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Krusche und Klug 2025.
Krusche und Klug 2025.

Flocke: Alt werden#

(Eine Verständigung)#

von Martin Krusche

Ich hab jüngst an einem Tag zwei Gespräche geführt, die thematisch interessante Schnittstellen zeigen. Einerseits unterhielt ich mich mit Autorin Andrea Wolfmayr über diesen von allerhand Zuschreibungen und auch Tabus umstellten Prozesses des Altwerdens.

Andrerseits sprach ich mit Autorin Karin Klug über markante Aspekte eines letzten Lebensabschnittes. Damit meine ich übrigens nicht die letzten Tage eines Menschen, sondern: Wer den Sechziger hinter sich gebracht hat, darf sich mit der Überschaubarkeit verbleibender Zeit befassen.

Dazu höre ich gelegentlich den Einwand, man könne schließlich jederzeit ums Leben kommen. Weiß ich aus eigener Erfahrung (Motorrad versus Lastwagen). Aber der Punkt ist: Als junger Kerl muß ich nicht so sehr damit rechnen, daß mich jemand aus dem Leben kegelt. Da sind es bloß einige Fälle und sehr vielen jungen Menschen.

Ich befinde mich derzeit in meinem siebzigstens Jahr. Da muß ich unbedingt damit rechnen, daß ich in einem sehr überschaubaren Zeitfenster an ein Ende komme. Habe ich noch fünf, zehn oder 20 Jahre? Egal! Das ist nun mein letzter Lebensabschnitt. Ich teile mit Klug und Wolfmayr die Erfahrung, daß man einerseits selbst spätestens ab dem Sechziger hinnehmen muß, wie einen die Natur erheblich umgestaltet. Wir kennen andrerseits auch die Anforderung, das Ende eines alten Menschen innerhalb der Familie ohne Distanz zu begleiten.

In diesen beiden Gesprächen bestand ferner Konsens, daß derlei Erfahrungen vollkommen unterschiedlich geprägt sind, wenn sie hier in einem Frauenleben und da in einem Männerleben gemacht werden. Sowohl den eigenen Körper betreffend, als auch Fragen der Betreuung Angehöriger.

Wofmayr und Krusche 1985.
Wofmayr und Krusche 1985.

Gesellschaftliche Konventionen, Rollenkonzepte, verinnerlichte Prinzipien und Zuschreibungen von außen, strukturelle Rahmenbedingungen… Das Nachdenken über diese Mechanismen füllt längst Bibliotheken. Für den Alltagsdiskurs genügt es jetzt erst einmal völlig, daß wir einander ansehen, wissend, mein Leben als Mann hat in dieser vorherrschenden Männerkultur natürlich ganz anderen Bedingungen als das der beiden Frauen.

Es gab diesen Moment, das sagte ich zu Wolfmayr: „Für mich ist in jeder Art von Beziehung die Klärung wichtig, ob ich primär als Mitmensch oder als Ressource betrachtet und behandelt werde.“ Darauf Wolfmayr: „Von einer Frau wird sowieso erwartet, daß sie sich einer Familie als Ressource zur Verfügung stellt.“

Schließlich ein anderer Gesprächsmoment, da erwähnte ich die physischen Konsequenzen des Alterns und Klug markierte - etwas gerafft - einen deutlichen Kontrast: „Bei Frauen ist dann die körperliche Schönheit ein großes Thema, bei Männern die körperliche Kraft.“ Das fällt mir auch auf.

Dazu kommt, daß wir hinreichende Erfahrungen haben, wie unausweichlich ein Leben – das einer Frau, das eines Mannes – nicht bloß die Auffassungen prägt, sondern auch die Begriffe und ihre Bedeutungen. Da aber Sprache Realität herstellt, sind semantische Fragen von großer Bedeutung. Das bekommt seine spezielle Färbung, wenn ein Autor mit zwei Autorinnen spricht.

Ahnen Sie, worauf das vorerst hinauslaufen könnte? Wir sind übereingekommen, daß wir uns rund um die Erfahrung des Altwerdens verständigen werden, was sich da derzeit an Klärungsbedarf auftut, wenn wir den Status quo unserer Gesellschaft beachten. Ausgehend von der Überzeugung, daß manches davon nicht in der „Nichtexistenz des Privaten“ verschwinden sollte.