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Richard Mayr (links) und Klaus Klimpfinger
Richard Mayr (links) und Klaus Klimpfinger

Kontraste#

(Das Leben, eine Wildnis; wenn man es sich zutraut)#

Von Martin Krusche#

Sagt er: „Ich hab ja die gleiche Bultaco gehabt. Erinnerst du dich nicht?“ Eine in Rot und eine in Blau oder so. Seinerzeit, in unseren Bubentragen, mußte man das nicht erst erläutern. Bult. Husky. Und wer nicht unbedingt durchs Gelände holzen wollte, hatte eventuell eine Ducati Scrambler. Wendig und elegant. (Die Duc vorzugsweise sehr gelb.) Oder man war so schrullig, war körperlich in hinreichender Form, daß es ein spröder Grazer Zweitakter sein durfte. Genau! Puch. (Es ist von Geländemotorrädern die Rede.)

Das war nun die Rückblende im Ausmaß von Jahrzehnten. Richard Mayr bewährte sich nach seinen Jugendtagen als Unternehmer, profilierte sich außerdem als Fotograf. Klaus Klimpfinger blieb in den USA hängen und kam eines Tages eher zufällig an einen Punkt, wo er dachte: „Naja, wieso soll ich nicht Pilot werden?“

Ich ahne, daß es gerade der Kontrast zwischen ihnen ist, in dem ihre Verbindung so dauerhaft wurde. Mayr zielstrebig und eher ungeduldig, wenn es nicht zügig läuft. Klimpfinger ein Opfer seines Glücks, offenbar staunend, was sich in seinem Leben bisher alles ergeben hat.

Das Erhellende#

Weshalb ich darüber nachdenke? Was bewegt Menschen, aus dem Alltag herauszustürmen und sich an extremen Bedingungen zu messen? Einerseits meine ich: weil wir so sind. Manche. Das muß nicht unbedingt ergründet werden. Es ist eben so. Andrerseits interessieren mich solche Positionen vor dem Hintergrund unserer neuen Bourgeoisie. Da hat sich ein Spießertum herausgebildet, das sich in kuriosen Posen ergeht und sehr angriffslustig reagiert, wenn man so einen Popanz zusammenfaltet.
Aus den letzten Jahrzehnten läßt sich eine Menge anregender Gesprächsstoff ableiten.
Aus den letzten Jahrzehnten läßt sich eine Menge anregender Gesprächsstoff ableiten.

Doch vielleicht ist auch das ein ganz banaler Teil der Conditio humana. Manche verzehren sich nach großen Gefühlen, aber kommen nicht vom Sofa herunter. Andere lassen all dieses Getue hinter sich und ziehen los, um die eigenen Grenzen auszuloten. Und das, so viel weiß ich heute, sind Kräftespiele, die unsere Kultur ausmachen.

Im Posieren bewegt sich ja nichts. Erst wenn man sich selbst als ein Pfand für neue Möglichkeiten einsetzt, wird jenes Licht ein Spur heller, mit dem wir ausleuchten können, was uns umgibt. Das ist eine meiner Lieblingsmetaphern: Egal, wie weit ich sehe, ich spüre genau, wie viel mehr da ist, was meinen Blicken entzogen bleibt.

Es ist natürlich kein Zufall, daß sich etliche unserer Begriffe um genau dieses Bild drehen. Das Erhellende. Sei es, daß „Aufklärung“ im Englischen „enlightenment“ heißt, falls man nach Westen blickt, aber dieser Begriff zum Beispiel im Buddhismus „Erleuchtung“ meint. Das ist ein völlig anderer Zustand.

Abliefern#

Sich selbst als ein Pfand für neue Möglichkeiten einsetzen. Das liegt offenkundig nur dem kleineren Teil meiner Mitmenschen. Da muß nichts herumbehauptet werden. Unsere Biographien erzählen davon. Es bedarf keiner Verkündigungen. Einfach klären, was der Fall ist.

Klimpfinger war als Pilot rund 20.000 Stunden in der Luft. Da durfte nichts schiefgehen, denn er saß ja nicht allein im Flugzeug. Am Boden zieht es ihn dagegen bis heute ins Ungewisse. Er schmeißt sich als Offroader mit dem Motorrad in Gegenden, da möchte ich weder so noch so unbedingt sein.

Mayr kommt aus seiner Verantwortung für einen Betrieb. Er zog dann aber auch in einem Kanu und mit einem Sack Mehl in eine Wildnis, wo man Bären begegnet und wo man – wenn alles gut ging – vier Wochen später ein Wasserflugzeug sehen konnte, das einen wieder herausholte. Oder er macht sich an Eisschollen heran, steht unter abertausenden Pinguinen auf winzigen Inseln herum, lauert geduldig auf seltene Vögel, hockt in nördlicher Finsternis, um Polarlichter zu erwischen; solche Sachen.

Mein 1970er Umstieg aus der Antiquitätenabteilung: von der schweren NSU Consul (ein 500er Eintopf) zur agilen Honda.
Mein 1970er Umstieg aus der Antiquitätenabteilung: von der schweren NSU Consul (ein 500er Eintopf) zur agilen Honda.

Weshalb ich das erörtere? Ich erlebe grade in letzter Zeit wieder so Kulturereignisse, da wird etwa vom Interdisziplinären geschwärmt, wo sich bloß Multidsiziplinäres zeigt, und wenn ich Genauigkeit fordere, höre ich: „Du bist doch selbst so ungenau.“ (Bin ich?) Da erklären mir Stubenhocker mein Leben und meine Profession, da entfaltet sich viel Trara um die Möglichkeit ein Budget abzuholen.

Dabei zeigt sich gelegentlich, daß die spannendsten Augenblicke solcher Leute jene sind, wo jemand für eine eher unbedeutende Dissertation seinen Titel bekommt und neue Visitenkarten braucht, um ein Rädchen in der Bürokratie zu werden; oder so ein kleines Akquise-Genie, das bedenkenlos Leute in den Graben schubst, um an Ressourcen zu kommen. Manche, mitunter die Giftigsten, haben überhaupt nichts anzubieten, außer adrette Garderobe und daß die Haare schön sind, um die große Klappe zu überdachen.

An all dem ist der Kulturbetrieb reich. Unterm Strich bleibt aber stets die Frage, ob die Person dann irgendwann abliefert. Egal was, egal wo, ob unter den Augen der Öffentlichkeit oder auf fernen Flüssen mit fetten Fischen, vielleicht in staubigen Wüsten, wo einem nur Skorpione zuschauen. Sich einsetzen. Sich einlösen. Abliefern. Punkt!