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„Abbildung der Vestung Canischa“, Kupferstich (26 x 18 cm) von Lukas Schnitzer, erschienen 1665
„Abbildung der Vestung Canischa“, Kupferstich (26 x 18 cm) von Lukas Schnitzer, erschienen 1665

Episode XX: Nagykanisza#

(Kontraste und Verbindendes)#

Von Martin Krusche#

Das ungarische Wort „nagy“ bedeutet „groß“. Die Stadt Groß-Kanizsa hat bei den südslawischen Leute Velika Kaniža geheißen, bei Deutschsprachigen Großkirchen. Nagykanisza wird vom „Prinzipal-Kanal“ durchzogen, der Zala und Mur verbindet. (Keine Wasserstraße, eher ein Gerinne.)

Eine stählerne Miniatur auf dem Hauptplatz des Ortes zeigt die einstige Befestigungsanlage, was daran erinnert, daß diese Stadt eine markante Rolle im Bereich der alten Militärgrenze gespielt hat. Das habsburgische Österreich, wie es sich mit Ungarn arrangiert hatte, war da lange in ein Kräftespiel mit den expandierenden Osmanen verwickelt.

In dieses Kräftespiel wurden verschiedene Ethnien miteinander verwoben, wahlweise miteinander konfrontiert. Das reicht bis zu Donauschwaben, die einst in der Militärgrenze angesiedelt wurden, damit dieser Raum nicht menschenleer bleibt. (Wenn mich als Österreicher heute jemand in der serbischen Vojvodina „Schwabo“ nennt, dann erinnert das an solche Zusammenhänge.)

Neben diesen großen Konfliktpotentialen waren stets auch regionale Konflikte wirksam, wo etwa Grenzverschiebungen landwirtschaftliche Flächen ins Nachbarland „abwandern“ ließen, was die Besitzer meist nicht kampflos hinnahmen. Zu all dem kamen erschwerend verschiedene Horden, irreguläre Kampfverbände, Aufständische, Räuberbanden, Akindschi, Haiducken, Kuruzzen... Das Leben in diesem Teil Europas, in Grenzlagen, war stets stark bedroht.

Dabei ging es naturgemäß auch um die Sicherung von Handelswegen. Cisleithanien, so nannte man jenen Teil der 1867 errichteten Doppelmonarchie diesseits der Leitha, bezog beispielsweise große Mengen an Getreide und Fleisch aus Transleithanien, also aus dem Königreich Ungarn (und was dazugehörte).

Miniatur der Festung auf dem Hauptplatz (Teilansicht, Foto: Martin Krusche)
Miniatur der Festung auf dem Hauptplatz (Teilansicht, Foto: Martin Krusche)

Die dort forcierte agrarische Überproduktion kann man sich heute gut vorstellen, wenn man die Steiermark verläßt und die großen landwirtschaftlichen Flächen in jenem Teil Ungarns sieht. Dagegen wurde die Oststeiermark von kleinen Wirtschaften geprägt, die hauptsächlich Selbstversorger waren und nicht für den Markt produziert haben.

Entmilitarisierung#

Das Ende der „Säbelherrschaft“, die Entmilitarisierung des „Confinium Militare”, der „Vojna krajina”, ungarisch: „Katonai határőrvidék“, wurde in den 1850er und 1860er Jahren realisiert. Ein mühsames Verhandeln von unterschiedlichsten Ansprüchen, um die k.k. Militärgrenze „gleich allen Ländern des Kaiserstaates ins rein bürgerliche Staatsleben“ einzuführen.

Ich habe diese Aspekte hier skizziert, um eine Ahnung zu vermitteln, welche Unruhe und welches Gefahrenpotentiale die Menschen dieses Teils Europas stets ertragen mußten. Und zwar zusätzlich zu den oftmaligen Versorgungsproblemen, wenn etwa schlechtes Wetter zu Mißernten führten, wenn mit dem Vieh etwas schiefging, wenn Handelsrouten mit Unterbrechungen belastet wurden.

Bei all dem hat die Notwendigkeit zur Abwehr feindliche Kräfte für erhöhten Aufwand gesorgt und oft genug bedienten sich auch die eigenen Truppen vor Ort, falls es mit der Verpflegung nicht klappte.

Die alte Reichsgrenze#

Wenn ich von Gleisdorf aus nach Hartberg, Fürstenfeld oder Feldbach blicke, ließe sich an jenen Sicherheitsgürtel denken, dem diese Orte so lange gewidmet waren, um die Sicherung der Reichsgrenze gegen Osten zu stärken. Das ist der Zusammenhang, in dem auf der anderen Seite der Landesgrenze auch Nagykaniszsa steht. Diese Aufgaben haben immer enorme Mittel verschlungen.

Nimmt man aktuell noch ein Stück Erinnerung an den Kalten Krieg mit, an den Eisernen Vorhang, an die Konfrontationen zwischen Nordatlantikpakt und Warschauer Pakt, wird deutlich welche Leistungen nötig waren, um nun, in so wenigen Jahrzehnten, aus all dem blühende Orte entstehen zu lassen und dabei den Frieden zu sichern.

Wer bedenkt, wie gefährdet und konfliktreichen das Leben in diesem Teil Europas über mehr als tausend Jahre gewesen ist, mag ein Gefühl entwickeln, was immer noch an Wollen und Bemühen vor uns liegt, um den Status quo zu sichern und dabei die Unterschiede der Gesellschaften in einer Praxis des Kontrastes zu würdigen.