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Notiz 003: Markante Positionen#

(Einige Jubilare)#

von Martin Krusche

Ich bin Jahrgang 1956, gehöre also zu jener Generation, in der sich schon Youngsters eigene Autos leisten konnten, weil genug billige Gebrauchtwagen herumstanden. Das hatte es davor noch nie gegeben. Zugleich war ich von Menschen wie meinen Großeltern umgeben, denen Automobile zu teuer erschienen, die also auf einen eigenen Fuhrpark verzichtet haben, während wir als vierköpfige Familie zuweilen bis zu fünf Kraftfahrzeuge besaßen.

An diesen Prototypen von 1978 war noch vieles handgschnitzt, Fotos davon sind kaum erhalten. Dieses stammt aus einer Dokumentation aus dem Puchwerk. (Foto: Archiv Krusche)
An diesen Prototypen von 1978 war noch vieles handgschnitzt, Fotos davon sind kaum erhalten. Dieses stammt aus einer Dokumentation aus dem Puchwerk. (Foto: Archiv Krusche)

Das bedeutet, was Ende der 1950er als Motorisierungswelle losschwappte, hatte in den 1970ern die Gesellschaft durchdrungen. Siehe dazu das Teilprojekt: Der kurze Sommer des Automobils (Martin Krusche & Matthias Marschik)

Das laufende Jahr gibt Anlaß, ein paar runde Geschichten zu betrachten, die von Graz ausgingen. Die 2019er Jubilare stehen in einem interessanten Kontrast zueinander. Der Reihe nach: Haflinger und Daisy (Puch DS 50) kamen 1959 auf den Markt, das Puch Maxi 1969 und der Puch G im Jahr 1979. Überdies wären da „130 Jahre Puch Fahrräder“ zu beachten.

Die älteste erhaltene Rechnung, von der wir wissen, ist unter der Bezeichnung „Johann Puch“ ausgeführt, also in eingedeutschter Schreibweise. Sie erging an den Likörfabrikanten Josef Mlekus. Diese Rechnung stammt vom 2. Juli 1989. (Der Altmeister, ethnisch ein Slowene, schrieb sich ursprünglich Janez Puh.)

Die Fahrräder standen für eine soziale Revolution, brachten Ende des 19. Jahrhunderts die individuelle Mobilität der Menschen in weiten Kreise auf eine neue Ebene. Mit den Kraftfahrzeugen dauerte das bei uns viel länger.

Wir haben schon vergessen, wie teuer es eben noch war, sich ein Auto zu kaufen und es zu erhalten. Bevor Ende der 1950er Jahre die Volksmotorisierung Österreichs auch auf vier Rädern gelang, hatte sie auf zwei Rädern durchgeschlagen. Der Gesetzgeber schuf damals das Regelwerk, dank dessen man plötzlich ein Kraftfahrzeug ohne Führerschein fahren durfte, wenn der Motor bloß 50 ccm hat und beim Fahren ein Limit von 40 Km/h eingehalten wird.

Puch war nicht der einzige Anbieter des neuen Kraftfahrzeugtyps, aber in Österreich sehr bald überragender Marktführer. Wann? Ab 1954 kam die Stangl-Puch in die Gänge, tauchte diese Puch MS 50 in der Presse und auf den Straßen auf. Im Jahr 1959 folgte die Daisy, amtlich: die Puch DS 50. Man könnte sagen, eine Stangl-Puch 2.0, extended version.

Der adaptierte Halbschalenrahmen, die Schubschwinge am Vorderrad, Schürze und Trittbretter. Hoch die Tassen! Die Daisy wurde heuer 60. Mit dem Starrheck-Maxi von 1969 begann schließlich eine Fahrzeuggeschichte, die bis in unsere Gegenwart immer noch auf der Straße stattfindet.

Inzwischen kommen über das Segment der Youngtimers und Alltagsklassiker andere Puch-Mopeds und so manche KTM wieder ins Spiel. Vor allem junge Leute haben entdeckt, daß alte Puch-Mopeds robust und leistbar sind, von geschickten Schraubern selbst gewartet werden können, daß sie noch dazu im Auftritt einen Wow-Effekt liefern. Die M-Serie, die Monza, womöglich eine wassergekühlte Cobra… Naja die gehört zu den Raritäten.

Die Blaue Zweisitzer feiert 2019 ihren Sechziger. (Foto: Martin Krusche)
Die Blaue Zweisitzer feiert 2019 ihren Sechziger. (Foto: Martin Krusche)

Das paßt gewissermaßen als Kolorit zur aktuellen Phase des Umbruchs. Kraftfahrzeuge mit konventionellen Verbrennungsmotoren ergeben immer noch die Massenbasis individueller Mobilität. Das wird natürlich so nicht bleiben. Technologische, wirtschaftliche und ökologische Gründe treiben die Veränderung voran.

Die großen Emotionen, mit denen auffallend viele Menschen am herkömmlichen Automobil hängen und sich gegen neue Konzepte empören, hat etwas Rührendes. Umbrüche und Adaptionsphasen werfen ja seit jeher soziale Konflikte auf. Darin sind wir offenkundig noch nicht schlauer geworden.

Zur Erinnerung, das Automobil, wie wir es heute nutzen, kristallisierte sich Mitte der 1880er Jahre heraus. Um 1900 konnten sehr wohlhabende Leute unter den Kleinstserien verschiedener Anbieter wählen. Zwischen 1905 und 1910 verdichtete sich das Angebot, setzten sich bei uns Vierzylindermotoren durch, wuchsen die Kleinserien-Produkte.

Rund um 1910 stiegen die Stückzahlen markant, denn die Zweite Industrielle Revolution brachte in der Produktion große Automatisierungsschritte, was die Preise sinken ließ. Dennoch blieb der Erwerb und Erhalt eines Autos noch so teuer, daß Privatfahrzeuge bis zum Zweiten Weltkrieg nur einen Bruchteil des Autoverkehrs auf unseren Straßen ausmachten.

Nicht zu vergessen, daß die Arbeiterschaft quer durch das Erste Maschinenzeitalter für den rasanten Fortschritt mit üblen Lebensbedingungen zahlen mußte. Die Arbeiterbewegung kämpfte zum Beispiel anfangs darum, daß Kinder nicht mehr als zehn Stunden pro Tag in der Fabrik arbeiten müssen.

Eine Tages-Arbeitszeit von14 bis 16 Stunden war damals weit verbreitet, die billigere Kinder- und Frauenarbeit wurde vielfach bevorzugt. Die Forderung „Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung“ stammt übrigens schon aus der Zeit um 1810.

In Österreich war es der Politiker Ferdinand Hanusch, dem es gelang, 1918 den Achtstundentag in Fabriken Gesetz werden zu lassen. Die 40 Stunden-Woche wurde bei uns zwischen 1969 und 1975 schrittweise Realität.

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