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Episode 47: Peripherie#

(Brauchtum, Zeichensysteme, Dekoration)#

Von Martin Krusche#

Ich hab diese Tage in der Adventzeit etliche Fotos heimgebracht, um mir in Ruhe ansehen zu können, wie sich in öffentlichen und in privaten Räumen zeigt, daß uns der Weihnachtsabend bevorsteht.

In der Steiermark wird derzeit sehr viel von Tradition und Brauchtum gesprochen. Wenn ich mich auf den Straßen umsehe, fällt mir diese große Einigkeit auf, daß sich die Weihnachtszeit über aufwendiges Dekor mitteilen soll. Das sind natürlich alles Kommunikationsakte. Mitteilungen. Aber wovon handeln sie?

Was sind die Intentionen, wenn sich jemand nach außen mit einer Weihnachtsdekoration zeigt? Wieso werden die Straßen mit allerhand leuchtenden Sternen und Laternen, mit elektrifizierten Girlanden erhellt? Weshalb die funkelnden Christbaumkugeln und gelegentlich sogar überdimensionalen Geschenkpakete? Wozu illuminierte Nadelbäume? Wie kommt dann auch noch all der Kitsch und Ramsch ins Spiel, zwischen dem gediegene Stücke leicht untergehen?

Ich weiß schon, es soll sich Besinnlichkeit einstellen. Aber was genau passiert, wenn man sich besinnt? Worauf soll man sich besinnen? Ich komme zum Schluß, daß derlei tradierte Festwochen eine erstaunliche Qualität haben. Sie erzeugen ein gemeinsames Handeln in extremer Vielfalt der Gründe, die jemand dafür hat.

Wo menschliche Gemeinschaft gefestigt werden soll, und zwar in dem Sinn, daß Leute wechselseitige Verpflichtungen eingehen, also ein tragfähiges Wir herstellen, ist gemeinsames Handeln ein nützliches Verfahren. Zum Zweck der Festigung des Wir-Gefühls anerkennen wir ferner Regeln, die weitgehend Zustimmung finden. (Da wird dann gerne von Werten gesprochen.) Selbst wer sie ablehnt, unterstreicht sie so.

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Damit nicht jedes Grüppchen seine Konventionen andauernd neu verhandeln muß, schon gar nicht eine ganze Bevölkerung, nützen uns Rituale und Symbole. Ich denke, von diesen Zusammenhängen ist die Rede, wenn jemand über Brauchtum spricht. In der alten agrarischen Welt war der Jahreslauf auf solche Art geordnet. Das Bonmot „Alle heiligen Zeiten“ erinnert daran. Damit sind ursprünglich christliche Feste gemeint, denen jeweils ein bestimmtes Datum zugeschrieben ist. Wie eben Kultur funktioniert, sind in diesem Kanon der heiligen Zeiten auch ursprünglich heidnische Bräuche aufgegangen.

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Die einst christlichen Feste erodieren ihrerseits. Ein Beispiel: der „Kirtag“ ist mitunter bloß noch ein besonderer Markt um einen Innenstadt zu belebe, weder Wochenmarkt, noch mit dem Kirchweihfest verknüpft. Ich denke, so eine teilweise Profanisierung der Weihnachtszeit ist durchaus akzeptabel, weil eben die Transformation von alten Brauchtum, aber immer noch mit einigen der früheren Qualitäten verbunden. (Wir sind eben heute längst nicht mehr Dorfgemeinschaft, sondern eine Massengesellschaft.)

Viele Symbole werden Ihnen bekannt sein, auch wenn Sie vielleicht deren Ursprung und/oder genauere Bedeutung nicht wissen. Man muß kein Genie sein, um mindestens in den Lichterketten, Laternen und Kerzen das Bedürfnis nach der Erhellung finsterer Zustände zu sehen.

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Was mich gelegentlich erstaunt, ist die Macht der Konventionen. Wer hier aufgewachsen ist, muß sich gar nicht zwingend den Kopf zerbrechen, um sich in „Weihnachtsstimmung“ zu bringen. Das Spektrum des Brauchtums und der verwendeten Accessoires, die dafür als passend gelten, können auch völlig gedankenlos genutzt werden. Sie würden dennoch Wirkungen haben. Selbst wer sich davon abwenden will, landet damit zu leicht in dieser oder jener konventionellen Pose und trägt zum Brauchtum bei.

Mit all dem komme ich nun auch wider einmal zu meiner grundlegenden Annahme, daß wir Menschen alle und ausnahmslos kulturelle sowie spirituelle Bedürfnisse haben. Die werden bloß je nach Lebensumständen und ästhetischen Erfahrungen ganz unterschiedlich gelebt. Von dieser Warte aus ist auch gegen Kitsch und Ramsch kein Einwand möglich. /(Dafür bleiben aber allemal ökologische Argumente.)