Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Die Außenwelt der Innenwelt (Graphik: Heinz Payer)
Die Außenwelt der Innenwelt (Graphik: Heinz Payer)

Fackeln und Brände#

(Ein wenig Kontext)#

Von Martin Krusche#

Intro#

Meine Facebook-Notiz vom 6.8.2022 lautete
mir ist heute so:
„ich habe viel von ihnen gehört.“
„nichts gutes, hoffe ich.“

Zur Sache#

Ich setze als bekannt voraus, daß im Roman „Fahrenheit 451“ eine spezielle Feuerwehreinheit Bücher verbrennt. Sowas ist bei meinen Leuten in den 1930ern populär gewesen. Wissenserwerb eingrenzen, Bücher verbrennen. Wenn ich heute höre, wir bräuchten eine „Zweite Aufklärung“, widerspreche ich. Aufklärung, das hieß vor allem: Quellen zugänglich machen, Texte verbreiten und Diskursverboten aufbrechen.

Das alles ist heute nicht nötig, weil eine völlig andere Situation, und jene, die mir von „Zensur“ reden, wissen offenkundig nicht, was das Wort bedeutet. Sie bemänteln damit aber ihr plärrendes Desinteresse an einem langjährigen Wissenserwerb. Ich habe keinerlei Vorstellung, was solche Attitüde verlangt. (Eine „Neue Aufklärung“ ist es sicher nicht.)

Fackeln und Brände#

Als 1992 in Sarajevo die Vijećnica brannte, die bosnische Nationalbibliothek, sorgte das in meiner Umgebung – soweit ich mich erinnere – für keinerlei Unruhe. Als im April 2019 Notre Dame brannte, ergab das in den Social Media eine rauschende Erregung, die irgendwie weitgehend folgenlos verebbte. (Alles so-lala, bis die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird.)

Wir hätten die brennende Kathedrale als Fackel deuten können, die uns ein kleines Stück zu Fragen der Kultur zurückführt, zu Fragen nach den Fundamenten von Wissensbildung. Aber ich verstehe, das wäre eine viel zu pathetische Geste. Derweil boomen die großen Spiele weiter, es scheppert im ewigen Circus Maximus. Ein Flimmern, in dem vorzüglich geformte und chirurgisch zurechtgeschneiderte Wesen häufig „kraß“ und „mega“ sagen. (Sie sagen auch gerne „safe“, wo es „certainly“ oder „for sure“ heißen könnte.)

Nein, ich stoße mich nicht daran. Es unterhält mich. Ich bin da nicht zimperlich. Aber Sprechen ist Handeln. Wenn ich mir meiner Begriffe nicht mehr sicher bin, weiß ich über meine Befindlichkeit nicht Bescheid. Es muß ja vorweg der Dialog mit mir selbst gelingen, damit er mit anderen seine Chance bekommt. Das alles kann man auch substituieren. (Konsumation statt Partizipation.) Okay…

Es hat ja seine Gründe, daß eher unbedeutende Starlets sich für Stars halten, Reality-Stars, weshalb sie sich mit großen Gesten in die Haare bekommen, um zu klären, wer nun „real“ und wer „fake“ sei, was gelegentlich in ein herzzerreißendes Bekenntnis mündet: „Ich will, daß die Menschen endlich erfahren, wer ich wirklich bin!“

Atem holen, Luft sparen#

Das schert mich nun nicht mehr, weil man sich unendlich verausgaben könnte, um an diesen großen Kräftespielen doch nichts zu bewirken. Da wäre ich wieder bei einer etwas abgenutzten Metapher, die ich sehr mag. Nachdem die Lawine schon unterwegs ist, bleibt zu klären, ob man sie surfen kann oder von ihr weggerissen wird. Mit Lawine meine ich aktuell einen tiefgreifenden Umbruch, der vielleicht so radikal ist, wie jene Ära, als die Schriftkultur sich durchsetzte und Sokrates das laut beklagte (wie es Platon notiert hat), weil der Alte überzeugt war, wir würden vergeßlich werden und ein Problem mit der Zertifizierung dessen bekommen, was der Fall ist. („Wahrheit“ und so.)

Neil Postman meinte schon 1985: „Wir amüsieren uns zu Tode“ („Amusing Ourselves to Death: Public Discourse in the Age of Show Business“). Das ist natürlich eine sehr fette Metapher. Aber es kam dank der neuen Mediensituation weit heftiger als ich es für möglich gehalten hätte. Nun ist mir nach Abgrenzung.

Bild 'roloff'

Wenn Kulturpolitik in weiten Bereichen darauf nicht angemessen zu reagieren vermag, dann ist das eben so. Wenn die Verwaltung Kulturbudgets kapert und deren Personal sich für die besseren Kreativen hält, dann ist das eben so. Wenn primäre Kräfte in der Wissens- und Kulturarbeit solchen Unfug nicht wenigstens einzudämmen verstehen, sich damit arrangieren, dann ist das eben so.

Die Nische#

Deshalb gefällt mir heute die Idee von der Nische. Metaphorisch: das Waldstück, wie es Ray Bradbury am Ende seines Romanes beschrieben hat. Das korrespondiert mit einigen vertrauten Gegebenheiten. Eben warf mir die Erinnerungsmaschinerie von Facebook eine alte Meldung auf den Tisch. Der inzwischen verstorbene Querkopf Michael Roloff war ein Mann mit enorm niederer Reizschwelle. Er schrieb mir am 7.8.2012, und das war nicht freundlich gemeint: „Mein Gott, siehst du verwildert aus! x m.r“ Meine Antwort: „ich seh nicht nur so aus, es sind lebhafte zeiten. (motto: den umbruch surfen!)“ Roloff darauf: „Die aussenwelt der innenwelt.“

Ein Hauch Hintergrund… Zwischen 2010 und 2015 hat uns die anbrandende Weltwirtschaftskrise aufgemischt, danach wurde es in meiner Branche stellenweise sehr unappetitlich. Es vertiefte sich ein Verdrängungswettbewerb im Kampf um schwindende Budgets. Die Kohärenz zwischen Innen und Außen der Leute in meinem Metier ging teilweise völlig flöten.

Wie Zeichner Heinz Payer nun auf die alte Roloff-Post reagierte, zeigt die Illustration am Beginn dieser Seite. Payer denkt sehr wesentlich in Bildern, also kommen seine Kommentare auf visueller Ebene daher. Das zieht sich durch unseren Lauf der Dinge. Es kann auch ganz anderer Art sein. Aber dazu später…