Wohin Gespräche führen#
(Ebene III, erste Session, Dokumentation I)#
Von Martin Krusche#
Eine Ausstellung, wenn sie erst einmal hängt, verändert sich naturgemäß durch wandelbare Betrachtungswinkel. Das gilt auch für jene, von denen die Bilder gemalt, die Bilder gehängt wurden. Jeder Gang mit Gästen führt zu einer anderen Erzählung.
Darin liegt auch ein besonderer Reiz der prozeßhaften Arbeit. Diese Fortführung des Begonnenen aus dem Bestand heraus, aus dem Zwischenstand. Das ist für ein Publikum nicht unbedingt greifbar, es bleibt aber für uns bedeutend, denn das war die erste von drei Sessions auf der dritten Erzählebene; also die Rückführung der Kommunikationsakte aus dem Web in Dimensionen der realen sozialen Begegnung.
Monika Lafer führte die Gäste durch die Stockwerke des Verwaltungsgebäudes, in einem ebenerdigen Besprechungszimmer fanden wir uns dann um den großen Tisch herum ein. Ich hatte mir vorgenommen, den Umbruch von der konkreten zur abstrakten Maschine anschaulich zu machen. Ich bin in meiner Schilderung von einer Funktion der üblichen Mobiltelefone ausgegangen. Die Kamera hat einen Zeitauslöser, der über einen bestimmten Menüpunkt aktiviert werden kann. (Darauf gehe ich in einer folgenden Notiz dann noch näher ein.)
Paradigmenwechsel?#
Ich blieb zur Einleitung noch über aktuelle Pressemeldungen sehr vergnügt, die gerade erst hereingekommen waren. Es soll erstmals gelungen sein, in einer Anlage für Kernfusionen mehr Energie-Output geschafft zu haben, als Input nötig gewesen ist. Aus hundert Prozent Input konnten rund 120 Prozent Output gezogen werden.Das schien mir wie maßgeschneidert für unsere Themenreihe. Eine Analogie zur Optimierung der Dampfmaschine durch James Watt, wodurch das altbekannte Prinzip zu einem gut nutzbaren Verhältnis zwischen Treibstoff-Aufwand und Energie-Output kam.
Aber das erwies sich als etwas voreilig, wie mir Wissenschafter Hermann Maurer bald darauf erläuterte. Er schrieb mir: „Es gibt zwei Methoden, Kernfusion zu erreichen. Durch gezielte Laserstrahlen auf ein bisschen Wasserstoff. Das geht nur kurz und ist, wenn, dann erst in Jahrzehnten kommerzialisierbar. Das ist, wovon die Welt gerade schwärmt). Die zweite Methode: Wasserstoff in einem Magnetfeld stark zu erhitzen und komprimieren. Das ist, was ITER tun wird. Das ist so auch nicht kommerziell sinnvoll, weil man für die starken Magnetfelder supraleitenden Strom benötigt, was bis vor Monaten nur bei fast minus 273 ° möglich war. Damit braucht man aber sehr viel Energie, um so tief abkühlen zu können.“
Sie sehen, eine einzelne Meldung, die ich ohne tiefere Sachkenntnis kolportiere, liefert mir zwar ein Faktum, das der Überprüfung standhält, doch damit habe ich die eigentliche Situation noch nicht kennengelernt und erfaßt, in der dann verschiedene Optionen bearbeitet werden.
Maurer schickte mir ein „Aber!“ Nämlich: „Vor zirka fünf Wochen ist es erstmals gelungen, Supraleitfähigkeit bei minus 60 ° zu erzeugen. Das bedeutet eine sehr hohe Energieausbeute.Das war/ist ein wirklicher Durchbruch, von dem nicht berichtet wurde.“
Ich greife dieses eine Detail heraus: supraleitender Strom nun statt bei den den fast minus 273 ° neuerdings bei etwa minus 60 °. Denkt man diese Differenz in Prozenten, klingt das selbst für einen Laien ziemlich sensationell. Davon hatte ich freilich bei unserer Session nichts gewußt.
- Ebene #3: Reale soziale Begegnung (Die weiterführende Arbeit)
- Fotos: Martin Krusche