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Die Jahre im Keller: Rock & Roll is here to stay!
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Official Bootleg: Hintergrund #2#

von Martin Krusche

Ich hab die erste Notiz als ein persönliches Statement formuliert, um meinen Ausgangspunkt in diesem Vorhaben zu verdeutlichen. Als Autorin Eva Surma den Maler Heinz Payer und mich zur Teilnahme am „Amselsturm“ einlud, war das unter anderem die Konsequenz einer gemeinsamen Episode im Gleisdorfer „Zeit.Raum“, bei der das Gedicht „Amselsturm“ von Marie Luise Kaschnitz eine Rolle spielte.

Was Surma und Künstlerin Siegi Kleindienst dann für den Ort Großklein inhaltlich angelegt haben, kam konzeptuell als „eine feministische Ausstellung“ auf den Punkt. Dabei wurden Payer und ich als „Zwei Referenzkünstler“ eingebunden.

Eine interessante Aufgabe, die eigene Rolle für so ein Projekt zu klären. Ich erinnere mich an ein Statement von Politiker und Aktivist Günther Nenning, welches ich damals töricht fand. Er ließ die Welt wissen: „Ich bin ein Feminist“. Zwar ist mir klar, was das meint, denn ich sehe Feminismus als ein konsequentes Eintreten für Frauenrechte, was also auch von Männern erwartet werden darf.

Aber es gibt da eine Nuance der Differenz, die ich bis heute nicht aufgehoben oder aufgelöst sehe. Ich hab es in meiner ersten Hintergrund-Notiz so formuliert: „Das bedeutet unter anderem, als Mann bin ich immer ein Repräsentant des Patriarchats, kann mir aber die Freiheit nehmen, nicht sein Agent zu sein.“

Diese Ansicht hat zwei wesentliche Gründe. Erstens bin ich – ganz unabhängig von meinen Intentionen – jeder Frau gegenüber ein Nutznießer der Vorteile des Patriarchats. Das gibt meinem Alltagsleben schlicht andere Rahmenbedingungen als den Frauen, was zwar auch von einigen Nachteilen handelt, aber ich meine, die Vorteile überwiegen.

Kerl-Pose: Der Generalfetisch unserer Kultur in einer besonders räudigen Variante. (Ford Escort Mk I)
Kerl-Pose: Der Generalfetisch unserer Kultur in einer besonders räudigen Variante. (Ford Escort Mk I)

Zweitens ist das Benennen, das Ausüben von Definitionsmacht, eben ein Akt, welcher Macht ausdrückt. Sprache schafft gesellschaftliche Realität. Es würde mir vorerst als eine Art der Anbiederung vorkommen, mich selbst als Feminist zu bezeichnen.

Es ist mir weit wohler dabei, in (m)einem antiquierteren Selbstverständnis mit Frauen zu tun zu haben. Wie meine Einser-Notiz deutlich machen sollte, sehe ich mich nicht als eine Art des „Bekehrten“. Die Anteile patriarchaler Rollenkonzepte und der Aspekte des Machismo sind nach wie vor Teil meiner Identität, sind tragende Elemente meines Selbstverständnisses.

Mit einem Hauch von Selbstironie meine ich, daß ich eher ein entwickelter Patriarch als ein Feminist bin; im Sinn von „Advanced Version“. Dazu haben mir einige zum Teil radikale Erfahrungen verholfen, aber ich hege keinerlei Zweifel, auf welchem Fundament ich mit all dem ruhe. Und das ist in seiner Struktur patriarchal.

Diese Angelegenheit hat aber noch einen übrigen, für mich sehr wesentlichen Zusammenhang. Mein Sohn ist ein anderer Mann, ist nicht wie ich. Freilich findet er in sich Anteile, die er mir zuschreibt. Aber ich meine, er ist im Vergleich zu mir eine milde Seele.

Er wurde nicht von jenen Kräftespielen gezeichnet, die zu meiner Geburt im Jahr 1956 wirksam waren. Diese Umstände und Zustände einer brutalisierten und traumatisierten Gesellschaft, gerade einmal zehn Jahre nach dem Schlachtengetümmel und dem Untergang des Nazi-Faschismus. (Ich komme aus einer Nische der Gewalttätigkeit, meinem Sohn gegenüber gab es keinen einzigen derartigen Moment.)

Verschiedne Rollenkonzepte...
Verschiedne Rollenkonzepte...
...in den jeweils anderen Lebensabschnitten.
...in den jeweils anderen Lebensabschnitten.

Das heißt, ich bin noch im Geist des Ideals vom „soldatischen Mann“ erzogen worden, mein Sohn aber auf grundlegend andere Art groß geworden. Das bedeutet zugleich, ich bin noch lebendiger Teil dieser „alten Welt“ und kein anderer, denn das läßt sich nicht ablegen wie ein schäbiger Mantel. Man kann sich davon abwenden, das ändert nichts an der Herkunft.

Damit will ich sagen, daß ich natürlich nach wie vor der bin, zu dem ich aus diesen Zusammenhängen wurde. Aber ich kann (m)eine Rolle eigenwillig gestalten und hab jede Freiheit, dies zu tun und das zu unterlassen. Sowas kollidiert manchmal mit meinem Wollen. In der Sache gibt es keine Wunder, bloß Prozesse. (Wird fortgesetzt!)