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Feministische Autorinnen: Marlene Streeruwitz (links) und Eva Surma.
Feministische Autorinnen: Marlene Streeruwitz (links) und Eva Surma.

Official Bootleg: Feministische Literatur#

(Notizen zum Genre)#

von Martin Krusche

In meinem privaten Handbüchlein der bevorzugten Mantras steht unter anderem folgender Satz notiert: „Wenn wir keine Begriffe haben, wissen wir nicht, worüber wir reden.“ Man muß dazu kein ausgemachter Semantik-Fan sein. Auch unter einander vertrauten Menschen gibt es wiederkehrende Momente im Sinn von „Lost in Translation“.

Da war dieses Gespräch mit einer jungen Frau, die heuer einen markanten Schritt gemacht hatte. Sie ging aus dem privaten Tagebuchschreiben Richtung Öffentlichkeit, hin zu einem literarischen Schreiben, das sich an ein Publikum richtet.

Bei einem unserer Gespräche über das Schreiben ging es um die Frage, wodurch ein Text zu einem feministischen Text werde. Ich denke, da käme man ohne Antwortvielfalt nicht weit. Meine Ansicht darüber läßt sich - als eine von mehreren möglichen - komplementär dazu lesen.

Ich habe in vielen Notizen meine Überzeugung betont, gesellschaftliche Realität werden nicht nur, aber ganz wesentlich über Medienanwendungen hergestellt. Dabei spielen Sprache und Text fundamentale Rollen. Damit schließe ich mich ferner der Meinung an, daß unser Sprechen ein Handeln ist. Das meint: Sprechen, auch als Text kodifiziert, ist ein Handeln, das zur Realitätserzeugung beiträgt.

Wenn nun Frauen als Autorinnen über Jahrzehnte hinweg an einem Sprachwandel arbeiten, bedeutet das, sie greifen damit auf unsere Vorstellungen von Realität zu. Oder anders formuliert, sie wirken am Erschaffen von Realität mit.

Wer wollte ihnen Sprachkritik und die Arbeit am Sprachwandel untersagen? Mit welchen Argumenten? Beides, unsere Sprache und unsere Realitätsauffassungen, sind per se dynamisch, müssen für Kritik zur Verfügung stehen. Ansonsten würden wir uns alle selbst in einen sozialen und geistigen Knast verfrachten. Außerdem nutzen wir Sprache, um unsere Wertvorstellungen zu kodifizieren, was uns unter anderem eine Art der internen Kataloge von Handlungsanweisungen schafft. (Da sollten Frauen nicht mitreden?)

Ich halte für unbestreitbar, was Sprachwissenschafterin Luise F. Pusch einmal festgestellt hat: „Die Welt kongruiert mit dem Mann.“ Das können Sie an jedem halbwegs gut gefüllten Bücherschrank überprüfen. Bei der Frage, was nun feministische Literatur sei, interessiert mich beispielsweise, ob sich im Text Sprachkritik und Sprachwandel ausdrücken.

Bild 'bootleg15a'

Beim Inhaltlichen meine ich, wenn der Fokus erkennbar auf Frauenleben gerichtet ist, geht es um den Ausgleich einer alten Asymmetrie. Es gab Zeiten, da war der Begriff Frauenliteratur eine abwertende Zuschreibung. Diesen Begriff haben Frauen gewendet, ihn positiv konnotiert, indem sie qualitativ relevante Texte publizierten.

Als Genre-Bezeichnung sagt mir aber heute gegenüber Frauenliteratur die Formulierung feministische Literatur mehr zu. Ich finde, so ist das größere Spektrum besser gefaßt. Sprachkritik, Sprachwandel und der Fokus auf Frauenleben könnten mir völlig genügen, um feministische Literatur zu erkennen. Doch da ist noch eine ganz andere Dimension.

Habe ich bisher ein künstlerisches als ein literarisches Genre gemeint, so wäre da noch das der Theorie zu den Frauenbewegungen. Die sind ja weit älter als der Feminismus. Vermutlich hätte es diese Theorieebene als Teil auch der öffentlichen Diskurse schon viel früher gegeben, wenn den Frauen die Zugänge zur Öffentlichkeit, vor allem das Publizieren, nicht so eingeengt, auch blockiert worden wären.

Heute finde ich manchmal das künstlerisch-literarische Schreiben mit dem Theoretischen, dem Diskursiven verknüpft. Ich finde alle denkbaren Varianten feministischer Literatur, die ein gut dokumentiertes Genre darstellt. Aktuelle Zahlen aus verschiedenen Bereichen des Kunst- und Kulturbetriebs belegen freilich nach wie vor, daß die Asymmetrie andauert.

Frauen müssen immer noch damit rechnen, daß ihre Freiheit öffentliche Diskurse zu führen, zu publizieren, an Medienzugängen von Türhütern nicht abgewiesen zu werden, daß diese Freiheit eingeengt ist, stellenweise blockiert. Möglichkeiten, von denen ich als Autor selbstverständlich annehme, daß sie mir zustehen. Es ist daher nach wie vor unverzichtbar, das Genre zu benennen und zu betonen.