1989:
Je nun: Nicht nur war das Wetter heute eher ein
Un-Wetter (10°), auch die diaphanische Arbeit wurde letzlich
eher eine Un-Arbeit .. Trotz größtem Bemühen + geduldigster (stundenlanger!) Wiederholungen, ließ sich meine Farbe (die vorzüglich
zum Bemalen von Glasflächen geeignet ist!) nicht mit der - inzwischen wirklich dutzendmal gründlichst gesäuberten Spritzpistole, in der gewünschten Art aufsprühen ... mechanisch ist sie in Ordnung! Pure Verdünnung etwa sprüht sie durchaus in der gewünschten Feinheit aus ihrer Schlitzdüse ... nur meine Farbe partout nicht!
... ich hab'mich nunmehr lang genug damit geärgert - es kann nur mehr besser werden (und das bissl Fertige ist wirklich gut!) ...
13. Mai 1989:
Das Schlimmste ist, dass ich (seit heute, d.h.: nachdem ich 8 von 9 Platten im Großen + Ganzen fertig habe!) weiß, wie ich das Alles noch viel besser machen könnte, wenn ich - was leider unmöglich ist, mindestens 1 - 2 Monate ununterbrochen an diesem Projekt arbeiten könnte + dazu eine Halle hätte, in der
ich (mit Gehilfen) die Glasplatten zur optischen Kontrolle nach
jedem Farbdurchgang in die rechte Ordnung zusammenstellen könnte
... wenn ich die dazu nötigen Vorrichtungen + unbeschränkte Farbmenge hätte ...
Im Juli 1989 konnte das "projekt diaphanion" im Wiener Theseustempel ausgestellt werden.
Peter Stögers Kurzinformation hiezu:
Die "Durchsichtigkeit" (Diaphania) wird in dieser Installation im engsten Connex zum dafür gewählten Ort - in mehrfacher Weise thematisiert. Glasplatten (Format 100 x 100 cm) teilen den Raum in Quer- und Längsrichtung, sodaß ein Peripatos vorgegeben ist, der die mehrschichtige Bemalung der Glasflächen von beiden Seiten sichtbar macht ("chronologische Durchsichtigkeit" des Arbeitsvorganges), wobei die teilweise Transparenz der Farben eine wechselnde Intensität der "realen Durchsichtigkeit" ergibt. Zudem bilden die einzelnen Sujets (quasi "naturhafte" Strukturen, denen "geometrisierende" Formen gegenübergestellt sind) einen motivischen Zusammenhang, der von den beiden Schmalseiten des Raumes in der Längsachse jeweils zu seiner Mitte führt.
Am 13.12.1990 schrieb der Künstler aus dem Gartendomizil:
... das Gefühl, so wie die letzten 3 Tage, die nächsten 3 Jahre hier verbringen zu können ... nämlich: ein Paradies, weil ich ungehetzt meinem psychosomatischen Rhythmus nachgeben kann... hätte ich Zeit genug, ich könnte viele (und ganz andere) Arbeiten fertigstellen, die mir - im sonstigen Zeitdruck - niemals möglich wären.... Na, vielleicht gelingt's mir "in der Pension" (vorm Absterben) - wie so vieles, was ich auf diesen Zeitraum verschieben muß ...
1991 brachte dem Rechtshänder einen gebrochenen Mittelfinger an dieser Hand und ein nächstes Ausstellungsvorhaben, das "projekt agnostikon" wurde skizziert: Der Titel benennt ein graphisches(?) Kompendium aus Texten, Zeichnungen, Drucken, Montagen, etc., die aus ("all"-)tägl ichen Notizen, Skizzen, Überlegungen (und der Varianten) die Arbeit dokumentieren (vielleicht auch problematisieren ...), wobei variable Diagramm-Raster den logistisch-formalistischen Hintergrund bzw. Ausgangspunkt bilden - und eingrenzen ... (Details aus Seismographen, Wetterkarten, EKG, etc.) Die wesentlichsten der entstandenen Arbeiten sollen in einer Art "Wandkalender", einem skulpturalen Großbild in Form variabler Stellwände jeweils raumfüllend installiert werden - die begleitenden Studien zum Projekt in Form eines dokumentierenden Werkheftes vorliegen.Daran anschließend sollte das "projekt paralipomena" folgen, wovon sich jedoch über den Titel hinausgehend im späteren Nachlass keine weiteren Unterlagen fanden.
Beide Projekte fanden keine Realisation.
Peter Stögers literarisches opus magnum, "das monokel des polyphem",
sollte nach den sechs Vorarbeiten (1982-1987) aus vier Teilen bestehen,
mit den Untertiteln: Peregrinus (eine Introduktion), Fabian (eine
Variation), Nobile (ein Interlegium), Pudelwein (ein Supplement).
Der Künstler bezeichnete im Katalog zur Ausstellung 1984 den Inhalt seines "projekt graphikon" als "Stationen eines agnostischen Kreuz- und (Quer-)Weges."
Und meinte am 21.7.1987 (siehe Anhang des Sammelbandes "das monokel des polyphem" 2007) anlässlich der Problematiken bei der Entstehung der graphischen Blätter zum "Interlegium" scherzhaft?:
"Mutter Aja (Ah-ja?!) liest mir aus der farbverklexten Linken (Handfläche): "Nach ewigem Ratschluss sollst sterben du vor deinem Ruhm ..." (oder so ähnlich-)."
Beide Äußerungen können nun im Rückblick auch als nahezu prophetische Definitionen seines zu früh abgelaufenen Künstlerlebens gelten. Peter Stöger starb am 25.4.1997 in Wien.