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Notiz 014: Ich hab schon eine Freud#

(Der Mechaniker Luis Adler)#

von Martin Krusche

Bei Luis Adler wird schnell klargestellt: „In diese neuen Kübel will ich gar nicht erst reinschauen.“ Was soll man mit einer Karre anfangen, die unter ihrer Motorhaube gleich die nächste Motorhaube hat? Verkapselter Motor, verschweißte Komponenten, Schnittstellen für Computer, gut, die Technik ändert sich immer. Aber schlichte Handreichungen und auf einer Tastatur klimpern, das ist nicht sein Traum von Handwerk.

Damit wäre das Lebensthema des Mannes markiert: Adler.
Damit wäre das Lebensthema des Mannes markiert: Adler.

Schrauben, Schrauben, Schrauben. Und Muttern. Bolzen. Simmeringe? Kabel. Stecker. Luis Adler hat ausgemusterte Büromöbel adaptiert, um solche Kleinteile zu sortieren und griffbereit zu halten. Aktenschränke, Schreibtische, unzählige Fächer und Schubladen. Für Laien ist das nicht überschaubar. „Za wos?“ Hochsprachlich: „Wozu?“ Wozu braucht man das?

Wer Klassiker restauriert, von der Schreibmaschine, über Fahrräder und Mopeds bis zu Automobilen, ist mit einer Vielzahl von ganz unterschiedlichen Köpfen, Gewinden und Längen konfrontiert. Wenn’s nur paßt, reicht das meist nicht. Es sollte auch noch dem Original entsprechen.

Falls Sie je im Baumarkt spezielle Schrauben gekauft haben, sollten Sie über den hohen Preis der kleinen Säckchen gestaunt haben. Dann verstehen Sie vielleicht, warum man etwa in der Monarchie mit einer gutgehenden Schraubenfabrik zum Milliardär werden konnte. Luis Adler rennt für seine Projekte nicht in den Baumarkt, sondern geht in einen seiner Schuppen und schaut, was sich Passendes findet.

Einer, der die Dinge sehr genau nimmt.
Einer, der die Dinge sehr genau nimmt.

Ich beschreibe das so ausführlich, um zu verdeutlichen, daß die Hingabe an rollendes Kulturgut nicht bloß Mühe machen kann, wenn zu einem Fahrzeug größere Komponenten fehlen. Bei der Restaurierung, aber auch bei der Wartung im laufenden Betrieb können Schrauben und Kleinteile zur Hürde werden.

Wie es begann#

Adler kommt aus der Branche. Er hat einst in einem Grazer Betrieb gelernt. Hierzer. Fiat-Vertretung. Hüttenbrennergasse. „Wir haben alles gemacht. PKW, LKW, Motorsägen. Auch Aggregate überholen. Lichtmaschinen, Starter, Getriebe.“

Adler wollte zwei Lehren absolvieren, Mechaniker und Elektriker. Drei Jahre Lehrzeit. „Dann hätte ich zwei Berufe gehabt.“ Aber der Chef meinte, er solle erst einmal eine Sache machen, „ich bin dann eh überall eingeteilt worden“. Nach der Meisterprüfung war er noch drei Jahre Werkstättenleiter. Aber das Geschäftsleben veränderte sich. „Verkauf und der Handel mit Autos, das hat mich nicht interessiert.“

Auf dieser Schreibmaschine finden sie noch ein Stück früher Werksgeschichte notiert.
Auf dieser Schreibmaschine finden sie noch ein Stück früher Werksgeschichte notiert.

Adler ist nicht für das Büro gemacht. Ein leidenschaftlicher Handwerker. „Ich bin nicht genau, ich bin sehr genau.“ Er kommt aus der agrarischen Welt. Das bedeutet, er wurde, wie in diesen Kreisen üblich, schon früh an die Arbeit herangeführt.

„Wenn wir von der Schule heimgekommen sind und es hat Arbeit gegeben, haben wir auch bei den Nachbarn mitgeholfen.“ Nachbarschaftshilfe war einst eine Existenzfrage. Im bäuerlichen Leben mußten alle entsprechend ihrer Möglichkeiten mitwirken, damit das Leben funktioniert.

Heute, das stattliche Haus, die Werkstatt, der Schuppen, das sind Früchte seiner Ära. Von der Terrasse sieht man hinüber zum Haus, das seine Eltern gebaut hatten. Daneben ein Gebäude, in dem die Großeltern untergebracht waren. „Da war alles Wald“, sagt Adler, keine Landwirtschaft.

An Wald hat seine Familie auch einiges zugekauft. Dazu paßt der 1961 Steyr-Puch Haflinger. Ein ausgemustertes Bundesheerfahrzeug, das Adler einst preiswert erstanden und in Form gebracht hat. (Die Zeiten, in denen man preisgünstige Haflinger finden konnte, sind längst vorbei.)

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Mitte der 1970er Jahre wechselte Adler aus der Werkstatt in den Ersatzteilhandel. (Autoersatzteile, Motorenmaterial in Originalqualität, fragt eigentlich heue noch jemand extra ob man Original- oder Nachbauteile nutzen möchte?) Dabei blieb es nicht und Adler fand 1976 eine weit umfassendere Aufgabenstellung.

Man könnte sagen, er wurde Generalist, genauer: Haustechniker bei der Pensionsversicherungsanstalt. „Dort hab ich alles gemacht. Elektro, Installation, Scheiben austauschen, Rollos reparieren, einfach alles.“

Früher warst du mehr auf dich gestellt#

Das ist bis heute die Grundsituation des Handwerkers, aus jenen Tagen, wo man ein Problem noch nicht per Laptop und Diagnosesoftware gesucht hat. Heute sind viele Bereiche ohne Spezialwerkzeug der Herstellerfirmen gar nicht bearbeitbar. Es kann gut sein, daß Sie zuhause ein Küchenkastl mit klappernden Türln haben, aber keiner Ihrer Schraubenzieher paßt zu den Schrauben.
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Adler: „Früher warst du mehr auf dich gestellt, hast selber überlegen müssen, wie du was machen mußt oder wie du was besser machen kannst.“ Wer das gründlich eingeübt und im Blut hat, steht einem Restaurierungsprojekt natürlich gut gerüstet gegenüber. Adler: „Ich könnte nicht sagen, daß mir je was nicht gelungen wäre.“

Da ist nicht von einem Wunder wirkenden Genie die Rede, sondern von einem vorzüglichen Handwerker. Das heißt dann zum Beispiel: „Herumtüfteln, bis ich eine Lösung hab.“ Jahrzehnte des Problemlösen, des Verfeinerns der eigenen Handfertigkeit. Ein laufendes Vertiefen des Verständnisses von technischen Zusammenhängen. Und eine konsequente Achtsamkeit bei der Arbeit an einem alten Fahrzeug.

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Naja, nicht nur Fahrzeuge betreffend. Ader hat ein Lebensthema, das er mit Hingabe bearbeitet: Adler. Nein, das meint nicht ihn selbst, sondern die historische Firma Adler und dann noch alles, was gelegentlich an interessanten Objekten zum Thema Adler greifbar wird.

Kleyer, Adler & Co.#

Die deutschen Adlerwerke (vormals H. Kleyer AG) schrieben sich mit Fahrrädern, Motorrädern, Autos und Büromaschinen in die Geschichte ein. Ich denke, den berühmtesten Teil dieser Werksgeschichte schuf Clärenore Stinnes, die Tochter des Stahlbarons Hugo Stinnes. Sie schaffte mit einem serienmäßigen Adler Standard 6 (und einem Adler LKW als Begleitfahrzeug) die erste Automobil-Fernreise unserer Geschichte. Ihr Reisebericht liest sich wie ein Abenteuerroman.

Luis Adler hat in seiner Garage einen weißen 1934er Adler Trumpf. Das Auto fährt mit Frontantrieb, wobei das Getriebe vor dem Motor hockt und die Lichtmaschine von einer Riemenscheibe zwischen den beiden Komponenten angetrieben wird. Das ist also eine knifflige Anordnung.

Der 1955er Adler Roller.
Der 1955er Adler Roller.
Die seltene KTM Mecky.
Die seltene KTM Mecky.

Adler setzt auf Konzentration, hat sich auf eine überschaubare Anzahl der Fahrzeuge eingelassen. Zum Adler Cabrio ein Leichtmotorrad, die 1939er Adler 98. Dazu ein 1955er Adler Roller mit 100 cm und E-Starter sowie ein Adler Fahrrad von 1950. Dann aber ein spezieller Ausreißer in der Kollektion, ein heimisches Fahrzeug, das ich bisher nur aus der Literatur kannte.

Ein „Mopedroller“, also kein richtiger Scooter mit freiem Durchstieg, sondern eine Mischform mit Schürze, formal eher mit der Puch DS 50 („Daisy“) verwandt als mit frühen Vespas, an die der Scheinwerfer auf dem Kotblech und der dünne Lenker erinnern. Die KTM Mecky. Fünfzigerjahre pur.

Das Konzept hatte keine Zukunft. Das Mopperl ist eine Rarität. Schauen Sie genau hin, es hat zwei Pedale, auf daß jemand mitstrampeln könnte. Es gab auch die Puch DS 50 in so einer Tandemversion. Das war keine praktikable Lösung.

Mit Gottfried Lagler (links) am Puch Haflinger.
Mit Gottfried Lagler (links) am Puch Haflinger.
Die leichte Adler 98
Die leichte Adler 98

Als Adler ein stilistisch passendes Köfferchen für die Mecky fand, mußt er wegen des erheblichen Preises feilschen. Nachdem man sich einig wurde, entdeckte er den Grund dafür. Im Köfferchen steckte ein Schmalfilm-Projektor von Eumig, auch ein heimisches Produkt. Neben all dem hat Adler auch andere Adlerprodukte zusammengetragen, Nähmaschine, Grammophon, Schallplatte, Türschließer, was immer zum Thema paßt.

Die Sammelleidenschaft#

Fragen Sie nicht warum! Solche Leidenschaften sind rational nicht verhandelbar. Es gibt verschiedene Theorien über das Sammeln, ich kenne aber keine, die mir besonders einleuchten würde. Naja, es gibt eine sehr romantische Deutung. Manche Dinge schaffen es, daß wir uns in sie vernarren. So kommt es, daß wir sie erhalten, statt sie verrotten zu lassen.

Menschen tauchen in Themen ein und sorgen für den Erhalt von Artefakten. So geht Kultur; unter anderem. Dabei hat der Tag von Luis Adler ja auch nur 24 Stunden. Broterwerb, die Familie, das Haus, dazu war er rund ein Jahrzehnt lang Feuerwehrhauptmann von Nestelbach. Die Autobahn so nahe, da sind öfter Verletzte oder auch Tote aus Wracks zu schneiden gewesen. Sowas legt sich auf die Seele. Das braucht ein starkes Gegengewicht im Reich des Erfreulichen.


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