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Ein bosnischer Augenblick.
Ein bosnischer Augenblick.

Das unruhige Europa#

(Einige Gedanken zu Bosnien und Herzegowina)#

von Martin Krusche
Es gibt ein Bonmot, das mit dem Untergang Jugoslawiens merklich an Stichhaltigkeit verloren hat. Frage: „Was unterscheidet Bosniaken, Kroaten und Serben voneinander?“ Antwort: „Sie haben die gleiche Sprache.“

Es gab zwar früher schon regionale Unterschiede, wie wir das überall finden können, wo eine kodifizierte Hochsprache über Umgangssprachen gelegt wurde, aber die politischen Kollisionen der südslawischen Leute haben die sprachlichen Unterschiede vertieft und verbreitert.

Als Švabo hab ich über diese „Ikavica- und Ekavica-Sache“ sowieso nie viel nachgedacht, sondern vor allem die Mentalitätsunterschiede der Menschen anregend gefunden. Ob Kinder Dijeca oder Deca gerufen werden, ist für den Gast völlig egal. Die Zuschreibung – Švabo/Švabica – hatte ich übrigens in der Vojvodina kennengelernt. In einer Region, wo Maria Theresia einst Donauschwaben als „Wehrbauern“ mit besonderen Privilegien ansiedeln ließ. Daher noch heute dieser Ausdruck für Leute aus Deutschland und Österreich.

Das historische Motiv dafür lag darin, die Militärgrenze zwischen dem Reich der Habsburger und der Osmanen nicht menschenleer zu lassen. Ein altes Kräftespiel, das über Jahrhunderte heraufreichte und auch die Oststeiermark geprägt hat. Darauf weist zum Beispiel noch die restliche Festungsanlage von Fürstenfeld und so mancher Tabor hin, wie der von Feldbach.

Aber auch Gleisdorfs Partnerstadt, das ungarische Nagykanizsa, spielte darin als Festungsort eine markante Rolle. Die Deutung der Steiermark als „Brücke und Bollwerk“ bietet uns eine interessante Metapher an, denn das heutige Europa will entschlüsselt und neu begriffen werden. Dabei ist ein Stück Geschichtskenntnis sehr nützlich.

Episodisches#

In meiner Kindheit war meine Mutter nur sehr selten geneigt, uns Semmeln zu kaufen. Dunkles Brot herrschte vor. Dann aber gab es noch ein besonderes Gebäck, für das ich ab und zu mein Taschengeld hinlegte. Es hieß „Bosniakerl“. Die Bezeichnung ist offenbar verschwunden, aber es gibt bei uns noch ähnliche Gebäcksorten. Später fand ich dazu zwei Deutungen. Als „Hadschi Loja-Weckerl“ wurde es mit einem Freischärler assoziiert, der im 19. Jahrhundert einen muslimischen Widerstand gegen die österreichische Okkupation Bosniens angeführt hatte.

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Die Familien von Mehmed Ilansanggić, Jovo Todorović und Adurno Melluzi hatten davon genau… was?

Weit gewichtiger scheinen mir zu dem Thema und für das Steirische die einst in Graz stationierten „Zweier-Bosniaken“ zu sein. Es heißt, in Grazer Bäckereien sei man bemüht gewesen, diesen Soldaten etwas Vertrautes anzubieten. Jenes bosnisch-herzegowinische Infanterieregiment 2 war im Großen Krieg die am höchsten dekorierte Einheit des Kaisers gewesen. Das drückt sich heute noch in einem Soldatenfriedhof nahe Lebring aus, dessen Gräber zeigen, daß dort Katholiken, Orthodoxe und Muslime in gemeinsamer Erde liegen.

Nach Jugoslawien#

Blicken wir in die Gegenwart von Bosnien und Herzegowina, ist unübersehbar, daß dort drei Ethnien das politische Geschehen tonangebend prägen. Keineswegs in einer gemeinsamen Anstrengung. Diese Spannungslage zwischen vor allem bosnischen, kroatischen und serbischen Leuten belastet den Staat erheblich.

Unter solchen Bedingungen und mit der gegebenen historischen Bürde scheint mir das eine besondere Herausforderung zu sein: In die Zukunft zu blicken. Und zu schreiten. Zumal, wie schon erwähnt, mindestens das westlich orientierte Europa völlig neu gedacht werden muß, da wir in einem nächsten Kalten Krieg angekommen sind. In diesem Zusammenhang kann es auch uns in Österreich nicht egal sein, wie es den südslawischen Leuten derzeit geht.