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Notiz 035: Bleiben wir im Gespräch!#

von Martin Krusche

Ich kann heute einfach nicht sagen, ob es schlimmer geworden sei. Es ist mir unklar. Manche Menschen, wenn sie sich mit ihren Ansichten nicht durchsetzen können, zeigen ansatzlos eine überraschende Angriffslust. In meinen Kindertagen war das noch eher hierarchisch geordnet. Das besagt zumindest meine Erinnerung.

Der Vortragende Helmut Haberl. (Foto: Martin Krusche)
Der Vortragende Helmut Haberl. (Foto: Martin Krusche)

Damit meine ich, es kam nur selten vor, daß jemand voller Unvernunft gegen einen Stärkeren losschlug. Meist hieben Stärkere auf Schwächere ein, das Umgekehrte blieb der Sonderfall einer aus dem Gleis fahrenden Emotionalität. Das heißt, Unmut floß von oben nach unten. Ist das Ausleben von Wut demokratischer geworden? (Augenzwinkernd!)

Kürzlich fanden auf Schloß Freiberg (Ludersdorf) drei sehr kontrastreich programmierte Kulturtage statt, die von der Initiative Fokus Freiberg organisiert wurden. Zu den nachhaltigen Eindrücken zählten etwa die Hackerspace-Aktivitäten der Gleisdorfer Formation machquadrat. Das mündete in einen sehr anregenden Vortrag von Helmut Haberl, wodurch deutlich wurde, daß die Hacker-Ethik das Zufügen von Schadet ächtet. Was ins Kriminelle führt, sind die Cracker.

Hacker und Cracker, zwei grundverschiedene Positionen. Das interessante an diesem Thema: Hacking meint eine Art der Selbstermächtigung und des Kompetenzgewinness, indem man zum Denker und Tüftler wird, der Probleme mit dem löst, was grade vorhanden ist.

Also kein Geld raushauen und kaufen, was einem gerade einfällt, sondern überlegen, wie man auf smartere Art etwas für seine Bedürfnisse tun kann. Haberl macht auch klar, daß darin ein Appell zur Achtsamkeit und zur Selbstbeschränkung liegt. Das meint nicht, sich zu kasteien. Das meint, man möge herausfinden, was für einen genug ist und wie man das, dieses Genügende, mit eher geringem Aufwand sichern kann.

Kein ideologischer Zwang. Keine apodiktischen Gebote. Einfach Anregungen und Empfehlungen; vor allem auch zu einer Art Gemeinwesenorientierung. Man lernt Leute kennen, man pflegt sein Netzwerk, ohne es zu mißbrauchen. Niemand ist alleine schlau. Wechselseitige Hilfestellung gehört zum guten Ton. Es gilt als unangebracht, auf Kosten anderer zu expandieren.

Wenn das Schloß zum Hackerspace wird... (Foto: Martin Krusche)
Wenn das Schloß zum Hackerspace wird... (Foto: Martin Krusche)

Ich schildere das so ausführlich, weil wir nach dem Vortrag eine bemerkenswerte Erfahrung machten. Ein Mann mittleren Alters ereiferte sich in der angehenden Debatte recht rasch und äußerte sich heftig im Ausstreuen eher klischeehafter Behauptungen. Ja, wir wissen, wie die Welt ist, nämlich schlecht. Und alle Menschen sind… Halt!

Es gehen bei mir stets Alarmlichter an, wenn jemand sich zur Beschreibung der Welt aufrafft und dann Sätze mit diesem „Alle Menschen sind…“ beginnt. In diesem Fall war es ein maßloses Konsumverhalten, das der Mann kritisierte, schließlich auch einige andere Aspekte einer eher schlampigen Gesellschaftskritik vortrug. Freilich nichts darunter, was wir nicht schon aus der Leserpost unserer Boulevardpresse kennen würden.

Ich warf zwischendurch ein, darunter seien mir zu viele sektenhafte Klischeesätze, ich hätte es gerne viel konkreter. Wie ereignet sich das Leben hier in unserem Lebensraum, in der Region? Was sind Stärken und was Schwächen? Was läßt sich mit den Stärken anfangen? Das sind die Dinge, die mich interessieren, während ich von den ganz allgemein gehaltenen Problemkatalogen schon einen turmhohen Stapel zum Altpapier gebracht habe, denn diese Makulatur braucht niemand.

Der auffallend verhaltensoriginelle Mann zeigte auf diesen Vorschlag, vielleicht konkreter zu werden, jene eingangs erwähnte Angriffslust, was mir folgenden etwas schlampigen psychologischen Befund einbrachte:

„Du bist auch so ein scheiß Hirnwichser.“
„Von dir nehme ich das als Kompliment.“
„So war es aber nicht gemeint.“
„Hab ich mir schon gedacht.“

In der Folge bekam der Mann von anderen Anwesenden die Auskunft, daß sie seine aggressive Art als belastend empfänden, als Zumutung. Darauf ging er „eine rauchen“ und war verschwunden. Was bleibt von dieser Szene?

Ich denke, es bewährt sich als Faustregel: Wer die Argumente der anderen Leute angreift, sucht die Debatte. Wer statt dessen die anderen Leute angreift, will sich gegen die übrigen Anwesenden durchsetzen.

Wo immer Menschen sich auf ein Thema einlassen, werden sie - anlaßbezogen - entscheiden müssen, was ihnen akzeptabel erscheint. Sind Argumente zur Sache willkommen? Sind Argumente zur Person zulässig? Eigentlich wäre stets zu empfehlen: Bleiben wir im Gespräch! Aber wer andere erkennbar zu seiner Statisterie machen will, wird eventuell aus dem Raum gebeten werden.

Im Gespräch bleiben, auch wenn es zum Dissens führt, zu unvereinbaren Ansichten, wäre doch die interessantere Situation gegenüber einem Wettrennen der Meinungen, bei dem nur eine Person übrigbleiben darf.