Episode 47: Ramsch#
(Aufstellung, Teil VII, Wegwerf-Produkte als Schmuck)#
Von Martin Krusche#
In zahllosen Betrieben der chinesischen Stadt Yiwu (Zhèjiāng) laufen Jobs im Modus „Sechs-neun-neun“. Das bedeutet sechs Tage die Woche Arbeit von 9:00 Uhr bis 21:00 Uhr. In der Hochsaison, wenn Arbeitskräfte für das nötige Pensum knapp sind, werden auch sozial nicht abgesicherte Kräfte maximal eingesetzt: sieben Tage die Woche jeweils elf Stunden.
Dabei sind Schutzvorrichtungen oder angemessene Schutzkleidung beim Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden Substanzen nicht verfügbar. Das sind einige der Aspekte einer Produktion, die in Yiwu konzentriert wurde und rund 60 Prozent des weltweiten Bedarfs an Weihnachts-Deko bedient.
Diese Produkte sind in hohem Maß Zeugs, welches nur einmal verwendet und dann weggeworfen wird. Solche Art Ramsch für wenig Geld türmt sich laufend zu Problembergen auf, wie wir sie ähnlich aus dem Bereich Fast Fashion kennen.
Jene Plastikfiguren, die ich im prozeßhaften Bespielen der Krippe kurz neben die handgeschnitzten Figuren aus dem Oberammergau gestellt habe, fielen mir in die Hände, als ich Gleisdorfs Büchertankstelle besucht hab. Ich sehe mich da regelmäßig um, bringe Bücher, nehme welche mit. Dabei fand ich die Dose mit den Plastikfiguren.
Das ist nutzlose Massenware. Für etwas tauglicher Fabrikprodukte aus Kunststoff müßte man wenigstens acht bis zehn Euro pro Figur ausgeben. Die sehen passabel aus, können sich aber mit den geschnitzten Unikaten nicht einmal annähernd messen. Was sie in der Hand wiegen, wie sich die Oberfläche anfühlt, ganz zu schweigen von den feinen Zügen, die ich an den Holzfiguren sehe...
Ich verstehe natürlich, daß es für viele Menschen Preisbarrieren gibt. Wie angedeutet, es lassen sich unter der Massenware durchaus Stücke finden, die zwar teurer sind als der Ramsch, dafür jedoch über viele Jahre behalten werden können. Dagegen wird der Ramsch jährlich erneuert, wodurch er natürlich nicht billig bleibt; in der Anschaffung ebenso, wie in den Konsequenzen.
Es ist unübersehbar: Wer den Ramsch importiert, fördert eine Nachfrage, die in China von Arbeitssklaven bedient wird, importiert gesundheitliche Risiken und Müllprobleme, belastet die heimische Wirtschaft. Wer solchen Ramsch kauft, gehört ebenfalls zum Team der Problembeschaffenden.

Ergänzend#
AK-Test: „Billig-Onlineshops Temu, Wish & Shein verkaufen gefährliches Spielzeug: Verschluckbare Kleinteile und überschrittene Grenzwerte, Strangulierungsrisiko, Erstickungs- und Vergiftungsgefahr: Spielwaren der Billig-Onlinehändler Temu, Wish und Shein können für Kleinkinder lebensgefährlich sein, wie ein Test der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigt. Auch wenn die spottbilligen Preise ein Schnäppchen vermuten lassen, rät die AK vom Einkauf in diesen Onlineshops ab.“ (ooe.arbeiterkammer.at, 12.12.2024)„Yiwu ist als 'Welthauptstadt für Kleinwaren' bekannt und verfügt über Chinas größten Großhandelsmarkt.“ (Ianna Ramdhany Correa, Cornell University) „Yiwu besitzt den weltweit größten Markt für den Handel mit Kleinwaren. Rund 400.000 verschiedene Produkte werden hier angeboten...“ (Wikipedia)
„Der Yiwu-Markt in der Stadt Yiwu in der chinesischen Provinz Zhejiang ist einer der größten Großhandelsmärkte der Welt und bekannt für seine umfangreiche Auswahl an kleinen und günstigen Waren. Mit über 75.000 Geschäften bietet der Yiwu-Markt mehr als 500.000 verschiedene Produkte und ist damit das größte Exportzentrum Chinas.“ (Steve Chou, Influencer in der E-Commerce-Branche)