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Maschine: Intro#

(Eine Nachdenken im Rahmen des neuen Projektabschnittes „New Concept Vertigo“)#

von Martin Krusche

Ich muß meine Arbeit bündeln, fokussieren, denn ich habe seit einigen Jahren zu viele Kanäle offen, zu viele Teilthemen auf dem Tisch. Daraus entstand ein Arbeitspensum, das mich inzwischen überfordert und das für interessierte Leute so nicht mehr rezipierbar ist.

Ideal-Strohmlinienkörper für Landfahrzeuge nach der Jarayschen Theorie. (Foto: Public Domain)
Ideal-Strohmlinienkörper für Landfahrzeuge nach der Jarayschen Theorie. (Foto: Public Domain)

Diese hohe Komplexität korrespondiert zwar passend mit dem Zustand der Welt, aber sie ist für mich nicht handhabbar, nicht zu bewältigen. Daher straffe ich meine laufende Erzählung unter diesem alten Motiv, einem Körper, der etwa 1920 fotografiert wurde.

Ich mag diese Referenz an den Aerodynamiker Paul Jaray sehr, weil sie formal zwar in nüchterner technischer Aufgabenstellung wurzelt, aber zugleich in der Kunst verankert sein könnte.

Dieses Bild zeigt eine Fotografie, einen Papierabzug in der Größe von 7,5 x 10 Zentimetern. Sie wurde in der ETH-Bibliothek Zürich mit „ca. 1920“ datiert. Der Fotograf ist nicht bekannt. Die Bildunterschrift lautet: „Ideal-Strohmlinienkörper für Landfahrzeuge nach der Jaray'schen Theorie“.

So zeigt sich also keine Maschine, sondern eine Hülle. Damit ist aber etwas skizziert, was mit der Digitalen Revolution radikal vorankam. Konkrete Maschinen, die ihre Funktionen in ihrer Bauweise abbilden, kippen in einen Bereich abstrakter Maschinen, deren Erscheinungsbild nicht mehr genau verrät, was sie tun.

Die Stromlinienform setzte sich etwa ab 1933/1934 allgemein durch, war in der Folge nicht bloß von physikalischer Relevanz, sondern wurde ein kultureller Code. In Science Fiction-Filmen sehe ich heute Land-, Luft- und Wasserfahrzeuge, die in derlei klaren Formen ausgeführt sind. Ihre Maschinerie, ihre Motoren, ihre Energiequellen sind nicht mehr erkennbar.

Das Verkapseln von Aggregaten und Mechanismen umgibt und längst alltäglich. Selbst wer nachschauen möchte, welche Funktion in welche Mechanik gebettet wurde, scheitert meist schon am Mangel an Spezialwerkzeug, um Hüllen zu öffnen, müßte sie eventuell beschädigen, weil sie verklebt sind.

Wer aber doch Einblick bekommt, sieht heute immer mehr Elektronik, wo früher Mechanismen gewirkt haben. Die sprunghafte Zunahme der Komplexität von Zuständen und eine permanente Steigerung des Tempos von Prozessen sind nur einige der zeitgemäßen Effekte, die uns individuell und als Gesellschaften schwer zu schaffen machen.

Wir kennen zwei sehr bewährte Reaktionen auf solche Krisen: Aberglaube und Tyrannei. Beides trägt zur Brutalisierung von Gemeinschaften bei. Ich meine, wir erleben so etwas gerade, befeuert durch Kontroversen darüber, wie mit der Corona-Pandemie umzugehen sei.

Als Autor, als Künstler, als politisch anwesender Bürger habe ich laufend neu zu klären, auf welche Art ich an gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen will und welche Mittel mir dabei geeignet erscheinen. Sie werden kaum überrascht sein, daß ich zu den adäquaten Mitteln nicht bloß Rationalität oder Geschichtskenntnis zähle, sondern auch Lyrik…