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Monika Lafer
Monika Lafer

Nächste Kontraste#

(Ebene III, zweite Session, Dokumentation)#

Von Martin Krusche#

Die Grundidee: Bei der Vernissage werden Bilder gezeigt und Menschen kommen zusammen, unterhalten sich. Über Links stehen Verzweigungen ins Internet offen, wo sich Informationsangebote vertiefen lassen, Querverbindungen auftun, die Arbeit der Malerin in andere Stoffe eingebunden wird. Aber von dort soll auch etwas zu den realen sozialen Begegnungen zurückkehren lassen. Das ist die „Ebene #3“.

Ich bin sehr angetan zu erleben, daß sich Schritte in den Kontrast zum größeren Trubel üblicher Vernissagen machen lassen, denn Dialog ist etwas qualitativ anderes als Small Talk. Es bedeutet zum Beispiel, daß ich dann jemandem über die Schulter schaue, der sich von Malerin Monika Lafer eine Reihe inhaltlicher Aspekte erläutern läßt. Schließlich zeigte sich, daß der Mann selbst malt und sich dafür interessiert, wie manche visuelle Effekte zustande kommen, unter welchen Bedingungen Malerei welchen Zielen gewidmet wird etc.

Weitere Menschen waren in der Zentrale der Feistitzwerke angekommen, um sich durch die Gänge führen zu lassen. Veranstalter werden es naturgemäß begrüßen, wenn sich Andrang zeigt und Unruhe ereignet. Sehen Sie die Regionalpresse durch, um zu erfahren, was als „Erfolg“ beschrieben wird und wem man das „Durchstarten“ attestiert. Da geht es meist um Wow-Effekte. Völlig legitim, das anzustreben. Es ist aber stets nur der Vorgarten eines regen geistigen Lebens in einer bestimmten Region.

Bild 'lafer12b'
Bild 'lafer12e'

Das Dialogische#

Ich habe vergleichbare Schritte in Gleisdorf früher als „Dialogveranstaltungen“ beschrieben und einige Zeit als „Konferenz in Permanenz“ geführt.

Manchmal war dabei eine Künstlerin mit einem ihrer Werke für den ganzen Abend unser Gegenüber. Ich habe wenig Interesse an Podiumsdebatten, die immer zu einem erheblichen Teil Showprogramm sind und sein müssen. Fruchtbarer Dialog ist eben nur im kleinen Kreis möglich. (Wie erwähnt: im Kontrast zum Small Talk.)

Monika Lafer hatte die zweite Session von „Die Natur Mensch“ mit einem kleinen Essay unterlegt, der im Jänner 2023 als Basis diente: „Was ist Inhalt?“ (Einige grundlegende Überlegungen). Das bezog sie zur generellen Anschauung auf ein Werk von William Turner: „Regen, Dampf und Geschwindigkeit.“

Kein Zufall, denn Ebene #2 des Gesamtvorhabens („Die Textminiaturen“ im Internet) ist unter anderem der Frage gewidmet, ob denn nun tatsächlich die Dampfmaschinenmoderne vorüber ist und wir uns in einer neuen Ära befinden. Falls das zutrifft, sind derzeit sehr viele Fragen offen. Ich hab hier stärker denn je den Eindruck, um dieses Thema zu bewältigen, brauchen wir mehr Dialoge, nicht Vorträge.

Streuung#

Ich komme in solchen Situationen natürlich sehr leicht vom Weg ab, genauer: vom Thema. So fand ich in Andreas Hofstädtler, der bei den Feistritzwerken für den Einkauf zuständig ist, ein sachkundiges Gegenüber, um eine ganze Reihe von Fragen anzubringen. Seit ich den regionalen Gewässern nachgehe, sehe ich ja auch ständig Details jener Infrastruktur, die uns wie selbstverständlich elektrischen Strom verfügbar macht.
William Turner: Regen, Dampf und Geschwindigkeit. Die Große Westeisenbahn, 1844
William Turner: Regen, Dampf und Geschwindigkeit. Die Große Westeisenbahn, 1844

Vor allem was Transformatoren angeht, hatte ich erhebliche Wissenslücken. Von der Hochspannung über Mittelspannung zum Haushalts-Strom einer Stadt, das ist ein komplexer Prozeß. Ich hab erst kürzlich das neu eingezäunte Trafo-Haus fotografiert, das am Schnittpunkt steht, wo die Pflugergasse in die Feldgasse mündet. „Das ist überhaupt unser größter Trafo“, sagte Hofstädtler. Ich meinte: „Den würde ich mir gerne anschauen.“ „Eine laufende Anlage? Das ist nicht erlaubt.“

Falls es da um eine Erlaubnis geht, nahm ich mir vor, Boss Rybar danach zu fragen. Eine völlige Fehleinschätzung. Erich Rybar meinte auf meine Frage kategorisch: „Nein. Da gehe ich nicht einmal in die Nähe. Das ist viel zu gefährlich.“ Okay! Die Hinweise auf „Hochspannung“ und „Lebensgefahr“ sind also überaus ernst gemeint.

Und die Kunst?#

Was hat das nun alles mit Malerei zu tun? Es muß nicht, aber es kann. Kunstpraxis heißt: auf relevante Themen mit Mitteln der Kunst zu reagieren. Das ist nicht zwingend rational aufklärerisch. Kunstwerke bieten uns Wahrnehmungserfahrungen an, die völlig außersprachlicher Art sein können.

Ein Beispiel. Schauen Sie sich bei Gelegenheit eine Zuggarnitur zum Sondertransport der riesigen Trafos aus Weiz an. Solche Transportsysteme stehen manchmal am Gleisdorfer Bahnhof. Die Struktur, wie sie sich aus den komplexen Funktionen gibt. Unzählige Lager und Gelenke, damit vielfältige Strecken befahrbar bleiben. Diese merkwürdige gesamte Formgebung. Die Farbenspiele des Transportsystems im Kontrast dazu der bleiche Trafo, der zwischen den Fahrzeugteilen aufgehängt ist. Damit hätte eine Malerin reichlich zu tun.

Überdies habe ich vorhin ein spezielles Gemälde erwähnt. William Turner's „Regen, Dampf und Geschwindigkeit“ (Die Große Westeisenbahn), worauf sich Lafer bezog. Eine Arbeit von 1844. Ein Monument in der Zeit. Rund 75 Jahre davor hatte der Schotte James Watt die Dampfmaschine optimiert, wirtschaftlich nutzbar gemacht.

Das englische Patent Nr. 913 (5. Januar 1769) nennt „A New Invented Method of Lessening the Consumption of Steam and Fuel in Fire Engines.“ also eine neu erfundene Methode zur Verringerung des Verbrauchs von Dampf und Brennstoff in Verbrennungsmaschinen.

Eine der Gleisdorfer Trafo-Stationen
Eine der Gleisdorfer Trafo-Stationen
Trafo-Transport am Gleisdorfer Bahnhof
Trafo-Transport am Gleisdorfer Bahnhof

Bloß 42 Jahre nach dem Entstehen des Gemäldes, am 4. September 1882, gingen in New York die elektrischen Lichter an, wurde das System zur elektrischen Beleuchtung der Stadt in Gang gesetzt.

Aus der New York Times erfuhr man: „Es war gestern Nachmittag um 17:00 Uhr, als die Lichter in Betrieb genommen wurden. Es war hell, die Lichter wirkten schwach. Erst gegen 19:00 Uhr, als es dunkel wurde, machte sich das elektrische Licht wirklich bemerkbar und zeigte, wie hell und stabil es ist.“

Ein Besucher von Lafers Ausstellung erzählte, er erinnere sich noch gut, wie in seinem Elternhaus der Strom eingeleitet wurde und was für ein Gefühl das war, als Lampen angingen. „Eh nur drei, in jeweils einem Raum, so in der Mitte von der Decke.“

Sie sehen, was immer uns umgibt hat diese oder jene Querverbindung in die Tiefen der Vergangenheit. Es ist besser zu klären, wer wir eigentlich sind, wenn wir Gelegenheit finden, uns über solche Zusammenhänge auszutauschen. Das wird vielen an ihrem Arbeitsplatz nicht ohne weiteres gelingen. Kulturelle Projekte schaffen dafür Anlässe und Rahmenbedingungen.