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Werk: Die Zweihundertzwanziger#

(Der Zwischenkriegs-Tourer)#

von Martin Krusche

Österreich hatte nach dem Großen Krieg die Konsequenzen der Rolle des ersten Angreifers zu tragen, die Traumata, die Nöte, dazu Reparationszahlungen sowie Rohstoff- und Devisenknappheit. Das zwang die noch recht junge und vorzügliche Kraftfahrzeugindustrie des Landes in die Knie. (Es fehlte ja auch an kaufkräftiger Kundschaft.)

Der Börsenspekulant Camillo Castiglioni beschloß, das Grazer Werk, welches Johann Puch aufgebaut hatte, zu liquidieren. Er bestimmte den Ingenieur Giovanni Marcellino zum Vollstrecker dieses Auftrags. Der empfahl seinem Boss allerdings, Graz als Standort für die Zweiradproduktion zu erhalten. So führt dann die Geschichte bis in unsere Gegenwart, wobei Magna Steyr die Nachfolge der Steyr-Daimler-Puch AG angetreten hat.

Der meisterhafte Tourer von Marcellino, wie ihn die Jahrzehnte gezeichnet haben. - (Foto: Martin Krusche)
Der meisterhafte Tourer von Marcellino, wie ihn die Jahrzehnte gezeichnet haben. - (Foto: Martin Krusche)

Marcellino löste seine Vision ein, indem er den Zweitaktmotor optimierte, leistungsfähiger und sparsamer machte. Der von ihm in Graz eingeführte Doppelkolben-Motor möppelt uns noch heute um die Ohren, wenn wir auf den Straßen wieder viel öfter Puch-Motorräder aus den 1950er Jahre sehen, die teilweise sogar von ganz jungen Leuten erhalten und gefahren werden. Die Schrauber und Sammler haben Nachwuchs in der nächsten Generation.

Vorkriegsmotorräder verlangen allerdings nach erfahreneren Händen. Ein Routinier dieses Genres ist der Gastwirt Gottfried Lagler, Repräsentant der ÖGHK: Österreichische Gesellschaft für historisches Kraftfahrwesen. Lagler besitzt ein Spitzenprodukt der Ära Marcellino, die Puch 220.

Gottfried Lagler will das Fahrzeug in genau diesem Zustand erhalten. - (Photo: Martin Krusche)
Gottfried Lagler will das Fahrzeug in genau diesem Zustand erhalten. - (Photo: Martin Krusche)
Etwa so sah die 220 ursprünglich aus, hier im Johann Puch Museum Graz. - (Photo: Martin Krusche)
Etwa so sah die 220 ursprünglich aus, hier im Johann Puch Museum Graz. - (Photo: Martin Krusche)

Dieses Modell wurde von 1926 bis 1929 gebaut. Lagler entschied, das Prachtstück nicht zu restaurieren, sondern zu konservieren. Die Jahrzehnte haben auf das Gerät eingewirkt, genau das soll sichtbar bleiben. Er sagt: „Es gibt ja so gut wie keine mehr, die noch in dem Zustand sind. Das möchte ich erhalten.“ Allerdings soll die 220 technisch sanft stabil gemacht werden und wenn die Kolben bloß wegen der langen Stehzeit ein wenig stecken, beizeiten auch der Motor wieder laufen.

Um es noch einmal herauszustreichen: Die Puch 220 ist das Spitzenprodukt jener Zeit und damit quasi die prominentes „Großmutter“ der heute noch populären Puch-Motorräder. Ihr unverwechselbarer Motorenklang kommt daher, daß sich ein seit damals verfeinertes Zweitakter-Doppelkolben-Triebwerk durchsetzte, das erst beim letzten Grazer Modell, der Puch M 125, von einem Motor mit Einzelkolben abgelöst wurde.