Flocke: Dresscode#
(Mummenschanz und Offenbarungen)#
von Martin KruscheWir kommunizieren auf vielfältige Art, machen auch mit bevorzugter Kleidung Mitteilungen über uns. Sei es, man folgt den Erwartungen seitens eines Milieus, welchem man angehören möchte, sei es, man setzt sich dazu bewußt ins Gegenteil. Oder man stellt sich extravagant auf eine exponierte Position.
Man kann ferner mit Kleidung die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Genre oder Klub ausdrücken. Ein Beispiel. Sollten Sie einem Mann mit einem bunten Kapperl begegnen, das eventuell mit einem Batikmuster oder Perlenstickerei versehen ist, bedeutet das in den meisten Fällen: „Achtung! Ich bin ein Künstler und wahrscheinlich ein Nonkonformist!“ (Dazu sage ich gerne: "Es beuyselt!")
Maestro Ernst Fuchs pflegte das mit dem Kapperl. Beuys hatte seinen Hut, Arik Brauer ebenso, wahlweise eine Wollmütze. Auch DJ Ötzi ist Haubenträger. Es kann ebenso eine schrille Brille sein oder markanter Schmuck.
An mir wird man öfter eine Gürtelschnalle mit Vogel Strauss sehen können. Fragen Sie einen beliebigen einheimischen Staplerfahrer oder Dachdecker oder Installateur. Die meisten von ihnen werden sagen können, was das bedeutet. Strauss ist vor allem ein Anbieter von Berufs- und Arbeitskleidung. Ich bevorzuge strapazfähiges Zeugs, das im Kanon bildungsbürgerlicher Repräsentationskultur nicht vorkommt. Der Extrabonus: Da zahle ich – im Vergleich zu üblichen Fetzenläden - meist merklich weniger für Stücke, die robuster sind und daher wesentlich länger halten. (Damit kann man freilich bei herkömmlichen Anlässen nicht grade punkten).
Ich hab nichts dagegen, falls mich wer für den Haustechniker oder einen Automechaniker hält. Mir sind oft genug Leute begegnet, die sich in Pose schmeißen, um fälschlich für Akademiker gehalten zu werden. (Besonders lustig finde ich jene, die in ihrer Vita ein erfolgreich abgebrochenes Studium anführen, um zu glänzen.)
Wenn mich jemand für einen Hackler hält, einen Arbeiter, gefällt mir das sogar. Ich hab in meinem Leben deutlich mehr geistreiche Hackler als Akademiker kennengelernt. Solchen Milieus darf man mich daher ruhig zurechnen. Ich komme aus dem Gemeindebau, hab bloß einen Hauptschulabschluß, bin wie jemand aus einer Erzählung von Ingeborg Bachmann: Der Proletarier, dem ein Buch in die Hände fiel, worauf er anderntags nicht mehr zur Arbeit erschien.
Auf das Hacklergewand mit dem Strauss kam ich übrigens durch meinen Sohn. Betriebselektriker. Fabrikarbeiter. Kein Intellektueller, aber mit einem leistungsfähigen Verstand ausgestattet, der meinem nichts nachsteht.
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