Die Convention: Kinder, Kunst und Kategorien#
(Betrifft laufende Debatten)#
von Martin KruscheIch bin mit meinen Glossen der Serie „Leben in der Kunst“ derzeit darauf konzentriert, meine Position auf einem konkreten Feld zu präzisieren. Dabei geht es auch um ein berufliches Selbstverständnis im Sinn einer Klärung der Frage: Was ist meine Profession? Mein Beruf ist: Künstler.
Ich lehne es ab, mir über Kategorien wie „Berufung“ oder „Wahre Kunst“ noch weiter den Kopf zu zerbrechen. Das sind Anfänger-Probleme. Wer von einer Instanz außer seiner selbst zur Kunstpraxis berufen werden will, wer zum „Wahren“ womöglich auch noch „Schönes“ und „Gutes“ verpflichten möchte, ist vielleicht in der Theologie besser aufgehoben.
Ich bin Teil eines Teams, das derzeit den „Archipel Gleisdorf“ in Arbeit hat, um ein Feld der Kunst und Kultur aufzumachen, ein Terrain des geistigen Lebens abseits des Landeszentrums. Wir werden uns dabei nicht dem anschließen, was in der Region von anderen Leuten ohnehin schon gemacht wird. Was derzeit einen erheblichen Arbeitseinsatz verlangt, soll uns auf der Höhe der Zeit Perspektiven eröffnen. Daher auch allerhand Klärungsbedarf, was Begriffe angeht.
Wer und was sind wir?#
In diesen Tagen waren mir via Social Media wieder einmal etwas penetrante Selbstdarstellungen verschiedener Künstlerinnen und Künstler auf den Bildschirm geflackert. Ich stoße mich momentan an zwei verhaltensoriginellen Varianten besonders. Erstens das Einweben des Wortes ART in Namen und Headlines. Das wäre so, wie wenn ich, der ich Martin Richard Kusche heiße, ab nun Martin RichaART Krusche schreiben würde.Zweitens das gnadenlose Auswringen der eigenen Biographie unter Nennung höchst unbedeutender Aufenthalte an der Adria, Auftritte in den kleinsten Banken der Provinz, Ausstellungen in Cafés hinter den sieben Bergen und... Genau! „Schon als Kind habe ich...“ „Seit meiner Kindheit bin ich...“
Wenn ich sowas in einer Vita lese, kollabiert meine Aufmerksamkeit. Fehlt bloß noch, daß dann ein Absatz mit dem Titel „Meine Philosophie“ eingefügt wurde. Das meint ja eigentlich: „Mein Ethos“, während man keine Philosophie haben, sondern bestenfalls Philosophie betreiben kann. „Meine Philosophie“ gibt es nicht, bestenfalls „Mein Denken“ und dann eventuell „Meine Gedanken“. Also notierte ich im Facebook den Satz: Features Kunstschaffender, die „Schon als Kind...“ beinhalten, lösen bei mir ansatzlos Fluchtverhalten aus.
Darauf fragte Autorin Karin Klug: Warum?
Kru: ich meine, alle kinder sind von natur aus neugierig, wißbegierig, unternehmungslustig. das ist keine quelle eines künstlerdasins, sondern conditio humana. diese floskel soll lange dauer suggerieren, ist aber ohne aussagekraft. ist mir doch wurscht, was wer als kind getan oder unterlassen hat, wenn ich was über den werdegang kunstschaffender erfahren will. das beginnt imo mit dem entschluß, mit einer selbstermächtigung.
Klug: ok, das versteh ich... und geb dir (ausnahmsweise) recht.
Kru: da wär ja u.a. interessant zu klären, weshalb man kindern so viel von naturgegebenem austreibt. (manche schulen als kadettenanstalten? der wunsch nach einer homogenen untertanenmasse? fügsame frauen?)
Hier nun Künstler Heinz Payer: es gibt vielleicht aber auch fälle, wo sozusagen ein kind diese „selbstermächtigung“ für sich entdeckt, und drauflos kreiert, meinst du nicht? oder aber von der Umwelt wieder „eingefangen“ wird, damit es ordentlich zeichnen und malen lernt…
Kru: ja, das kommt vor. z.b. chris scheuer hat als etwa 4jähriger angefangen, dürer zu kopieren. heute, mit über 70, ist er ein herausragender zeichner. aber ein vierjähriger wird vermutlich nicht sagen: "ich bin ein künstler". mir gehts aktuell ja um etwas mehr klarheit auf unserem set. was ist was und wie kann es gemeint sein?
Autorin Eva Surma: heut hast du aber deine strenge Hose an!
Kru: morgen bin ich wieder netter.
Dann äußerte sich des oben erwähne Künstler Chris Scheuer: Zur Ergänzung: ich hab mich als noch schulfreier Bub dazu entschlossen NICHT Künstler (wie viele meiner Vorfahren) zu werden, sondern Geldfälscher!
Kru: da werdens dir später bei der berufsberatung in der schule eher abgeraten haben.
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