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Bemerkenswertes Detail: Die Figur des Neugeborenene ist mit dem Handsegen dargestellt, dem Segensgestus der rechten Hand.
Bemerkenswertes Detail: Die Figur des Neugeborenene ist mit dem Handsegen dargestellt, dem Segensgestus der rechten Hand.

Episode 47: Der 24. Dezember II#

(Am Abend)#

Von Martin Krusche#

Nun die zweite Aufstellung jenes Tages, die Szene mit dem Säugling auf seinem Lager. Ich hatte erst noch überlegt, ob ich die Gruppe zur besseren Sichtbarkeit auf dem Vorplatz des Hauses zeigen soll. Aber der überdachte, geschützte Winkel schien mir plausibler.

Um meine Intention für das Nachfragen nach den historischen Hintergründen dieser Geschichte zu verdeutlichen, es geht mir nicht um ein Dekonstruieren etablierter Motive. Im Gegenteil! Mich fasziniert, wie ein Wechselspiel von Theologie und Volksfrömmigkeit jenes Kernereignis des Mythos für eigene Lebenswelten adaptiert.

Genau das halte ich für ein anschauliches Beispiel, wie sich Kultur ereignet, wobei Überlieferung und Adaption wichtige Faktoren sind. Ich denke, das wird oft falsch verstanden oder gedeutet, wo sich „Traditionsschützer" auf, beziehungsweise vor Kulturgut werfen und dessen Transformation verhindern möchten. Ich hab mit hier selbst die Freiheit genommen, die Figuren nach meinem Ermessen und entlang meiner Überlegungen aufzustellen, statt einem tradierten Konzept zu folgen.

Hintergründe und Fakten#

Simone Paganini, welcher an der Uni Aachen Biblische Theologie lehrt, betont zwei Evangelien, die sich mit der Geburt Christi beschäftigen, Lukas und Matthäus. (Mehr gebe es an biblischen Quellen nicht.) Da, so Paganini, komme kein Stall vor. Es findet sich aber das griechische Wort Katalyma, mit dem noch heute allgemein von einer Unterkunft die Rede ist.

Der Wissenschafter meint, es habe sich demnach wohl eher um den Gästeraum eines gewöhnlichen Privathauses gehandelt, sehr wahrscheinlich das von Verwandten oder Bekannten Josefs. Zitat: „Es gab damals gar keine Herbergen in einem heutigen Sinn, vor allem nicht in kleinen Dörfern, wie Bethlehem eines war.“

Bild 'krippe13b'
Bild 'krippe13c'

Herbergen gab es nur in großen Städten und an wichtigen Straßen. Die waren, so Paganini, übel beleumundet und sicher nicht der Ort, an den ein frommer jüdischer Mann, wie Josef einer war, seine hochschwangere Frau gebracht hätte. Was nun hier als Krippe im Zeit.Raum-Fenster zu sehen ist, drückt zweierlei aus. Erstens die Adaption eines Mythos, was in kulturellen Prozessen völlig legitim ist. Zweitens das, was man in der Geschichtswissenschaft Rückübertragung nennt, die verpönt ist.

„Es soll nicht verschwiegen werden, dass angesichts dessen gerade auch von Historikern schon frühzeitig Unbehagen an der Rückübertragung moderner Begriffe und Vorstellungen auf die Vergangenheit geäußert wurde.“ (Markus Neumann & Ralf Prove in: „Die Faszination des Staates und die historische Praxis.“)

Das heißt unter anderem, mich interessieren Kräftespiele der Volkskultur, die natürlich vielfach im Kontrast zu wissenschaftlichen Arbeiten stehen, weil sie von ganz anderen Intentionen getragen sind, anderen Zwecken dienen. Ich sehe keinen Erkenntnisgewinn darin, diese Genres hierarchisch gegeneinander auszuspielen. Ich lese sie komplementär, um besser zu verstehen, wer wir als kulturelle Gemeinschaft geworden sind.

Die Bibelstellen#

Ich hab die entsprechenden Bibelverse gesucht und wurde in der Elberfelder Übersetzung aus dem 19. Jahrhundert fündig. Das ist eine Übersetzung ins Deutsche, also aus dem protestantischen Umfeld. (Es heißt, die zeichne sich durch hohe Texttreue und durch Genauigkeit bezüglich der Begriffe aus.)
  • „...und wo irgend er hineingeht, sprecht zu dem Hausherrn: Der Lehrer sagt: Wo ist mein Gastzimmer, wo ich mit meinen Jüngern das Passah essen kann?“ (Mk. 14,14)
  • „...und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Raum für sie war.“ (Lk. 2,7)
  • „Und ihr sollt zu dem Herrn des Hauses sagen: Der Lehrer sagt dir: Wo ist das Gastzimmer, wo ich mit meinen Jüngern das Passah essen kann?“ (Lk. 22,11)

Bild 'krippe13d'
Bild 'krippe13e'

Postskriptum#

Die vorhin erwähnte Intention, das Interesse an Kräftespielen der Volkskultur, die im Kontrast zu und im Wechselspiel mit wissenschaftlichen Arbeiten ein Narrativ ergeben, verknüpft diesen Bereich unter anderem mit unserer „Konferenz in Permanenz“ und da speziell mit dem Bereich „Oststeirisches“ (Das Wesen der Region), denn da habe ich auch das Thema Volkskultur festgemacht: (Link)