Episode 49: Von den Anfängen#
(Zur Orientierung bezüglich der ersten Jahre)#
Von Martin Krusche#
Zu den Anfängen der Automobilgeschichte und zur Begriffsbildung (wie auf Seite #1 ausgeführt) war mein Argument, daß der Benz Patent-Motorwagens Nummer 1 einen unbestreitbaren Rang hat, aber nicht als „das erste Automobil“, erfunden von Carl Benz, gelten kann.
Dieses motorisierte Dreirad ist ohne Frage fahrtauglich, doch das gilt ebenso für den weit älteren „Fardier“ von Nicolas Cugnot. Der pferdelose Wagen wurde natürlich nicht als singuläres Phänomen von einem einzelnen Superhirn „erfunden“, sondern aus einer Reihe von Versuchen und Erfahrungsschritten sehr unterschiedlicher Menschen abgeleitet.
Wichtige technische Grundlagen für die Fahrgestellt kamen aus damals dem Fahrradbau, was gleichermaßen für die Welt der Flugzeuge gilt. (Beispielsweise: Die Gebrüder Wright waren Fahrradfabrikanten.) Sehr plausibel, weil etwa Feinmechanik bei der ganzen Entwicklung eine wichtige Rolle spielte.
Das sieht man dem Benz‘schen Patent-Motorwagen an, ebenso den frühen Automobilen, die damals übrigens vor allem einmal „Voiturette“ genannt und so auch beworben wurden. Ein schönes Beispiel dafür ist der von Sepp Schnalzer restaurierte Albl Phönix. Eine Voiturette aus dem Jahr 1902, gebaut im Werk von Benedict Albl. Von dort kamen vor allem auch hochkarätige Fahrräder; unter anderem solche mit Kardanwellen statt Antriebsketten.
Als Johann Puch noch kein Unternehmer, sondern Angestellter war, gab es auch in Graz Betriebe wie das Haus Luchscheider, in denen Nähmaschinen, Schreibmaschinen, Grammophone und Fahrräder in verschiedenden Kombinationen serviciert wurden. Sie ahnen den Zusammenhang? Eine Menge gleicher technischer und handwerklicher Grundlagen.
Ich verstehe zwar die Motive der PR-Leute, welche „Die Erfindung des Automobils“ einer einzelnen Person und einem Konzern zuschreiben möchten, denn das ist ein enormer Image-Faktor. Aber es ist ungenau bis unkorrekt. Solche epochalen Ereignisse haben komplexe Vorgeschichten, die oft sehr weit zurückreichen. Wir wissen heute, daß nicht bloß Mechanik, Hydraulik und Dampfkraft in der Antike schon bekannt und verfügbar waren, sondern auch die Feinmechanik. Wichtige technische Grundlagen für das Automobil sind demnach uralt.
Ein Beispiel: Können Sie sich unter den Hebelgesetzen etwas vorstellen? „Kraft mal Kraftarm ist gleich Last mal Lastarm.“ (Schlag nach bei Archimedes!) Und das mit dem Getriebe des Autos ist Ihnen halbwegs geläufig? Ist Ihnen je aufgefallen, was genau Zahnräder eigentlich sind? Genau! Das sind Kränze von Hebeln. Wie der Mechanismus von Antikythera beweist, kannten sich die alten Griechen damit aus.
Damit will ich sagen, es mußte über sehr lange Zeit sehr viel gedacht und probiert werden, bis Carl Benz seinen Benz Patent-Motorwagens Nummer 1. Das schmälert keineswegs die Leistung des Mannes, wie sie gleichermaßen intellektuell und handwerklich auf den Punkt kam. Aber lassen Sie es mich so sagen: das Ereignis-Fenster ist etwas größer.
Mir liegt daran, in der 2025er Session von Mythos Puch eine eher kulturgeschichtliche Betrachtung des gesamten Themas anzubieten, innerhalb derer der Puch G auf dem Weg zur G-Klasse eine exemplarische Rolle spielt; sowohl technologiegeschichtlich, als auch im Reüssieren des „Arbeitstiers“ zum Luxusgegenstand. Darin spiegelt sich auch jener Aspekt, in dem sich das Automobil als ein Generalfetisch unserer Kultur erweist. Wir werden uns heuer bemühen, dieses gesamte Thema ein wenig zu entschlüsseln; ebenso mit künstlerischen Mitteln.