Episode 47: Esel und Ziege#
(Aufstellung, Teil IX, Wozu ein Stall?)#
Von Martin Krusche#
„Der etwas einfältige, kleine Bruder des Pferdes – so wird der Esel oft gesehen. Damit wird man der Vielschichtigkeit dieses Tieres aber nicht gerecht, dem in der Kulturgeschichte ganz unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben wurden.“ So Stephan Karkowsky zu einem Gespräch mit Kulturwissenschafterin Jutta Person.
Sehr interessant, was die Frau betont: „Man muss dazu sagen, dass biologisch oder evolutionsgeschichtlich betrachtet die afrikanischen Wildesel, die sozusagen die Urväter aller Esel sind, die leben eben in nordostafrikanischen, steinigen, gerölligen Wüstenregionen und sind da eben keine Fluchttiere, sondern bleiben stehen, weil sie sich sonst einfach die Haxen brechen würden. Und dieser evolutionär bedingte Reflex des Stehenbleibens, den haben eben auch alle weiteren Hausesel sich erhalten, die dann nach Europa, na ja, mehr oder weniger importiert wurden, domestiziert wurden. Und dieses Stehenbleiben ist den Eseln dann oft negativ angekreidet worden, obwohl es natürlich einen absoluten Sinn hat.“
Bei der Krippe#
Der Ochs bei der Geburt Jesu, das ist nicht biblisch, der Esel ist es auch nicht. Das heißt, es ist keine Bibelstelle bekannt, durch die Ochs und Esel im Stall von Bethlehem belegt wären. Aber diese beiden Tiere haben symbolischen Charakter, der sich gewiß aus dem Arbeitsalltag der Menschen in der agrarischen Welt herleitet. Bei uns zum Beispiel, weil sie in der Haltung genügsamer sind als Pferde, also leichter leistbar.Doch vorweg, Simone Paganini, an der Uni Aachen für das Fach Biblische Theologie zuständig, betont: „Der Stall kommt in den zwei Evangelien, die sich mit der Geburt Christi beschäftigen, Lukas und Matthäus, nirgends vor.“ Das griechische Wort Katalyma hat eine andere Bedeutung.
Im damaligen Judäa war das „Zweiraumhaus“ typisch. Paganini: „Man suchte sich eine Höhle, und an die Höhle baute man ein Häuschen, meistens nicht aus Holz, sondern aus Stein, denn Holz gab es in Judäa kaum.“ (So viel zum Zimmermann Josef.)
Damit wird besser nachvollziehbar, weshalb alte Quellen für die Geburt Jesu als Ort eine Höhle nennen, während das Neugeborene dann von Maria in einer Stallung untergebracht, in eine Futterkrippe gelegt wurde. (Darauf gehe ich später noch näher ein.)
Daß man bei Krippen heute Schafe und Ziegen finden kann, hat seine Wurzeln sicher auch in der alten bäuerlichen Welt. Zitat: "In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde." (LK 2,8) Was ist daran heute erwähnenswert? Einen der sachlichen Zusammenhänge hat mir Veterinär Karl Bauer einst im Kosovo erläutert, als wir etwa den Dulje-Pass besucht haben. Ich sah dort recht große Herden und bestaunte, wie ein entspannt wirkender Hirte hinter drei Hunden herspazierte, von denen so eine Herde zusammengehalten wird.
Wo die Landwirtschaft kriegsbedingt viele Jahre weitgehend darniederliegt, so Bauer, verbuschen die Flächen sehr schnell. „Darauf kannst du keine Rinder halten. Da schickst du zuerst einmal Schafe und Ziegen hinein.“ Diese Tiere haben also besonderen Nutzen, um Weideland zu verbessern.
Außerdem kennen wir in der Oststeiermark die Ziege als „Eisenbahner-Kuh“. Bahnbedienstete durften einst Grundstücke an den Bahndämmen privat nutzen. Das machte etwa die Haltung von Ziegen, Hasen und Geflügel möglich. Dadurch konnten Leute mit schmalem Einkommen ihre Versorgungslage nennenswert verbessern.
Karl Bauer ist Jahrgang 1960 und wuchs in der Landwirtschaft auf. Es ist also nicht lange her, daß folgende Schilderung eine Situation zusammenfaßt, wovon die meisten Details über viele Generationen zutreffend gewesen sein dürften, was auch bezüglich unserer heutigen Krippe einige Anregungen bietet.
Zitat: „Morgens und abends war täglich Stallarbeitszeit, an der meist die ganze Familie beteiligt war. Wir Buben halfen beim Einfüttern, Ausmisten und Einstreuen des Viehs (= Rinder) und der Schweine mit. Andere Tierarten liefen nebenbei mit: Geflügel, Hasen, Hund und Katzen. Die Katzen waren Hofkatzen zur Mäuse- und Rattenjagd, die Hennen legten die Eier, die meine Mutter verkaufte und so immer ein Taschengeld hatte. Am gefährlichsten war der Hahn, der meist aggressiv war und uns Kinder anflog und verletzte, wenn wir von der Schule nach Hause kamen. Darum landete er dann immer bald im Kochtopf. Die Hasen habe ich selbst gehalten, täglich zweimal versorgt und mit dem Verkauf von Zuchttieren und Hasenfleisch mein erstes Geld verdient, mit dem ich mir mit 12 Jahren als erste große Investition ein neues Puch 3-Gang Fahrrad kaufen konnte.“
„Handarbeit und Kopfarbeit“
(Geschichten aus dem Leben meiner Kinder- und Jugendzeit von 1960 bis 1990)
von Karl Bauer und kann hier online durchgesehen werden: (Link)