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Notiz 003: Herbert Krois#

(Zur Erinnerung)#

von Martin Krusche

Dieser Tage erreichte mich von Konstrukteur Markus Rudolf folgende Nachricht: „Mit Herbert Krois ist ein alter Puchianer und einer der profiliertesten Vertreter der Steyr-Daimler-Puch Haflinger- und Pinzgauer-Szene in den USA am 10. September 2020 für immer gegangen.“ Zunehmend verlassen uns Menschen, die das erdacht und gemacht haben, was wir heute als Fans bestaunen, als Schrauber und Sammler erhalten. Es sagt sich so leicht dahin: „Im vorigen Jahrhundert…“ Aber das sind Dimensionen, die nur wirklich kennt, wer es auf eine erhebliche Lebensspanne bringt.

Herbert Krois mit einem Haflinger der frühen Baumuster. (Foto: Archiv Kiesling/Markus)
Herbert Krois mit einem Haflinger der frühen Baumuster. (Foto: Archiv Kiesling/Markus)

Die Stangl-Puch kam 1954 auf den Markt, das Puch-Schammerl 1967, der Haflinger 1959, die G-Klasse hat auch schon den 40er hinter sich. Immer noch denk ich mir nichts, wenn mir im Alltag eine Flotte von Puch Maxi-Mofas um die Ohren fährt. (Die Zweiradproduktion endete in Graz 1987.)

Da kürzlich Konstrukteur Egon Rudolf zu verabschieden war, letzter Werksdirektor der historischen Puchwerke, erinnerte mich sein Sohn Markus an Herbert Krois: „Ein Mensch, den man nicht vergisst und der seine Wurzeln in Graz und bei Steyr-Daimler-Puch nie vergessen hat.“

Darin liegt ein Hinweis, daß Puch-Produkte in die Welt hinausgingen und mit ihnen versierte Kräfte. Von Constantin Kiesling ist zu erfahren: „Als jüngster von drei Krois-Brüdern, die allesamt im Puchwerk in Thondorf arbeiteten, kam Herbert Krois Mitte der 1950er Jahre zur Steyr-Daimler-Puch AG und gehörte damit noch zu jener Generation von Puchianern, die an der Entwicklung und Erprobung des Haflingers (und später auch des Pinzgauers) im Versuch persönlich beteiligt waren.“

Heute ist vielen nicht mehr klar, daß der Haflinger nach wie vor eine exzellente und völlig für sich stehende Konstruktion ist, zu der es in dieser Klasse nichts Vergleichbares gab. Freilich war die Transportkapazität mit dem Lauf der Zeit zu gering. Hatten Sie je Gelegenheit, mit einem der größeren Pinzgauer ins schwere Gelände zu fahren? Es ist absolut verblüffend, was diese Fahrzeuge möglich machen, was da an Know how auf vier, wahlweise sechs Räder gestellt wurde.

Rudolf: „Als Anfang der sechziger Jahre die Montage von Puch Haflinger Fahrzeugen bei der Firma AUTOLEC in Südafrika begann, war er einer jener Mitarbeiter, die mit dem Produkt in die Ferne zogen und somit wesentlich zum guten internationalen Ruf des Unternehmens und insbesondere des Haflingers beitrugen.“ Ich darf ergänzen: nicht nur der Ruf des Unternehmens. Die Steiermark, einst eine rückständige Region der Monarchie, hat mit der Industrialisierung an Wohlstand und an gutem Ruf gewonnen, weil es hier seit Jahrhunderten geschickte Männer und Frauen gibt, die als Fachkräfte international gefragt wurden.

Herbert Krois, wie ihn Konstantin Kiesling noch in den USA getroffen hat. (Foto: Archiv Kiesling/Markus)
Herbert Krois, wie ihn Konstantin Kiesling noch in den USA getroffen hat. (Foto: Archiv Kiesling/Markus)

Kiesling ist selbst ein Beispiel dafür. Er arbeitet als Ingenieur in der Motoren-Entwicklung. Das verweist wiederum auf die recht junge Geschichte der „Maschinenenwissenschaft“, denn die Weggabelung, an der sich Werkmeister und Ingenieur im Status trennten, ist fast noch in Sichtweite innerhalb einer lebhaften Vergangenheit.

Damit meine ich, wir haben technische Hochschulen und Polytechnika noch nicht gar so lange. Es bringt Vorteile, wenn der Ingenieur auch vom Schrauben und von den Materialien eine fundierte Ahnung hat, was auf den Haflinger-Experten exemplarisch Kiesling zutrifft.

Man begreift das auch sofort, wenn man etwa Altmeister Fredi Thaler (Handwerker) und Manfred „Hasi“ Haslinger (Ingenieur) gemeinsam an einem Klassiker arbeiten sieht. Da bündeln sich eben verschiedene Kompetenzen zum Nutzen des Projektes.

Zurück zum Thema: Nach einem kurzen Zwischenstop in Graz – Herbert Krois war als Versuchsfahrer auch an der Erprobung der ersten Pinzgauer Prototypen beteiligt - ging er 1965 in die Vereinigten Staaten, nach Florida, wo er sich als Mechaniker auf Mercedes-Fahrzeuge spezialisierte und sich ab den späten 1970igern an den Vertriebsaktivitäten für Steyr-Puch Pinzgauer in den USA beteiligte. Kiesling: „Letztlich wurden von der US Army über 30 Fahrzeuge für Spezialeinsätze beschafft, die Herbert Krois über die gesamte Nutzungsdauer hinweg – über 20 Jahre lang – unter Geheimhaltung betreute.“

Der Pinzgauer, für Spezialeinheiten adaptiert. (Foto: Archiv Kiesling/Markus)
Der Pinzgauer, für Spezialeinheiten adaptiert. (Foto: Archiv Kiesling/Markus)

Das sind ja Geschichten, die wir derzeit noch nicht in den Büchern finden. Wir wissen meist bloß von den Zweiradexporten nach Amerika, von den Fahrzeugen, die Handelsriese Sears unter der Marke „Allstate“ vertrieb. Außerdem gibt es heute in den USA allerhand Moped-Clubs, bei denen die Marke Puch recht beliebt ist.

Rudolf: „Nach dem Ausscheiden der Fahrzeuge aus dem Militärdienst vertrauten auch die neuen, zivilen Besitzer auf Herbert Krois‘ Fähigkeiten und legten speziell die Revision der Turbodiesel-Motoren in seine bewährten Hände. Im Rahmen dieser Tätigkeiten entstand via Skype, Telefon und Email auch eine lebhafte Bekanntschaft mit Markus Rudolf und Alois Schadler, die Herbert Krois bis kurz vor seinem Tod mit Ersatzteilen aus Graz versorgten. Die in Angriff genommene Revision seines eigenen Pinzgauers Turbo D konnte er jedoch leider nicht mehr vollenden.“

Stichwort! Alois Schadler ist ein gutes Beispiel für die (damals) nächste Generation von Puchianern, eigentlich die letzte Generation im historischen Sinn der Puchwerke, die ihr Handwerk auf hohem Niveau versteht, heute auch dem Nachwuchs sehr wesentliche Impulse gibt. Es ist technisch so vieles im Umbruch und wir können derzeit ja nicht sagen, welche der Kompetenzen und Fertigkeiten wir auch zukünftig dringend brauchen werden, selbst wenn die Wirtschaft sie derzeit kaum noch benötigt.

Gruppenbild mit Pinzgauer. (Foto: Archiv Kiesling/Markus)
Gruppenbild mit Pinzgauer. (Foto: Archiv Kiesling/Markus)

Im Grunde ruht das Gedeihen Europas seit Jahrtausenden auch auf den Qualitäten vorzüglicher Handwerker. Wer je dachte, dieses Metier stünde in einem Gegensatz zur Kopfarbeit, hat keinen Tau, wie viel an klugen Köpfen das gute Handwerk unbedingt braucht. Daher ist es derzeit eine sehr brisante Frage, was sich die Menschheit vornehmen soll, wo wir mitten in der Vierten Industriellen Revolution angekommen sind und selbstlernende Maschinensysteme dafür sorgen, daß wir Menschen unser Verhältnis zu Maschinen ganz generell neu klären und ordnen müssen.

Ich denke, wir haben noch gar nicht angemessen realisiert, welchen Schatz an Kompetenzen, auch: welches Kulturgut wir verlieren, da sich Leben wie das von Krois erschöpft haben. Wir haben gewiß auch etwas zu wenig beachtet, was es brauchen würde, derlei grundlegende Qualitäten unter Menschen zu sichern, zu erhalten, denn der vorzügliche Handwerker kann Dinge, die nicht erst seit der Dampfmaschinen-Moderne wichtig sind, damit Gesellschaften vorankommen.

Kiesling: „In Erinnerung bleiben wird seine Energie, sein Interesse an den Vorgängen in Österreich und sein Bedürfnis, mit den Kollegen aus der alten Heimat lange Gespräche zu führen. Beeindruckend war nach fast sechzig Jahren in der Fremde sein ausgezeichnetes und fast akzentfreies Beherrschen der deutschen Muttersprache.“