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Ein Gedankengebäude um 1900: Der Äther#

Von Monika Lafer#

Menschen versuchen seit langer Zeit, für Naturerscheinungen brauchbare Erklärungen zu finden. Zunächst wurden verschiedene Gottheiten für Wetter, Feuer und Fruchtbarkeit des Bodens als Urheber angenommen, das Weltbild wurde immer differenzierter.

Um 1900 hatte sich die Lehre von den vier Elementen etabliert. Es war eine Zeit voller Umbrüche, man denke beispielsweise an die Psychoanalyse Freuds oder Entdeckung der Röntgenstrahlen, beides erlaubte auf bestimmte Weise bisher völlig unbekannte Blicke in das menschliche Innere.

Die Vier-Elemente-Lehre wies ein hohes Maß an innerer Geschlossenheit auf, das Ganze der Natur war durch diese Zahl gut repräsentiert. Das fünfte Element trat immer wieder in verschiedener Gestalt begleitend in Erscheinung: als das überschießende Potential des Feuers bei Heraklit oder der Äther des Parmenides. Es wurde als etwas Höheres gesehen, es war immer mehr als ein einzelnes Element – eine erste Erweiterung der Vier-Elemente-Lehre durch Hinzufügen des Äthers fand bereits im Umkreis von Platon statt.1)

In der Neuzeit erlebte dieses Element der Elemente eine neuerliche Blüte. Newton führte den Äther als Hypothese in seine wissenschaftlichen Publikationen ein – üblicherweise waren Annahmen von Entitäten in der Forschungsarbeit Newtons die Ausnahme. Zudem zeigte sein fünftes Element eine Eigenschaft, die er der restlichen trägen Materie nicht zugestand, nämlich Aktivität. Der Äther war seiner Ansicht nach eine Substanz, die alle anderen durchdringt und auch leeren Raum erfüllt. Er verfügte somit über optische, gravitationstheoretische und physiologische Funktionen. 2)

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden eine Wellentheorie des Lichtes und zugleich der Äther als Trägersubstanz dieser Lichtwellen zu physikalischen Theorien. Erst mit Faraday‘schen Idee des elektromagnetischen Feldes und 3) der Maxwellschen Theorie 4) erübrigte sich die Vorstellung eines Äthers. 5)

Albert Einsteins Aufsatz Über die Elektrodynamik bewegter Körper (1905) stellte zum ersten Mal die Relativitätstheorie vor, auch hier wurde der Äther als Verbindung zwischen Mechanik und Elektrodynamik hinfällig. Das Festhalten an jenem fünften Element nach 1905 ist als das Bekenntnis an einen bestimmten Typ von Physik zu sehen – ein Vortrag von Philipp Lenard aus dem Jahr 1910 Über Äther und Materie zeigte diese Auffassung von Physik: Unser Geist sei zum Begreifen – nicht nur zum mathematischen Beschreiben - der Natur eingerichtet, so Lenards Postulat. 6)

In meiner Dissertation Arthur Kurtz und Augustin Kurtz-Gallenstein. Zwei Künstler im Spannungsfeld zwischen Tradition und Aufbruch, Verlag Sublilium Schaffer Kumberg, 2022, befasse ich mich mit den Überlegungen Arthur Kurtz‘. Seine Hypothesen brachten ihn in Teufels Küche, zumal seine malenden Marktbegleiter etwas suchten, um ihn als geistig umnachtet darzustellen:

Arthur Kurtz (1860-1917, Maler, Schriftsteller und Philosoph) war den Problemen seiner Zeit auf der Spur und suchte unermüdlich nach Lösungen auf philosophischem Gebiet.

Eine Idee, die er 1901 in Form einer Publikation der Öffentlichkeit zugänglich machte, war jene des Perpetuum Mobiles in Kombination mit dem alles verbindenden fünften Element. Er nannte es Lenkbarer Naturkraft-Zentralapparat – und sah den Nutzen darin, das Glück des Menschen dauerhaft zu erhalten. 7)

Aus einem Bericht geht hervor, dass der Künstler durch Einflussnahme – durch das Lenken der Natur – dachte, man könne so Schlachten und Kriege verhindern, um der Menschheit dauerhaften Frieden zu sichern. 8)

Kurtz ging es trotz aller Anfeindungen, die seine Publikationen mit sich brachten, nie um persönlichen Ruhm, sondern um den Nutzen seiner Forschungen. So sorgte er sich gegen Ende seines Lebens, ob seine Überlegungen nun in der Versenkung verschwinden würden und so der Menschheit nicht dienen könnten. 9)

Die Fußnoten#

1) Gernot Böhme, Hartmut Böhme, Feuer Wasser Erde Luft. Eine Kulturgeschichte der Elemente, München 1996, 3. Auflage 2004, S. 143.
2) Gernot Böhme, Hartmut Böhme, Feuer Wasser Erde Luft. Eine Kulturgeschichte der Elemente, München 1996, 3. Auflage 2004, S. 159.
3) Gernot Böhme, Hartmut Böhme, Feuer Wasser Erde Luft. Eine Kulturgeschichte der Elemente, München 1996, 3. Auflage 2004, S. 161.
4) Maxwellsche Theorie = Grundgleichungen des elektromagnetischen Feldes. Maxwell verwendete für seine Berechnungen den Lagrange-Formalismus als mathematisches Rüstzeug. Dies wiederum war eine integrale Formulierung der Mechanik: die Besonderheit hierbei ist, dass auf die Rechenschaft über die einzelnen wirkenden Kräfte verzichtet werden kann. Insgesamt bedeutet das, dass in der Formulierung physikalischer Theorien rein auf mathematische Gesetze zurückgegriffen wird – diese verbinden die Phänomene so ohnehin miteinander. Also war der Äther physikalisch an entscheidender Stelle (als Lichtträger) überflüssig geworden. Quelle: Gernot Böhme, Hartmut Böhme, Feuer Wasser Erde Luft. Eine Kulturgeschichte der Elemente, München 1996, 3. Auflage 2004, S. 161.
5) Gernot Böhme, Hartmut Böhme, Feuer Wasser Erde Luft. Eine Kulturgeschichte der Elemente, München 1996, 3. Auflage 2004, S. 161.
6) Gernot Böhme, Hartmut Böhme, Feuer Wasser Erde Luft. Eine Kulturgeschichte der Elemente, München 1996, 3. Auflage 2004, S. 162.
7) Unbekannter Autor, in: Illustrierte Kronen Zeitung vom 24.1.1917, S.8 Digitalisat: Link, abgerufen am 14.8.2021.
8) Unbekannter Autor, Maler Arthur Kurtz+, in: Wiener Zeitung, 23.1.1917, S.19, Digitalisat: Link, abgerufen am 4.10.2021.
9) Abschiedsbrief Arthur Kurtz an seine Freunde, Privatbesitz.