Fließheck-Varianten#
(Von einer Debatte über Schönheit)#
von Martin KruscheNorbert Gall ist derzeit Head of Marketing der Firma Lithoz (Hochleistungskeramik), war davor viele Jahre mit Marketing in der Automobilbranche befaßt. Monika Lafer ist Kunsthistorikerin und aktive Malerin. Richard Mayr ist Fotograf. Eine passende Runde, um darüber zu reden, ob denn nun Schönheit ein Inhalt und ein Statement sei oder nicht.
Ich kam in mehreren Gesprächen eindeutig zum Schluß, daß Schönheit eine Relation und kein Inhalt ist. Proportionen spielen dabei eine wesentliche Rolle. Das läßt sich teilweise über klar benennbare Kriterien definieren. Manches aber bleibt offen; egal ob Mensch oder Ding. Dazu hatte Gall eine kleine Auswahl aus seiner Sammlung von Miniaturen mitgebracht. Anschauungsmaterial, um zu klären, wovon wir reden.
Meine Notizen besagen, daß seine Auswahl ausschließlich im Zeitfenster 1957 bis 1965 steht. Gall hat dabei das Lancia Flaminia 3B Coupé von 1963 als ein Maß der Dinge genannt, eine zeitlose Limousine. Doch das Gros seiner Auswahl steht in einem anderen Segment und dekliniert das Thema Fließheck, englisch: Fastback, durch. (Der Lancia von Pininfarina steht hier also für sich.)
Von Ära zu Ära#
Ab den Jahren 1933/1934 hatte gleichermaßen in Europa wie in den USA die Stromlinie Furore gemacht. Einflüsse aus dem Flugzeugbau, der Windkanal, allerhand Klarheiten, daß nicht unbedingt schnell ist, was schnell aussieht. (Der Luftstrom mit seinen Wirbeln ist eine komplexe Angelegenheit.)Ab 1973/1974 setzte sich im Automobildesign die Keilform durch. Giorgio Giugiaro war darin wegweisend, der frühe VW Passat und der Einser-Golf stehen exemplarisch für diese Ära. Flottenfahrzeuge. Aber auch hochpreisige Luxusgegenstände wie der Lotus Esprit oder der DeLorean DMC-12, ebenfalls von Giugiaro gezeichnet, sind markante Keile.
Die Auswahl von Norbert Gall liegt also in der Zeit nach der Stromlinie und vor dem Keil. Kinetische Skulpturen, die von möglichst allen Blickwinkeln aus blendende Erscheinungen sein sollten, um überdies schon im Stehen Tempo und Eleganz auszudrücken.
Das Gall’sche Sortiment für unser Gespräch im oststeirischen Gasthaus Saulauf bietet eine ästhetische Verlaufskurve an; freilich von seinem Sammelgebiet determiniert, weshalb es müßig ist, Modelle zu urgieren, die zwar relevante Beispiele wären, aber in seiner Vitrine nicht vorkommen. Aber es gibt ja mehrere Vitrinen, ich hab auch welche…
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