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Anlanden#

(Das Ziel einer Überfahrt)#

Von Martin Krusche#

Es war die letzte Zeit wie ein Schlingern auf unklarer Route. Nach 20 Jahren Arbeit an „The Long Distances Howl“ gibt es eine große Zahl an Optionen, worauf mein Fokus nun gerichtet sein könnte. (Es bleibt im Kern auf jeden Fall beim Themenbogen „Volkskultur, Popkultur, Gegenwartskunst“.)

In diesem Zusammenhang gibt es immer noch viel Klärungsbedarf. Es gibt aktuelle Orientierungsfragen und es gibt reichlich zu tun, um greifbarer zu machen, wofür die Begriffe in einer konkreten Region stehen. Debatte, Reflexion, Konzeptarbeit. Das braucht Zeit und ist relevante Arbeit. Über die Stichhaltuigkeit dieses Satzes haben wir derzeit keinen breiten Konsens.

Zwei Kräfte#

Ich hab mich 2018 bis 2020 schon stark aus jenem Projektreigen herausgenommen, der nur durch die Kooperation mit wirtschaftlich potenten Formationen möglich ist und auf starke Anteile der Kofinanzierung angewiesen bleibt.

Diese zwei Aspekte, wie sie mich aktuell wieder sehr beschäftigen, haben sich vertieft: permanente Beschleunigung und Druck zur laufenden Selbstoptimierung als zwei Kräfte, die von der Kette gelassen wurden. Das wurde durch Corona und restriktive Maßnahmen ab März 2020 noch massiver betont. Ich hatte zuletzt bei der Dexler’schen Kulturkonferenz in Weiz erlebt, was dabei herauskommt. Und ich hab keinen einzigen Einwand gehört. (Siehe dazu am Seitenende den Link „Kulturstrategie 2030. Das Weizer Panel“!)

Tendenzen und Trends#

Der ganze Betrieb tendiert zu völlig durchökonomisierten Meetings, die nicht Erkundung sind, sondern Akquise und Selbstdarstellung. (Solche Momente haben in Weiz dominiert.) Ergebnisse? Lachhaft! All das im Klammergriff einer sich selbst überhebenden Bürokratie, der man folgendes Etikett anheften könnte: „Das einzige, was stört, sind die Künstlerinnen und Künstler“.

Nur wenn man so einen problematischen Modus durchsetzt, kann man genügend Ressourcen freischalten, um den gesamten Verwaltungsaufwand zu bewältigen, der sich etwa aus Kofinanzierungen von Landes- oder EU-Seite meist ergibt. Das verlockt zu enormen konzeptionellen und inhaltlichen Verkürzungen, weil Abrechnung und Dokumentation sonst nicht zu schaffen sind. (Oft braucht man schon für Einreichungen eine geschulte Fachkraft.)

Um es zu verdeutlichen: Bei komplexeren Projekten hab ich es oft erlebt, daß ich so ein Vorhaben gerade erst a) abgewickelt und b) abgerechnet hab. Nun wäre es wünschenswert, das Erlebte zu reflektieren, das Erfahrene auszuwerten, eventuell auch mit künstlerischen Mitteln drauf zu reagieren. Keine Chance!

Da geht der Zirkus schon wieder von vorne los: Ideen müssen entwickelt, Projekte formuliert und kalkuliert werden, um Einreichungen fristgerecht abzuwickeln, damit es ein nächstes Budget für nächste Projekte gibt. Ich muß in all dem dann auch mein Brot verdienen. Und ich brauche ein gutes Netzwerk primärer Kräfte, das gepflegt werden muß, sonst krieg ich nicht genug kompetente Leute für die Umsetzung.

So wird aus mir ein routinierter Kulturmanager, aber der Künstler in mir geht unter. Auch kohärente kulturpolitische Diskurse haben da dann keinen Platz, wie mindestens die letzten 25 Jahre belegen.

Sanktionen#

Wer dennoch auf kritischer Betrachtung und auf Diskurs besteht, kann eventuell erleben, daß er von der Verwaltungsebene her mit einer Klagsdrohung belegt wird. So habe ich es im Oktober 2021 erfahren, als eine Kulturmanagerin, nebenbei Vorstandsmitglied der IG Kultur Steiermark, und eine Landesbedienstete aus der Kulturabteilung einen Anwalt gegen mich in Gang setzten. Gericht statt Diskurs…

Es ist daher höchste Zeit, die populären Begriffe „frei“ und „autonom“ wieder einmal durchzuschütteln und zu überprüfen. (Von „Szene“ ganz zu schweigen.) Ich seh inzwischen ja allerhand staatsnahe Formationen, die es folglich ohne staatliche Kofinanzierung längst nicht mehr gäbe; aber sie werden als Teil einer „autonomen/freien Szene“ promotet.

Eine öffentliche Debatte dieser Zustände ist vorerst nicht möglich und weitere anwaltliche Konfrontationen kann ich mir nicht leisten. Das sind ein paar Gründe, die beigetragen haben, nun dieses Bradbury-Motiv aufzugreifen und „Fahrenheit reloaded“ als Folgeprojekt des 20 Jahre gelaufenen „The Long Distance howl“ zu konzipieren.

Hier kann mir derzeit niemand in die Parade regnen. Ich hänge von keiner geldgebenden Stelle ab. Das läuft jetzt einmal autonom, also nach selbstgewählten Regeln. Es ist Zeit, neu zu klären, was eine Wissens- und Kulturarbeit sei, die wir mit den Worten autonom und frei assoziieren.

Kontext#