Der Dunning-Kruger-Effekt oder „Kann ich auch!“#
(Kolumne „Inspiration“)#
Von Monika Lafer#
Die Welt der Kunst scheint viele faszinierende Facetten bereitzuhalten: Vom Staunen über scheinbar überirdische Fähigkeiten bei Malern oder Musikerinnen bis hin zu Kopfschütteln vor einer Leinwand mit ein paar Strichen drauf. „Das kann ich auch“, hört man immer wieder. Mag sein – aber was, wenn es ganz anders ist? „Sicher nicht. Schwachsinn!“ plärrt es einem entgegen. Trotzhaltung, abschätziger Blick und verschränkte Arme inklusive. Möglicherweise machen Kunstwerk sowie die Reaktion darauf Sinn. Nämlich dann, wenn man genug Informationen hat.
Was bedeutet „genug Informationen“?#
Nehmen wir ein Thema wie Bildende Kunst, wo die Menschen hinschauen und sofort eine Meinung haben. Diese hat selten etwas mit Fachwissen zu tun, sondern persönlichem Geschmack. Die eigene Meinung erachten allerdings viele als genug, die sich künstlerische Arbeiten anschauen. Die Kunstschaffenden hingegen erwarten sich auch Fachkenntnis oder zumindest etwas Erfahrung im Sehen/Wahrnehmen und sind mitunter baff, dass genau dem nicht so ist.1999 erarbeiteten die Psychologen David Dunning und Justin Kruger Studien, in denen sie Studenten in New York baten, ihre geistigen Kompetenzen einzuschätzen. Das Ergebnis war, dass sich die schlechten Teilnehmer regelmäßig überschätzten, während die intelligenten ihr Wissen eher unterbewerteten. Der sogenannte Dunning-Kruger-Effekt besagt also: Je weniger man über ein Thema weiß, desto mehr glaubt man darüber zu wissen. (Quelle: Dunning-Kruger-Effekt, abgerufen am 7.11.2025)
Um beim „Kann ich auch“ – Beispiel zu bleiben: Findet man auf Instagram eine Do-it-yourself-Anleitung einer Zeichnung, die kinderleicht aussieht, will man das möglicherweise sofort selbst ausprobieren. Die Ernüchterung lässt nicht lange auf sich warten. Vielleicht hätte man vorher nach weiterer nützlicher Information suchen sollen – zum Beispiel könnte man jemanden fragen, der sich gut mit Stift und Papier auskennt.
Möglicherweise gibt es Gründe, dass Bildende Kunst ein Studienfach ist oder Autodidakten ziemlich viel Zeit in ihre künstlerische Arbeit investieren. Das erzählt uns Insta natürlich nicht. Der „Wow“-Effekt ist zwar kurz beeindruckend, aber Nachhaltigkeit bzw. „Können“ geht anders.
Die „Kann ja nicht so schwer sein. Ist ja nix dahinter“ – Haltung sollte für uns immer eine Red Flag sein. Differenzierte Menschen denken meist aus mehreren Gesichtspunkten über ein Vorhaben oder Projekt nach und stellen dann fest, dass es doch einiges im Vorfeld zu klären gilt. Wieder andere stellen fest, dass etwas nicht funktioniert und jeder ist dran schuld. Das Wetter, das Material, die Anleitung,… die Liste ist lang. Nur nicht sie oder er selbst. Was kommt dabei raus? Nichts. „Die Doofen merken nicht, dass sie doof sind“, so die vereinfachte Erklärung des Dunning-Kruger-Effekts.
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