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Bild 'grottenhof'

Allerhand Allrad-Automobile#

(Die 2022er Van Days nahe Leibnitz und etwas an Hintergrund)#

von Martin Krusche

Das Bauwerk erstaunte mich, hat eine Dimension, die nicht aus der gewöhnlichen bäuerlichen Welt der Region entstanden sein konnte. Da ich erstmals dort angekommen war, mußte ich das erst recherchieren. Was hat es mit der riesigen Hütte auf sich? Ah ja!

Wo im 16. Jahrhundert noch ein Renaissanceschloß bestand, hat man freilich auf anderem Niveau gewirtschaftet als die regionale Bauernschaft. Es galt erst einmal als eine protestantische Gegenposition zu Schloß Seggau. Ich nehme an, man war der brutal exekutierten Gegenreformation in Österreich wohl nicht lange gewachsen. (Mitte des 18. Jahrhunderts vom Bistum Seckau ersteigert.)

Heute ist es das „Besucherzentrum Grottenhof“, eine Mischung aus Umschlagplatz für regionale Produkte, Kultur- und Eventzentrum, in Verbindung mit dem Naturpark Südsteiermark. Dort fanden die Van Days 2022 statt, bei denen ich mich in Sachen Allradfahrzeuge umsehen mochte und natürlich einige markante Produkte der einstigen Steyr-Daimler-Puch AG finden konnte. Kurios! Ohne einen einzigen interessanten G-Wagen.

Die beiden Haflinger stammen übrigens nicht von den heurigen Van Days. Ich habe sie von einer Jubiläumsveranstaltung im Mai 2019 hierher geholt, um zu zeigen, daß auch ein Hafi als Reisefahrzeug genutzt werden kann. Aber das machen natürlich nur spezielle Enthusiasten, denn der Steyr-Puch 700 AP ist erstens nicht für Langstrecken konzipiert und zweitens – wie man ja sieht – nicht gerade ein Raumwunder.

Bild 'hafi01'
Bild 'hafi02'

So gesehen kommt der Hafi in einer Gesamtdarstellung sehr bald nach einem Fahrradanhänger und verlangt einen Hang zur Langsamkeit. Das sind übrigens, wie Sie wohl vermuten, Unikate. Haflinger mit solchen Aufbauten findet man gelegentlich, auch als Kleinserien, wie etwa die Preining-Version, die als Rettungsfahrzeug in manchen Ausstellungen vorkommt.

Bild 'pinz01'
Bild 'pinz02'

Dann bin ich gleich aktuell bei den Van Days, wo zwei exemplarische Pinzgauer zu sehen waren. Eine ganz puristische Variante, die zum Reisen und Bewohnen allemal geeignet ist, was ich einst auf meine Art erkundet hab. Da war ich mit einem Volvo Kombi in Griechenland unterwegs. Zu zweit, ohne Zelt. Also macht es ein Pinzgauer allemal, wenn man gerne zusammenrückt. Im Kontrast dazu eine Hochraum-Variante, wie man sie garantiert nicht oft zu sehen bekommt.

Bild 'steyr380a'
Bild 'steyr380b'

Von der Dimension her paßt nun der Steyr 380 aus dem Jahr 1951 sehr gut herein. Kein Allradfahrzeug, aber ein netter Zweitwohnsitz, der - gleich dem Haflinger - zum langsamen Reisen geeignet ist. Mit 70 Km/h legt der Wagen die Seitenspiegel an, mehr kann man ihm nicht abverlangen. „Österreichs ältester Camper mit Zulassung“, sagt der Besitzer lächelnd und läßt uns den Motor begutachten.

Da würde nun ein Steyr 680 hereinpassen, mit Koffer oder mit speziellem Campingaufbau, ich hab aber auf dem Set keinen gefunden. Den kenne ich selbst von einer Balkanreise, da waren 80 Km/h das Höchste an Möglichkeiten und die Lautstärke in der Kabine des Stirnsitzers ist brutal.

Bild 'sdpag_12M18'
Bild 'sdpag_golf'

Dimensionssprung: Den Steyr 12M18 in einer Camper-Version findet man leichter, wie mir scheint. Ich denke, da kann man je nach verfügbarem Budget eine Menge Komfort unterbringen. Dazu gleich ein schöner Kontrast. Der Golf Country ist definitiv ein Außenseiter. Dieser VW kam als Golf in "Schlechtwegausführung" mit Allrad von VW und erhielt in Graz einen Rahmen verpaßt, der einen Hauch mehr Bodenfreiheit brachte. Er wird kaum je gelobt, nicht einmal von jenen Technikern, die das seinerzeit realisiert haben. Das macht ihn dafür zur Rarität.

Jetzt aber! VW T2 T3 syncro. Das heißt: Volkswagen Typ 2 (das Modell nach dem VW Typ 1 „Käfer“) T3 (Transporter der dritten Generation) syncro = der in Graz allradisierte Klassiker, dessen Realisierung ganz wesentlich auf Techniker Heribert Lanzer zurückgeht. Parallel dazu die Vorgänger-Genration, ein Typ 2 T2 in der Westfalia-Version, also ein Edel-Camper. Genauer: der T2b mit den Blinkern an der Front, wie er ab dem Modelljahr 1971 gebaut wurde. Westfalia begann übrigens schon 1968, solche Umbauten anzubieten. (Das Gesichtchen verweist auf den Charakter Fillmore aus dem Animationsfilm „Cars“, ein 1960er T1.)

Bild 'vw_T3_syncro'
Bild 'vw_T2_westfalia'

Den sauber aufgestellten VW LT 31 mit seinem Dachboden-Ausbau nehme ich gerne herein, weil er an den Steyr-Puch Noriker erinnert. Das war eine in Graz mit eigenem Verteilergetriebe versehene LT-Version, die nie in Serie ging. Heribert Lanzer sagt, der Noriker sei in Kanada gegen den Iveco ausgeschieden worden. (VW brachte es dann selbst zu einem LT 4×4 mit einer Kraftverteilung von 50:50.) Und im Kontrast dazu ein bulliger Mog, ausgestattet, um in einer Zombie-Apokalypse zu überleben. Der Unimog U 1550 wurde ab 1975 gebaut und war bis 1988 in Produktion. Wir sehen hier also einen gepflegten Langläufer.

Bild 'vw_LT_31'
Bild 'unimog_1550'

Jetzt noch zwei Fahrzeuge, die beide historisch im Willys Jeep wurzeln. Einerseits meine Lieblingsversion des Toyota Landcruiser. Das ist die Frontpartie des J40 aus dem Jahr 1960, nach meiner Kenntnis vollkommen unverwechselbar. (Seinem japanischen Vorfahr, dem 1955er FJ25, sieht man die enge Jeep-Verwandtschaft deutlich an.)

Bild 'landcruiser01'
Bild 'landcruiser02'

Bei Land Rover liefen die ersten Versuchsfahrzeuge auf Jeep-Chassis. Hier sehen Sie einen Defender, wie er bis 2016 gebaut wurde. Der erhält noch breitere Anerkennung. Zum neuen Defender, dem L663 von 2020, hab ich bei den Van Days nichts Freundliches gehört. Mit dem, so heißt es, darf man in der Wildnis, der Steppe, der Savanne keine Panne haben. Der sei nicht „abwaschbar“, also mit halbwegs konventionellen Mitteln reparierbar.

Bild 'landy01'
Bild 'landy02'

Da war es dann interessant, einen Prototypen des Ineos Grenadier näher anschauen zu können. Er soll, so heißt es, jene Qualitäten zeigen, die der neue Defender vermissen lasse. Die Werbebotschaft hängt das Image des Wagens sehr hoch: „Wir bauen einen echten Geländewagen von Grund auf neu. Den robusten Offroader, der Dich überall hinbringt. Und der Deinen Anforderungen gewachsen ist.“ Und wo kommt der überhaupt her? Der Stammsitz: 38 Hans Crescent. Knightsbridge. London SW1X 0LZ. Vereinigtes Königreich.

Bild 'grenadier01'
Bild 'grenadier02'

Postskriptum#

Und wozu dieses Flanieren, Suchen, Zusammentragen? Ich übe derzeit, übe mich in Details und sortiere diese Details in einem Gesamtbild. Das kommt aktuell, weil ich kürzlich mit Fotograf Richard Mayr den Techniker Heribert Lanzer besuchen durfte. (Mayr und ich haben heuer das Projekt „Funkenflug“ gestartet, um ein Stück Kultur- und Technikgeschichte auszuleuchten.) Lanzer ist streng. Ich muß mich also konzentrieren, wenn ich unsere Begegnung aufarbeite. Jürgen Stockmar nannte ihn in seinem Buch über die Allradtechnik eine „Informationsquelle, die offensichtlich nie ausgeschöpft werden kann“.
Techniker Heribert Lanzer
Techniker Heribert Lanzer
Fotograf Richard Mayr
Fotograf Richard Mayr

Das ist ein dezenter Hinweis, womit und mit wem man es zu tun bekommt, wenn man sich mit Lanzer über dieses Thema unterhält. (Da kommt man besser gut ausgeschlafen daher.) Stockmar wechselte seinerzeit von der Audi Rennsportabteilung ins Grazer Puchwerk und war dort Lanzers Vorgesetzter. Sie ahnen, was sich da an Detailwissen und Zeitzeugenschaft bündelt; rund um einen wesentlichen Teil der Automobilentwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Reminiszenz#

Ein Bild, das ich auch noch zusammensetzen muß, handelt von Lanzer, von meinem Mentor Fredi Thaler und von Jagdflieger Heribert Dietrich. Okay, genauer: Testfahrer und Motorsportler. Thaler hatte mich vor ihm nicht gewarnt.
Fredi Thaler (links) war meine erster Offroad-Instruktor.
Fredi Thaler (links) war meine erster Offroad-Instruktor.
Offroad an der Seite von Heribert Dietrich: da beginnt der Ernst des Lebens!
Offroad an der Seite von Heribert Dietrich: da beginnt der Ernst des Lebens!

Als Dietrichs Copilot im Puch G bin ich vor allem damit beschäftigt gewesen, die Anzahl der blauen Flecken, die mir blühten, in Grenzen zu halten, indem ich mich auf alle denkbaren Arten im Fahrgastraum verkeilte, denn die Sicherheitsgurte boten mir zu wenig Sicherheit.

Informationen aus erster Hand.
Informationen aus erster Hand.

Damit will ich ausdrücken, daß man mit Routiniers der Branche ein Fahrvermögen erleben kann, dem flotte Durchschnittsfahrer wie ich nicht einmal in die Nähe kommen. Der G-Wagen ist ja eine Blockhütte mit über zwei Tonnen Gewicht.

Wie Dietrich so eine Fuhre im Gelände bewegt, scheint der Newton’schen Physik zu spotten. Wie das kommt? Dietrich, Lanzer und Thaler waren einst im Trial aktiv und die Buschtrommeln flüstern heute noch, daß sie seinerzeit an Fahrzeugen für Paris-Dakar Außergewöhnliches bewirkt haben. Aber da muß ich erst genauer nachfragen…