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Bild 'bacon'

Episode XVIII: Brandzeichen#

(Eine Komplexität)#

Von Martin Krusche#

Wir leben in einer Geschichte der Anmaßungen und niemand unter uns ist ohne die Erfahrung, gelegentlich oder andauernd einer Hierarchie unterworfen zu sein, in der man mächtigeren Menschen ausgesetzt ist. Wenn ich es knapp fassen muß: Macht ist der bevorzugte Zugriff auf Ressourcen und auf das Verhalten anderer Menschen.

In eben diesen Zusammenhängen, in den Fragen nach Hierarchien, Macht und Anmaßung, hat Dostojewskis „Der Großinquisitor“ bei mir einst mit Wucht eingeschlagen. Vor allem die Schlußworte der Rede des Inquisitors fand ich atemberaubend. (Dieser Text ist ein Fragment aus „Die Brüder Karamasow“.)

Zitat: „Das, was ich zu Dir gesprochen habe, wird sein, und unser Reich wird gegründet werden. Ich wiederhole Dir: morgen wirst Du selber die gehorsame Schar sehen, die auf den ersten Wink meiner Hand sich zum Scheiterhaufen stürzen wird, um die Kohlen zu schüren, auf welchen Du dafür brennen sollst, daß Du gekommen bist, uns zu stören; denn wenn jemand lebt, der mehr als alle Ketzer unseren Scheiterhaufen verdient, so bist Du es. Morgen werde ich Dich verbrennen.“

Handlungen und Sanktionen#

Das Motiv ist furchterregend: zu verbrennen, was einem mißfällt, wenn man dazu befugt und in der Lage ist. Ein Motiv, das übrigens Martin Scorsese in seinem Film „Silence“ (2016) aufgegriffen hat. Eine Geschichte von der Glut des Glaubens, der Abtrünnigkeit und des Ringens um Wirkmächtigkeit, dargestellt im Zusammenhang der Missionstätigkeit von Jesuiten im historischen Japan.

Ich bin auf dieses Thema zuletzt im Jahr 2015 gestoßen, als ein Video publik wurde, das zeigt, wie Daesh-Leute (ISIS) einen gefangenen jordanischen Piloten in einen Käfig sperrten und bei lebendigem Leib verbrannten.

Wir kennen diese umgangssprachliche Floskel jemanden zu „grillen“, was bedeutet, ihn oder sie – möglichst vor Publikum – unter Druck zu setzen, zu erniedrigen, und dabei keinen Ausweg offenzulassen. In der frühen Ära unserer Netzkultur wurde das, was wir heute als „Shitstorm“ kennen, „Flaming“ genannt.

Bild 'karamasow'

Markierungen#

Im Jahr 2004 habe ich abseits aller Öffentlichkeit, aller Ankündigungen und allen Ringens um Aufmerksamkeit „Diderot in Vincennes“ realisiert. Dazu übertrug ich die acht Kilometer von Paris nach dem ehemaligen Jagdschloß Vincennes auf meine regionale Strecke.

Das ergab eine Markierung beim Portal der Gleisdorfer Stadtapotheke, eine zweite Markierung bei Maisfeldern in Takern, auf der Höhe eines bestimmten Bauernhofes. Der Hintergrund: Im Jahr 1746 verbot die Regierung das Buch „Pensées philosophique“ des französischen Philosophen und Enzyklopädisten Denis Diderot. Seine Gegner verbrannten es. Diderot wurde in Vincennes, eingesperrt. Jean Jaques Rousseau besuchte ihn dort mehrmals.

Um das Geld für die Kutsche zu sparen, ging Rousseau zu Fuß. Um sich dabei die Zeit zu vertreiben, begann er unterwegs zu lesen. Genau das habe ich nachgestellt, weil ich immer wieder gute Gründe finde, Denk-Akte durch ganz konkrete, sinnliche Wahrnehmungserfahrungen zu kontrastieren.

Ich hatte dafür das alte Bändchen Nr. 149 aus der Insel-Bücherei mit mir, übersetzt von Rudolf Kassner. Ich kannte aber ebenso das jüngere Paperback, übersetzt von Wolfgang Kasack. Es ist im Sommer 2003 erschienen. Auf dessen Cover befindet sich allerdings nicht etwa das Bildnis des Kardinalinquisitors Fernando Niño de Guevara, wie es El Greco gemalt hat, sondern ein Ausschnitt jenes Gemäldes, mit dem Diego Velázquez Papst Innozenz X. zeigte.

Dieses Gemälde war Basis der beklemmenden Papstserien, welche uns vom irischen Maler Francis Bacon erhalten sind. Ich hab diesen Kontext heuer schon kurz in „Welt, Wildnis, Kunst“ aufgegriffen. Sie finden „Velasques, Bacon & Wolf“ in einer Reihe von Beiträgen, die ich als Reaktion auf Arbeiten des Joseph Beuys aufgemacht hab. Also auch Beuys. Und Warhol, davor schon Malewitsch, Sie ahnen vielleicht, ich rüttle am 20. Jahrhundert.

Damit bin ich nun einen wesentlichen Schritt vorangekommen, um jenes Themenpaket zu konkretisieren, an dem ich in die nahe Zukunft hinein - gemeinsam mit anderen inspirierten Menschen - arbeiten möchte. Im Sinn einer kollektiven, prozeßhaften Wissens- und Kulturarbeit.

Kontext#