Werk: Sturm#
(Keine Wetterlage, ein Getränk)#
von Martin KruscheWenn der Sommer alt wird und der Herbst spürbar, kommt der Sturm. Das fällt in der Steiermark nicht unter den Wetterbericht, sondern meint einen Genuß in Weiß oder Rot, der beizeiten auch mit „Kastanien und Sturm“ angekündigt wird. Ein trüber, süßer Traubensaft wandelt sich durch die Gärung zum Traubenmost und ist so auf dem Weg zum Wein. Die Bezeichnung Sturm erklärt sich von selbst, wenn man etwa das Getränk in Flaschen abfüllt, welche nur leicht verschlossen werden können, und die man besser nicht schüttelt. Der Gärungsprozeß läßt den Traubenmost dann überschäumen, belebt ihn aber ohnehin auch dann sehr, wenn man die Flaschen ruhig abgestellt hat.
Der Abbau von Glucose zu Ethanol, das klingt ein wenig uninteressant. Simpel ausgedrückt: Zucker wird zu Alkohol. Das erlebt man beim Genuß von Sturm anschaulich durch die noch vorhandene Süße des Getränks, die im Mund für Geschmacksexplosionen sorgt, aber auch durch das Schimmern, welches einem nach einigen Gläsern zwischen den Ohren aufblüht.
Dabei mag einem deutlich werden, was das für ein Genuß für jene Menschen gewesen sein muß, die einst im kargen und harten Leben der agrarischen Welt wenig Vergnügen finden konnten. Für die meiste Zeit hatte der Großteil dieser Menschen nur Wasser zu trinken, denn Bier oder Wein zu kaufen verlangte nach dem Geld, von dem man wenig bis nichts besaß. Sturm und der Most von Äpfeln oder Birnen bekamen in diesem Zusammenhang spezielle Bedeutung.