Official Bootleg: Feminismus#
(Die Standortfrage)#
von Martin KruscheZu meinen frühen Lektionen in der Befassung mit der Frauenbewegung gehört der Hinweis darauf, daß es Frauenbewegungen sind. Plural. Da wirkt, was sich auch bei anderen Themen finden läßt: Man generiert keine „Wahrheit“, indem man beginnt Widersprüche zu eliminieren. Der Kontrast ist das Naheliegende.
Ich mag dieses Bonmot, wonach Intelligenz davon handle, daß man über zwei einander widersprechenden Aussagen nicht den Verstand verlieren möge. Daraus läßt sich ferner die Annahme ableiten, daß auch Dissens etwas sehr Anregendes sein kann. Keine feindselige Position, auf die man Jagd machen müßte.
Ich habe den Eindruck, Antwortvielfalt sei geradezu ein konstituierendes Element in den Frauenbewegungen. Das mag vor allem jene irritieren, die gerne „klare Verhältnisse“ haben, was dann vor allem bedeutet, daß sie gerne Kontrolle hätten.
Diese patriarchale Pose drückt sich zum Beispiel da sehr deutlich aus, wo Frauen ihr Leben riskieren, wenn Männer sie als nicht ausreichend fügsam bewerten. Sowas ereignet sich nicht bloß in Afghanistan oder Indien, sondern laufend auch in der Steiermark.
Vielfalt der Aspekte und Kontraste#
Der Feminismus handelt von sehr verschiedenen Erfahrungsbereichen und Denkrichtungen. Es gibt also logischerweise kein „Zentralbüro für Feminismus“, keine „Päpstin“, keine feministische Orthodoxie. Es gibt laufende Diskurse.Daher nehme ich mir die Freiheit, für unsere Arbeit einige Aspekte davon, die mich interessiert und beschäftigt, zu betonen, mich aber nicht für einen „Sachpromotor“ zu halten. Meine Interessensschwerpunkte kommen dann auch in den aktuellen Projektzusammenhängen vor, während ich mich bei anderen Aspekten des Feminismus nicht für versiert halte, mich also nicht exponiere.
Zugänge und Aspekte#
Wir haben im Archipel nun aufgrund von Kooperationssituationen schon ein paar Anlässe gefunden, das Thema Feminismus explizit aufzugreifen. Mehr noch, es gab Arbeitsschritte, in denen der Maler Heinz Payer und ich mit Frauen ganz konkret zum Thema Feminismus zusammengearbeitet haben.Mein Zugang? Hinter mir liegen Jahrzehnte der Lektüre einschlägiger Literatur sowie der Gespräche und Debatten mit Frauen, die ich zu wichtigen Punkten befragen konnte. Wenn ich demnach heute Teil eines feministischen Projektes bin, dann bedeutet mir dieser Begriff: Ich halte dabei den Fokus auf Frauenleben, auf das, was für ein Frauenleben innerhalb einer vorherrschenden Männerkultur bestimmend sein mag.
Das kommt meiner Neugier entgegen, weil ich allein schon jenes weit verbreitete Gefälle an Denk- und Handlungsspielräumen sowie Definitionsmacht zwischen den männlichen und weiblichen Teilen der Gesellschaft für einen üblen Mumpitz halte. Faktum ist, daß die Natur Talente und geistiges Potential völlig blind ausstreut. Wie können Gemeinschaften so deppert agieren und wesentliche Teile dieses Potentials – weibliche Intelligenz - durch repressive Kräftespiele vergeuden und vernichten?
Eine Frage von Esprit#
Es ist keineswegs Polemik, wenn ich notiere, daß kluge Frauen in weiten Teilen unsere Gesellschaft nach wie vor nicht willkommen sind, daß sie Widerstände hervorrufen, was einem Verbrennen von Ressourcen gleichkommt. Ich aber will in unseren Vorhaben völlig uneingeschränkt mit klugen Frauen zusammenarbeiten können.Dabei kratzt es mich überhaupt nicht, welche süffisanten Bemerkungen und Spötteleien es mir einbringen kann, wenn etwa zur Sprache kommt, daß ich mit einem feministischen Projekt zu tun habe. (Ich kann jemandem bei Bedarf gerne erklären, was die Merkmale eines Agenten der Blödheit sind und weshalb es so jemand mit mir gleich sehr schwer haben wird, wenn die Sticheleien nicht enden.)
Hinzu kommt nach meinen bisherigen Erfahrungen, daß solche Spötter meist einen erheblichen Mangel an Esprit zeigen, was nach meiner Auffassung als strafbare Handlung gelten sollte. Ich finde es provokant und störend, daß sich jemand ohne die Eigenschaften eines geistreichen Wesens ausführlicher mit mir streiten möchte.
Ich habe übrigens keinen guten Grund, um das, was mich an all dem interessiert, zu systematisieren. (Das erledigen Frauen sehr gut selbst.) Auch käme ich nicht auf die Idee, mich für einen „Feministen“ zu halten. Ich erkunde einfach in teilnehmender Beobachtung einen Teil unseres gesellschaftlichen Lebens; und zwar so, wie ich es auch mit anderen Bereichen tue. Allerdings wissend, daß der Themenschwerpunkt Frauenleben eine spezielle Brisanz hat. Das aber brauche ich nicht zu begründen. Es ist evident.
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